# taz.de -- Durchsuchungen bei Netzaktivisten: Razzia wegen Spendensammlung | |
> Beamte durchsuchen Wohnungen von Aktivisten, obwohl nicht gegen sie | |
> ermittelt wird. Zudem gibt es eine Razzia gegen ein linkes Zentrum in | |
> Dortmund. | |
Bild: „Offenkundig unsinnigen Zusammenhang“: „Zwiebelfreunde“ sammelt S… | |
BERLIN taz | Die Geschichte klingt so unglaubwürdig, als wäre sie erfunden: | |
Auf dem Blog „Augsburg für Krawalltouristen“ wurde im Juni zu Protesten | |
gegen den AfD-Bundesparteitag am vergangenen Wochenende aufgerufen. Im | |
[1][Impressum des Blogs] ist eine Kontaktadresse des unter Linken beliebten | |
alternativen US-amerikanischen E-Mail-Providers [2][Rise Up] angegeben. Für | |
diesen Provider sammelt der gemeinnützige Verein [3][Zwiebelfreunde e.V.] | |
mit Sitz in Dresden seit Jahren Spenden. Der Verein bemüht sich vor allem | |
um den Ausbau der Infrastruktur des Anonymisierungs-Netzwerks Tor. Wie | |
jetzt bekannt wurde, durchsuchte die Polizei vor vierzehn Tagen nun die | |
Vereinsräume der Zwiebelfreunde sowie die Privatwohnungen aktueller und | |
ehemaliger Vorstandsmitglieder in Dresden, Augsburg, Jena und Berlin. | |
Man erhoffe sich davon Hinweise auf die Urheberschaft des Blogs, lautete | |
die Begründung für die unliebsamen Besuche. Bei den Durchsuchungen am 20. | |
Juni wurden zahlreiche Gegenstände beschlagnahmt. Und als wäre das alles | |
noch nicht absurd genug: Weil sich unter den Gegenständen auch ein ein | |
[4][daumenlanger Kunststoffgegenstand aus dem 3-D-Drucker in Form einer | |
Bombe] befand, wurde ein zweites Ermittlungsverfahren wegen Verdachts auf | |
Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion eingeleitet. | |
„Wir gehen davon aus, dass diese Durchsuchungen rechtswidrig waren“, sagte | |
Moritz Bartl, Vorsitzender des Zwiebelfreunde-Vereins, am Donnerstag. Die | |
Betroffenen prüfen nun rechtliche Schritte. Ob und wann sie die | |
beschlagnahmten Gegenstände, darunter Festplatten, Computer, private | |
Mobiltelefone und Unterlagen des Vereins, zurück erhalten, wissen sie | |
bislang nicht. Bartl betreibt eine eigene Firma, die Polizei beschlagnahmte | |
auch seinen Arbeitscomputer – das gefährde seine berufliche Existenz, sagt | |
er. | |
Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft München, die das Verfahren wegen des | |
Protest-Blogs führt, bestätigt auf taz-Anfrage, die Durchsuchungen seien | |
aufgrund des Spendenaufrufs für Rise Up und dem daraus abgeleiteten | |
Zusammenhang mit dem Blog durchgeführt worden. Die Betroffenen seien in dem | |
Verfahren nur als Zeugen, nicht als Beschuldigte geführt. Warum sie nicht | |
als solche geladen, sondern stattdessen gleich durchsucht wurden, wollte | |
der Sprecher nicht kommentieren – „ermittlungstaktische Gründe“. Allgeme… | |
wisse man „schließlich nie, ob Zeugen kooperieren werden“. | |
Von den Durchsuchungen in Augsburg war auch der lokale Ableger des Chaos | |
Computer Club (CCC) betroffen, der das Vorgehen scharf kritisiert. „Die für | |
einen offenkundig unsinnigen Zusammenhang lediglich als Zeugen geführten | |
Betroffenen mussten Eingriffe in ihre Privatsphären über sich und ihre | |
Familien ergehen lassen, die in jeder Hinsicht unverhältnismäßig sind“, | |
heißt es [5][in einer Stellungnahme der Organisation]. „Die Verschärfung | |
der bayerischen Polizei-Gesetze in den letzten Jahren führt offenbar dazu, | |
dass sich die Verantwortlichen an das Gebot der Verhältnismäßigkeit von | |
Eingriffen nicht mehr gebunden fühlen“, sagt der CCC-Sprecher Frank Rieger. | |
Auch der Provider Rise Up [6][verurteilt die Maßnahme]. | |
Bei den Durchsuchungen wurden laut Bartl auch Listen mit personenbezogenen | |
Daten von Menschen, die für den Verein oder seine Partnerprojekte gespendet | |
haben, beschlagnahmt – zurückreichend bis ins Jahr 2011. Auch deswegen geht | |
Bartl davon aus, dass es in Wahrheit bei der Maßnahme darum ging, | |
Informationen über die Zwiebelfreunde, den Chaos Computer Club und deren | |
Unterstützer zu sammeln. | |
Auch in Dortmund ist alternative Infrastruktur, darunter ebenfalls der | |
örtliche Ableger des CCC, aktuell von einer polizeilichen Razzia betroffen: | |
In der Nacht zu Donnerstag stürmte ein Großaufgebot der Polizei die Räume | |
des linken Kulturzentrums Langer August und beschlagnahmte Festplatten und | |
Rechner. Der Hintergrund ist hier jedoch noch weitgehend unklar. | |
Verantwortet wurde die Maßnahme von der bei der Staatsanwaltschaft Köln | |
angesiedelten [7][Zentralstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen]. Ein in den | |
Räumen des Zentrums ansässiger Verein stellt Plätze für nichtkommerzielle | |
Server zur Verfügung, Augenzeugenberichten zufolge soll die Polizei auf der | |
Suche nach einem Server gewesen sein, von dem aus „geheime Dokumente“ im | |
Internet veröffentlicht worden sein sollen. Der zuständige Sprecher der | |
Staatsanwaltschaft wollte sich am Donnerstag mit Hinweis auf das laufende | |
Verfahren nicht zu den Hintergründen der Razzia äußern. | |
5 Jul 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://augsburgfuerkrawalltouristen.noblogs.org/impressum/ | |
[2] https://riseup.net | |
[3] https://www.zwiebelfreunde.de/ | |
[4] https://www.youtube.com/watch?v=g2HDoyKE2W8 | |
[5] https://www.ccc.de/de/updates/2018/hausdurchsuchungen-bei-vereinsvorstanden… | |
[6] https://riseup.net/de/about-us/press/zwiebelfreunde | |
[7] https://polizei.nrw/cybercrime | |
## AUTOREN | |
Malene Gürgen | |
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