Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- FAQ zum Urheberrecht im EU-Parlament: Was die EU-Reform bedeuten w�…
> Am Donnerstag debattiert das EU-Parlament über die Urheberrechtsreform.
> Worum geht es da überhaupt und wie schlimm ist es?
Bild: Digitale Apokalypse? Viele mögliche Folgen der Urheberrechtsreform sind …
1. Worum geht es überhaupt?
Seit Jahren schon verhandeln EU-Politiker*innen über ein neues
Urheberrecht. Ihr Ziel ist es, Urheber*innen von Texten, Bildern, Videos
und Audioaufnahmen besser zu schützen und fairer zu entlohnen. Über die Art
und Weise, wie das gelingen kann, wird allerdings heftig gestritten.
Im Herbst 2016 hat die EU-Kommission einen Vorschlag für ein neues
Urheberrecht veröffentlicht; seitdem debattierte das Europäische Parlament
über Änderungen und Ergänzungen des Vorschlags. Das Paket, über das die
EU-Parlamentarier*innen am Donnerstag abstimmen, beinhaltet 23
Artikel. Gestritten wird vor allem über zwei davon: Artikel 11 und 13.
2. Was genau besagt Artikel 11?
Artikel 11 will ein sogenanntes Leistungsschutzrecht etablieren.
Suchmaschinenanbieter wie Google sollen dafür bezahlen, wenn sie in ihren
Suchergebnissen auf Texte von anderen Websites verweisen und deren
Überschriften und Textanreißer anzeigen.
Wenn man bei Google in diesen Tagen beispielsweise „Seehofer Merkel Asyl“
in das Suchfeld eingibt, erhält man eine lange Liste von Artikeln von
Nachrichtenseiten. Dort taucht unter anderem ein Link zu einem Text auf der
Website der FAZ auf: „Seehofer nimmt Merkels Asyl-Paket auseinander –
Meinung-FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung – 01.07.2018“
Das Leistungsschutzrecht sieht vor, dass die FAZ künftig das exklusive
Recht an diesem Link haben soll. Das heißt, dass alle, egal ob Google oder
andere Websites, die FAZ dafür bezahlen müssten, diesen Link anzuzeigen.
Zwar räumt der aktuelle Gesetzentwurf ein, dass die „private und nicht
kommerzielle Nutzung“ von Links frei bleiben soll. Die Frage ist
allerdings: Was ist schon privat im Netz? Die wenigsten
Internetnutzer*innen bespielen wirklich ihren privaten, kleinen Blog. Die
meisten kommunizieren auf den großen Plattformen: Facebook, Twitter,
Instagram – und die sind eben kommerziell. Weil dieses Gesetz auch für die
Inhalte von Links gelten soll, nennen Kritiker es „Link-Steuer“ – auch we…
es keine Steuer wird.
3. Und Artikel 13?
Artikel 13 behandelt alle Plattformen, auf die Internetnutzer*innen
etwas hochladen können – Texte, Bilder, Videos, Musik, Tonaufnahmen. Das
sind so gut wie alle, also YouTube, Instagram und Twitter, sowie
möglicherweise auch Blogs, Soundwebsites und so weiter. Das EU-Parlament
will, dass diese Websites gezwungen werden, jedes hochgeladene Werk auf
Urheberrechtsverletzungen zu überprüfen – mit einer Software. Diese Technik
wird „Upload-Filter“ genannt. Findet die Software einen Verstoß, wird der
Upload verhindert.
4. Hä? Und was bedeutet das für mich?
Nehmen wir mal an, Sie waren am Wochenende auf der Hochzeit von Tante Irma.
Dort haben Sie den Hochzeitstanz gefilmt: Tante Irma und Onkel Klaus, Arm
im Arm zu „All You Need Is Love“. Sie wollen das Video sofort auf ihren
Instagram-Account hochladen, damit alle, die nicht dabei sein können, auch
sehen, wie schön das hier alles ist. Sie öffnen die App, klicken auf
„Teilen“ und das Video wird übermittelt. Im Hintergrund, für sie nicht
sichtbar, gleicht jetzt ein Algorithmus dieses Video mit sämtlichen Videos
ab, die es auf diesem Planeten online gibt. Das dauert lange. Und dann das
Ergebnis: Der Algorithmus merkt, dass in dem Video das Lied „All You Need
Is Love“ läuft, dessen Urheber nicht Sie sind. Also wird der Upload
verhindert. So ungefähr könnte es ablaufen, wenn das Gesetz kommt.
