# taz.de -- Petition für sexuelle Selbstbestimmung: Gleiches Recht für jedes … | |
> Die Bundesvereinigung Trans* sammelt Unterschriften für das dritte | |
> Geschlecht – ohne Attest. Die Petition starteten sie vor dem Bundestag. | |
Bild: Eine kunterbuntes Bild: Seit 2015 macht sich der BVT* für mehr sexuelle … | |
BERLIN taz | Markus Marielle Hirtz steht vor dem Bundestag. Es ist heiß. Er | |
hält sich am hölzernen Pult fest und beginnt zu reden. Laut. Entschlossen. | |
Hinter ihm, auf dem Rasen, eine meterlange Regenbogenflagge. „Wir fordern | |
die Bundesregierung auf, den Entwurf zurückzuziehen, uns zu respektieren. | |
Wir wollen Selbstbestimmung!“. Aus der bunten Menge kommen Applaus und Rufe | |
der Begeisterung. Es ist der Auftakt einer Petition der | |
[1][Bundesvereinigung Trans* e.V.] (BVT*). Der Auftakt eines Kampfs, für | |
mehr Selbstbestimmung und Vielfalt. | |
Die BVT* sammelt Unterschriften. Stimmen, die sich gegen den | |
Referentenentwurf der Bundesregierung zum dritten Geschlecht, und für mehr | |
Freiheit aussprechen. Hirtz ist in der AG Lobby der Vereinigung und stellte | |
den Auftakt gemeinsam mit vielen anderen Freiwilligen auf die Beine. In dem | |
Entwurf, erläutert die Bundesregierung, dass zukünftig ein dritter | |
Geschlechteseintrag möglich sein soll. Wer sich jedoch offiziell einem | |
alternativen Geschlecht zuordnen lassen will, benötigt dafür ein ärztliches | |
Attest. Hirtz kann darüber nur den Kopf schütteln: „Wir reden hier doch von | |
Menschen, nicht von Kranken.“ | |
Hirtz hat ein freundliches Gesicht, begrüßt jeden mit einem Lächeln. | |
Vertreter*innen anderer Organisationen und Verbände sind gekommen. Unter | |
anderem der [2][LSVD] und die [3][Aktion Standesamt] sind vor Ort. | |
Gemeinsam sind sie ein bunter Fleck auf der Wiese vor dem Bundestag. | |
Zwischen den Regenbogenflaggen und Plakaten stehen viele, die sich aus dem | |
Gebäude mit der Glaskugel auf den Weg machten. Vertreter*innen der Linken, | |
der SPD, der FDP und den Grünen. „Die anderen zwei Parteien schaffen wir | |
auch noch“, sagt Hirtz und lacht. | |
Neben dem Redner*innenpult stehen Hirtz' Mitstreiter*innen Josh und Yan. | |
Sie halten eine Flagge in den Farben der BVT*. Auf den blauen, rosa und | |
weißen Streifen steht in schwarzen Lettern „Selbstbestimmung“ geschrieben. | |
Hirtz Stimme wird energischer. Er zeigt auf ein Plakat links neben ihm. | |
Dort steht ein Auszug des Koalitionsvertrag der amtierenden | |
Bundesregierung: „Wir respektieren geschlechtliche Vielfalt. Alle Menschen | |
sollen unabhängig von ihrer sexuellen Identität frei und sicher leben | |
können – mit gleichen Rechten und Pflichten.“ Hirtz holt tief Luft und | |
fragt „Sehr geehrte Bundesregierung, wieso handelt ihr nicht nach euren | |
eigenen Worten?“, bevor er das Wort übergibt. | |
## Zwischen Regenbogenflaggen und Plakaten | |
Sven Lehmann war bis Anfang 2018 Landesvorsitzender der Grünen NRW. Der | |
Bundestagsabgeordnete dankt seinem Vorredner, dankt der BVT* für ihren | |
Einsatz. Er erzählt von einem Angriff auf eine transsexuelle Studentin in | |
Leipzig. „Solche Übergriffe sind leider keine Einzelfälle, es muss sich | |
etwas ändern“, sagt das Bundestagsmitglied entschlossen. „Wäre Herr | |
Seehofer nicht so viel damit beschäftigt zurückzutreten, und vom Rücktritt | |
zurückzutreten, dann hätte er Zeit sich das Grundgesetz durchzulesen. Dort | |
steht, dass die Würde des Menschen unantastbar ist.“ | |
Diese Würde sehen Lehmann und seine Parteikolleg*innen verletzt. „Kinder | |
sollen nicht zwangsoperiert werden dürfen, sie sollen später selbst | |
entscheiden können. Niemand weiß besser, wer er ist und wer er sein will, | |
als der Mensch selbst.“ Jens Brandenburg, aus der Bundestagsfraktion der | |
FDP stimmt ihm zu: „Gemeinsam müssen wir uns gegen die Fehler des | |
Innenministeriums stark machen – und das Fraktionsübergreifend.“ | |
In der Menge steht Kaspar Schumacher. Seine Schuhe fallen sofort ins Auge, | |
denn die Schnürsenkel haben die Farben des Regenbogens. Auf seinem Arm hat | |
es sich sein Hund Antonio gemütlich gemacht. An sein Bein gelehnt steht ein | |
Schild: „Warum sollen meine Eltern über meinen Körper entscheiden dürfen?�… | |
Diese Aussage hat für ihn eine ganz persönliche Bedeutung: „Ich musste | |
damit warten ich selbst zu sein, bis ich 18 war. Meine Eltern wollten viele | |
Dinge nicht unterschreiben. Das war einfach ein scheiß Gefühl.“ Schumacher | |
betrifft die dritte Option nicht, sagt er. Doch viele seiner Freund*innen | |
würden darunter leiden, sich weder dem Geschlecht Mann, noch Frau zuordnen | |
zu können. Für sie setzt Schumacher seine Unterschrift auf den | |
Petitionsbogen. | |
## Es gibt nicht nur Blau und Rosa | |
Es müsse sich noch vieles ändern, findet er. „Besonders in den gesetzlichen | |
Regelungen für transsexuelle Minderjährige muss sich etwas tun.“ Schumacher | |
kämpft dafür, dass trans- und intersexuelle Minderjährige geschützt werden, | |
und die Eltern mehr Unterstützung erhalten. „Es geht um das Wohlergehen von | |
Kindern und Jugendlichen“, sagt er entschlossen. | |
Hirtz rollt die Regenbogenflagge ein. Er ist begeistert von den | |
Redner*innen und den Menschen, die kamen, um ihre Unterschrift dazulassen. | |
Ihre Stimme für mehr Selbstbestimmung und Vielfalt. Man müsse für sich | |
selbst und seine Rechte einstehen, erklärt Hirtz, man dürfe nicht darauf | |
warten, dass dies ein anderer übernimmt. „Es wird ein heißer Herbst“, sagt | |
er. Sein Blick wandert Richtung Bundestag. „Wir werden kämpfen.“ | |
5 Jul 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://www.demokratie-leben.de/programmpartner/foerderung-der-strukturentw… | |
[2] https://www.lsvd.de/ | |
[3] https://aktionstandesamt2018.de/ | |
## AUTOREN | |
Charlotte Köhler | |
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