# taz.de -- Social Media in Uganda: Steuern auf WhatsApp, Twitter, Tinder | |
> Die UganderInnen sind sauer. Der Staat erhebt nun eine Abgabe auf soziale | |
> Medien. Der Präsident spielt mit dem Feuer. Ein Handy hat er selbst | |
> nicht. | |
Bild: Fast jede(r) UganderIn lädt täglich Guthaben auf sein Handy, um über S… | |
Kampala taz | „Liebe Ugander! Heute benutze ich die sozialen Medien, um | |
euch die Gründe zu erläutern, warum wir eine Steuer für soziale Medien und | |
mobilen Geldtransfer benötigen“, wendet sich Yoweri Museveni an sein Volk. | |
Der 73-jährige Präsident, der sonst nur TV-Ansprachen hält und kein Telefon | |
besitzt, ist seit 32 Jahren an der Macht – doch was er jetzt durchzieht, | |
kann ihn seine Herrschaft kosten. | |
Nichts hat die Ugander so entzürnt wie die Einführung einer WhatsApp-Steuer | |
am vergangenen Sonntag. Auf alle Soziale-Medien-Dienste erhebt der Staat | |
nun eine Steuer von umgerechnet 0,4 Eurocent pro Tag. Jedem, der mit dem | |
Smartphone online geht, wird die Summe von seinem Telefonkredit abgezogen. | |
Der Grund, so Museveni: Die Steuereinnahmen sind zu niedrig, die Regierung | |
ist pleite. Er klagt: „Die Nutzer der sozialen Medien haben kein Recht, die | |
Dollars, die ich mit meinem Kaffeeanbau, meiner Milchproduktion verdiene, | |
ausländischen Telefongesellschaften zu geben, indem sie chatten und sogar | |
lügen – und dann sind sie auch noch allergisch dagegen, einen moderaten | |
Beitrag an ihr Land zu geben, dessen Wohlstand sie zweckentfremden.“ | |
Für die Mehrheit der Bevölkerung, die nur einen Euro pro Tag zum Leben hat, | |
sind 0,4 Cent viel. Der normale Ugander kauft täglich für 500 Schilling (11 | |
Eurocent) Telefonkredit. Die meisten nutzen die sozialen Medien, um mit | |
Verwandten in Kontakt zu sein oder Geschäfte zu betreiben. Schulgebühren, | |
Miete oder Strom werden, weil es an Bankfilialen fehlt, per mobilem | |
Geldtransfer bezahlt. Auch darauf erhebt der Staat jetzt eine Steuer. Von | |
den 500 Schillingen zieht der Telefonanbieter 200 ab, um Musevenis Kasse | |
zu füllen. | |
## Uganda auf Platz 151 von 180 beim Korruptionsindex | |
Gleichzeitig wächst die Korruption ins Unermessliche. Zur selben Zeit, als | |
Museveni die Idee mit der WhatsApp-Steuer publik machte, untersuchte ein | |
Ausschuss das spurlose Verschwinden von umgerechnet rund 35 Millionen Euro | |
aus dem Landfonds, einer Rücklage, aus der Entschädigungen an Bürger | |
gezahlt werden, wenn die Regierung eine Straße über ihre Grundstück baut. | |
In der Zeitung lesen Ugander, dass Millionen Euro Steuergelder veruntreut | |
werden. Auf dem internationalen Korruptionsindex lag Uganda 2017 auf Platz | |
151 von 180. | |
Unabhängige Medien machten eine Umfrage darüber, welche Folgen die Steuer | |
haben wird. Über 70 Prozent gaben an, sie würden eine Verschlüsselungs-App | |
(VPN) nutzen, um die Steuer zu umgehen. Dann könne die Regierung nicht mehr | |
feststellen, aus welchem Land man online gehe. Noch am selben Tag | |
verkündete der Polizeichef: Auf die Nutzung von VPN steht eine | |
Gefängnisstrafe von fünf Monaten. | |
Das löste einen Aufschrei in den sozialen Medien aus. Kreative Ugander | |
zeichneten Comics und animierten Fotos: Auf einem wird Museveni mit Pfeil | |
und Bogen als Robin Hood dargestellt: „Robing the Hood“ steht darunter – | |
„Raube die Nachbarschaft aus“. Auf einem anderen sitzt der Präsident am | |
Schreibtisch mit einem Handy am Ohr: „Ich sehe die Bevölkerung online – | |
aber die Staatskasse klingelt nicht. Was ist los?“, steht in einer | |
Sprechblase. Das berühmteste zeigt Museveni am Rednerpult, den Zeigefinger | |
in der Luft: „Ich werde die soziale Mediensteuer wieder abschaffen, wenn | |
ihr mich 2021 wiederwählt“, verspricht er. | |
Die Ugander nehmen es mit Humor – aber nicht nur. Die Internetfirma | |
CyberLine verklagt die Regierung wegen Verletzung der Netzneutralität, die | |
per Verfassung garantiert wird. Andere schließen sich einer Sammelklage an. | |
Doch Museveni bleibt hart. „Ich gratuliere unserem Technikerteam dazu, dass | |
wir nun alle Augen offen halten, um festzustellen, was in den | |
Telekommunikations- und Finanzdiensten online vor sich geht“, sagt er und | |
verkündet: „Das Spiel ist aus!“ | |
7 Jul 2018 | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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