4. Ist das wirklich für alle schlimm?
Das Gesetz geht ja weiter, und trifft zum Beispiel auch auf die sogenannten
Memes zu, die ein fester Bestandteil der Internet-Popkultur sind. Das
Kunstwort „Meme“ (sprich: Miem) bedeutet so viel wie „Gedanke“, aber au…
„Nachahmung“. Im Netz ist es einfach, Ideen anderer, etwa Texte oder
Bilder, aufzugreifen, zu verändern und schnell weiterzuverbreiten. Kreative
Nutzer*innen greifen zum Beispiel Bilder aus Filmen oder Nachrichten auf
und versehen sie mit Text. Ein Witz, eine ironische Brechung, ein
politischer Kommentar. Der*die Nächste greift die Idee auf und entwickelt
sie weiter.
Das alles passiert rasend schnell – und das macht für viele einen wichtigen
Teil des Internets aus: das kooperative, kreative Arbeiten an Ideen. Das
Problem: Viele Internet-Memes sind streng genommen
Urheberrechtsverletzungen. Wer ein Merkel-Seehofer-Foto kopiert und mit
einem Spruch versieht, macht sich nicht unbedingt Gedanken darüber, wer die
Bildrechte hält. Upload-Filter würden aber womöglich eine
Urheberrechtsverletzung identifizieren und viele Memes blockieren, so die
Befürchtung.
5. Und was ist das Problem mit dieser Link-Steuer?
In Deutschland und Spanien existiert das Leistungsschutzrecht schon,
funktioniert aber nicht: In Spanien hat es dazu geführt, dass Google News
abgeschaltet wurde – und viele Nachrichtenseiten Leser*innen verloren
haben. Denn, wie viele Studien zeigen, surfen Internetnutzer*innen heute
immer seltener gezielt eine Website wie etwa taz.de an. Viele Leser*innen
kommen über einen Link, den ein Freund bei Facebook geteilt hat, oder über
eine Suchanfrage bei Google auf die Websites.
In Deutschland gibt es Google News zwar noch, Geld aus dem
Leistungsschutzrecht haben die Verleger*innen und vor allem die
Journalist*innen, die Texte schreiben, bisher aber kaum gesehen. Rund 10
Millionen Euro haben Verlage bereits für die Gerichtsprozesse gegen Google
wegen des Leistungsschutzrechts ausgegeben. Eingenommen haben sie kaum
etwas. Wenn es also darum geht, Menschen, die Texte für Onlineseiten
schreiben, gerechter zu entlohnen, dann scheint das Leistungsschutzrecht
dafür nicht die beste Idee zu sein.
6. Betrifft das nur Pressetexte?
Seit Dienstag ist die italienische Wikipedia aus Protest geschlossen. Wer
versucht, italienischsprachige Artikel anzuwählen, sieht stattdessen eine
Warnung. „Die italienische Wikipedia-Community hat beschlossen, alle Seiten
der Enzyklopädie zu verbergen“, heißt es dort. Aus Protest gegen die
geplante Reform. Diese beschränke die Freiheit und den Zugang zum Netz.
Zwar sieht der Gesetzesvorschlag diverse Ausnahmen vor, unter anderem für
nicht profitorientierte Enzyklopädien oder wissenschaftliche Archive.
Wikipedia.it protestiert dennoch – sie befürchtet, dass es durch die
Einschränkungen schwieriger für die ehrenamtlichen Autor*innen wird, zu
recherchieren. „Es könnte unmöglich werden, Zeitungsartikel in sozialen
Medien zu teilen oder in Suchmaschinen zu finden. Wikipedia riskierte dann,
schließen zu müssen.“ Der Text ruft Nutzer*innen dazu auf, ihre
Europaabgeordneten zu bitten, gegen das Gesetz zu stimmen.
Update 5.7.2018, 11.40h: Inzwischen sind auch die polnisch-, spanisch- und
portugiesischsprachigen Ausgaben der Wikipedia geschlossen
7. Wie geht die Abstimmung am Donnerstag aus?
Das ist schwer zu sagen. Der Rechtsausschuss der EU hat vor gut zwei Wochen
bereits über die Reform diskutiert und sowohl für das Leistungsschutzrecht
als auch für die Upload-Filter gestimmt. Da die Entscheidung extrem knapp
war und das Thema so umstritten ist, ist unklar, ob das Parlament dem Votum
des Ausschusses am Donnerstag folgt – oder das Gesetz nicht noch einmal in
die Überarbeitung schickt.
