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# taz.de -- EuGH-Urteil zu Gentechnik: Ein Streitpunkt ist die Gen-Schere
> Gelten die bisherigen Gesetze auch für neue Verfahren zur
> Genmanipulation? Der Generalanwalt des EuGH sieht Spielraum für die
> einzelnen EU-Staaten.
Bild: Verbände fordern ein Moratorium für durch Mutagenese erzeugte herbizidt…
Karlsruhe taz | An diesem Mittwoch wird der Europäische Gerichtshof in
Luxemburg entscheiden, ob auch „neue Verfahren der Mutagenese“ unter das
strenge Gentechnikrecht fallen. Gemeint ist die Veränderung von
Pflanzengenen zum Beispiel [1][mit der Genschere CRISPR/Cas 9].
In der Freisetzungsrichtlinie der EU von 2001 ist geregelt, dass „genetisch
veränderte Organismen“ (GVO) eine spezielle Zulassung auf Basis einer
Umweltverträglichkeitsprüfung benötigen. Zugelassene GVO-Pflanzen müssen im
Handel entsprechend gekennzeichnet und in jeder Phase ihrer Vermarktung
„rückverfolgbar“ sein.
Allerdings gilt die Richtlinie nicht für Pflanzen, die durch Mutagenese
entstanden sind. Von Mutagenese spricht man, wenn das Erbgut verändert
wird, ohne Fremd-DNA einzufügen. Gemeint sind zum Beispiel zufällige
Veränderungen in der Natur, aber auch konventionelle Verfahren der
Züchtung, bei denen die Mutationen durch Einsatz von Chemie oder
radioaktiver Strahlung herbeigeführt werden. Der EuGH muss nun entscheiden,
ob diese Mutagenese-Ausnahme auch für neue Verfahren wie das Genome Editing
gilt.
Der Fall, der den Richtern vorliegt, kommt aus Frankreich. Dort streitet
der linksalternative Bauernverband Confédération Paysanne gegen die
Mutagenese-Ausnahme, die sich auch im französischen Umweltgesetzbuch
findet. Dem Bauernverband haben sich acht französische Umweltverbände
angeschlossen, unter anderen Les Amis de la Terre France. Sie fordern ein
Moratorium für herbizidtolerante Pflanzensorten, die durch Mutagenese
erzeugt wurden. Die Mutagenese-Ausnahme verstoße gegen das Vorsorgeprinzip,
das in der französischen Verfassung verankert ist.
Genome Editing war 2001 noch nicht bekannt
Der damit befasste französische Conseil d’Etat, eine Art oberstes
Verwaltungsgericht, legte den Streit dem EuGH vor. Denn letztlich gehe das
französische Mutagenese-Ausnahme auf die EU-Richtlinie zurück. Deshalb
müsse vorab die EU-Richtlinie ausgelegt werden.
Wie am EuGH bei wichtigen Verfahren üblich, hat sich zunächst ein
unabhängiger Generalanwalt mit der Frage beschäftigt und einen
Lösungvorschlag erarbeitet. Im konkreten Fall ist der Tscheche Michal Bobek
zuständig. Er hat seinen „Schlussantrag“ bereits am 18. Januar vorgelegt.
Bobek kommt dabei zu drei grundlegenden Erkenntnissen: Erstens seien
Pflanzen, die durch Mutagenese entstanden sind, durchaus „genetisch
veränderte Oranismen“, denn sonst wäre die Mutagenese-Ausnahme in der
Richtlinie überflüssig.
Zweitens nimmt Bobek an, dass die Mutagenese-Ausnahme für alle Formen der
Mutagenese gelte, also auch für das neuartige Genome Editing, das 2001 noch
nicht bekannt war. Der Wortlaut der Richtlinie sei eindeutig. Auch das
Vorsorgeprinzip ermögliche keine Auslegung der Richtlinie gegen ihren
Wortlaut.
## Nationaler Gesetzgeber nicht durch EU-Richtlinie gebunden
Die dritte Annahme von Bobek ist die weitreichendste: Die
Mutagenese-Ausnahme in der EU-Richtlinie binde nicht den nationalen
Gesetzgeber. Die EU habe keine generelle Aussage über die Sicherheit der
Mutagenese machen wollen, sondern diese gar nicht regeln wollen. Deshalb
könnten auf Ebene der EU-Mitgliedstaaten durchaus eigene strenge Regeln
hierfür eingeführt werden.
Falls der EuGH dieser Lösung folgt, könnte zum Beispiel der französische
Conseil d’État selbstständig prüfen, ob das französische
Mutagenese-Ausnahme mit dem Vorsorgeprinzip der französischen Verfassung
vereinbar ist. Der EuGH folgt überwiegend den Anträgen der Generalanwälte,
in hochpolitischen Fragen oft aber auch nicht.
Den Artikel zum Urteil finden Sie hier: [2][Neue Gentechnik vor dem EuGH:
Crispr-Cas unterliegt Auflagen]
25 Jul 2018
## LINKS
[1] /Richter-entscheiden-ueber-Kennzeichnung/!5519732
[2] /Neue-Gentechnik-vor-dem-EuGH/!5523461
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
EuGH
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