Vergangene Woche hat sich sogar die Beauftragte für Digitales aus der
Bundesregierung, Dorothee Bär (CSU), zusammen mit den netzpolitischen
Vereinen, die den Parteien CDU, CSU, SPD und FDP nahestehen, gegen das
geplante Gesetz ausgesprochen. Es sei in „hohem Maße gefährdend für die
freie Meinungsäußerung“ und eine „Bedrohung für die Informations- und
Meinungsfreiheit in Europa“, schreiben die Politiker*innen. Die
Verleger*innenverbände reagierten prompt und schickten einen Eilbrief an
die Kanzlerin, mit der Bitte, sich des Themas anzunehmen.
8. Das Ende des Internets, Bedrohung der Meinungsfreiheit – ist das nicht
ein bisschen hoch gehängt?
Das Internet war mal so etwas wie das liberal-anarchistische Paradies – und
ist es für viele noch immer. Deswegen erzeugt jede Form von Regulierung im
Netz so viel Gegenwind. Die Idee der unbeschränkten und unbeschränkbaren
Kommunikation erschien vor allem Linken und anderen Utopist*innen als Ort
der Befreiung. Kein Regime, kein Konzern, so die Hoffnung, würde jemals
kontrollieren können, was dort passiert. Die Ereignisse der
„Facebook-Revolutionen“ im Arabischen Frühling schienen das zu bestätigen.
Inzwischen ist das Bild jedoch getrübt, Netzgiganten wie Facebook
konzentrieren Informationsflüsse auf sich, in den USA ist letztes Jahr die
Netzneutralität abgeschafft worden. Auch das sogenannte Facebook-Gesetz von
Ex-Justizminister Heiko Maas – gedacht, um Hassrede im Netz einzudämmen –
sahen viele als Eingriff in die Freiheit des Internets.
Jedes Mal „das Ende des Internets“ zu beschwören mag ein wenig übertrieben
sein. Allerdings ist es richtig, das viele mögliche Folgen der
Urheberrechtsreform eben noch überhaupt nicht durchdacht sind. Das gilt für
die Grauzonen im Urheber- und Zitatrecht ebenso wie für die geplanten
Ausnahmen sowie die Frage, wer überhaupt entscheidet, welche Upload-Filter
„geeignet und angemessen“ sind, wie es im Gesetzentwurf heißt.
9. Wie geht es jetzt weiter?
Das EU-Parlament kann die Reform nicht allein beschließen. Es kann nur den
Rat beauftragen, das Gesetz auf den Weg zu bringen. Der Rat besteht aus den
Minister*innen der Mitgliedsländer. Stimmt am heutigen Donnerstag die
Mehrheit der Abgeordneten mit Ja, übernimmt im Herbst der sogenannte
Trilog, ein Gremium aus Rat, Kommission und Parlament, das unter Ausschluss
der Öffentlichkeit tagt. Stimmt die Mehrheit aber mit Nein, dann debattiert
das Parlament in seiner nächsten Sitzung im September Änderungsvorschläge.
4 Jul 2018
## AUTOREN
Anne Fromm
Peter Weissenburger
## TAGS
Internet
EU
Schwerpunkt Urheberrecht
Uploadfilter
EU
Schwerpunkt Urheberrecht
Schwerpunkt Urheberrecht
Schwerpunkt Urheberrecht
EU-Parlament
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kompromiss zur EU-Urheberrechtsreform: Klitzekleine Ausnahmen
Deutschland und Frankreich finden zum Artikel 13 der EU-Urheberrechtsreform
einen Kompromiss. Kritik daran kommt von mehreren Seiten.
EU-Parlament stimmt gegen Upload-Filter: Parlament sagt #NoFilter
Das Europaparlament lehnt die umstrittene Reform des EU-Urheberrechts ab.
Der Gesetzentwurf muss zurück in den Rechtsausschuss.
Netzaktivist über Upload-Filter: „Google hat das Monopol“
Upload-Filter bedrohen das freie Internet, sagt Detlev Sieber. Inhalte
würden zu häufig geblockt und das meistgenutzte Filtersystem stamme von
Google.
Urheberrrecht für digitale Inhalte: Rettet das Internet – schon wieder
Das EU-Parlament will Webseiten dazu zwingen, Uploads auf
Urheberrechtsverletzungen zu überprüfen. Aktivisten sehen darin das Ende
des Internets.
Geplante Urheberrechtsreform der EU: Die große Filterphobie
Stärkung von Verlagen und Musikindustrie oder Ende des Internets? Die
geplante EU-Urheberrechtsreform spaltet. Ein Überblick.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.