# taz.de -- Homophobe Beleidungen der Mexikaner: „Mit dem Schrei hilfst du un… | |
> Der mexikanische Fußballverband hat seine Fans erneut aufgerufen, | |
> homophobe Rufe zu unterlassen. Diese sind ein tiefgreifenderes Problem. | |
Bild: Hunderte mexikanische Fans schimpften mit „Puto“-Rufen – „Striche… | |
Oaxaca taz | „Vermeidet, dass man euch aus dem Stadion verbannt“, schrieb | |
die mexikanische Tri auf Twitter, „mit diesem Schrei hilfst du uns gar | |
nicht.“ Kaum war das Fifa-Urteil zu den „Puto“-Rufen gesprochen und eine | |
Geldstrafe verhängt, bemühte sich die mexikanische Elf, ihren Fans ins | |
Gewissen zu reden. Auch Starstürmer Javier „Chicharito“ Hernandez warnte: | |
„Wir dürfen keine weiteren Sanktionen riskieren.“ | |
Logo. Wenn die Anhänger der mexikanischen Mannschaft weiterhin diesen | |
diskriminierenden Begriff rufen, geht es um mehr als die 10.000 Franken | |
Strafe, [1][die der Fußball-Verband nun zahlen muss], weil Fans beim | |
WM-Spiel gegen Deutschland den Keeper Manuel Neuer das P-Wort | |
entgegenschleuderten. Es drohen Punktverlust, Spielverbot und Schlimmeres. | |
Ganz egal ob „puto“ nun „Stricher“, „Schwuchtel“, „Schwächling�… | |
einfach „Feigling“ heißt. | |
Dabei fällt es den Spielern schwer zu verstehen, was da eigentlich | |
passiert. „Wir wissen alle, dass dieser Schrei weder homophob noch | |
abwertend ist, dass er nicht beleidigen soll und als grober Scherz gemeint | |
ist“, erklärt der Mittelfeldspieler Marco Fabián. „Er ist Teil unserer | |
Folklore.“ | |
Chicharito und Fabián dürften mit ihren widersprüchlichen Botschaften den | |
meisten Mexikanerinnen und Mexikanern aus der Seele sprechen. „Wir sollten | |
uns im Ausland nicht so aufführen“, findet der 30-jährige Enrique Leon. | |
Deshalb hält er die Fifa-Entscheidung für berechtigt. Die Gesänge werfen | |
schließlich ein schlechtes Bild auf sein Land. Was natürlich nicht heißt, | |
dass er selbst dieses Wort vermeiden würde. | |
## „Es lebe Mexiko, Kinder der Gefickten“ | |
Kaum eine informelle Unterhaltung in Mexiko vergeht, ohne dass mindestens | |
ein Mal einer der vielen umstrittenen Begriffe fällt, die ebenso positiv | |
wie negativ besetzt sein können. Und jedes dieser Worte ist zweifellos | |
sexistisch konnotiert: Hurensohn, Schwuchtel, häufig spielt die „madre“, | |
die „Mutter“ eine wichtige Rolle. | |
Der mexikanische Schriftsteller Octavio Paz hat sich in seinem Essay | |
„Labyrinth der Einsamkeit“ intensiv mit dieser Doppeldeutigkeit | |
auseinandergesetzt. Am Begriff „chingada“ – der leidenden, vergewaltigten | |
mexikanische Mutter – zeigt er auf, wie diese gemeinhin als vulgär | |
angesehene Sprache der Identitätsfindung dient. Mit der „chingada“ | |
verbindet er die Kolonialisierung Mexikos durch die Spanier. Mit dem Ausruf | |
„Es lebe Mexiko, Kinder der Gefickten“, so Paz, schafften sich die | |
Mexikaner ein „wir“, das sich vom Anderen abgrenzt. | |
Dass nun die Mexikaner wegen eines Wortes „gefickt“ werden, von dem der | |
Rest der Welt eh keine Ahnung hat, erklärt die aufgeregten – und ja, oft | |
sexistischen – Reaktionen, mit denen sich viele Fans in den sozialen Medien | |
Luft machen. Zu den freundlichen gehört ein Plakat, das detailliert | |
ausführt, wie unterschiedlich das Wort „puto“ benutzt wird: „Qué puto | |
calor“ – „Was für eine unglaubliche Hitze“. Oder, um beim Thema zu ble… | |
„Qué puto golazo metió este cabrón“ – „Was für ein Super-Tor hat di… | |
Mistkerl geschossen“. | |
Egal, findet der Journalist León Krauze. Gerade in einem Land, in dem schon | |
der Begriff „Mutter“ ebenso als Ausdruck der Liebe wie als skandalöses | |
Schimpfwort gebraucht werde, müsse man besonders auf den Kontext achten. | |
„Der Ursprung des Gesangs ist zwar nicht geklärt, aber das ist letztlich | |
irrelevant. Er ist verletzend, und das zählt“, schreibt der Kolumnist mit | |
Blick auf die Sprechchöre in den Stadien. | |
## Alles andere als harmlos | |
Auch der Anthropologe Eduardo Liendo will den homophoben Diskurs nicht | |
kulturell rechtfertigen. Die mexikanische Verfassung verbiete die | |
Diskriminierung sexueller Präferenzen und stelle sie unter Strafe. „Aus | |
menschenrechtlicher Sicht dürfte das Wort auch in unseren Stadien nicht | |
hingenommen werden“, sagt Liendo. | |
Vertreter der LGBTI-Comunity forderten nach dem Fifa-Urteil ein schärferes | |
Vorgehen gegen den mexikanischen Fußballverband. Das Spiel müsse | |
abgebrochen werden, wenn solche Parolen gerufen würden, erklärte der | |
Aktivist Cyd Zeigler. „Oder man muss das mexikanische Team zwingen, in | |
einem leerem Stadion zu spielen.“ Er wirft der Fifa vor, zu lax mit der Tri | |
umgegangen zu sein. Die Selección ist seit der letzten WM in Brasilien | |
bereits sieben Mal wegen dieser Rufe bestraft worden, aber immer nur zu | |
Geldzahlungen. | |
Im November 2017 wies die Antidiskriminierungsstelle Conapred darauf hin, | |
dass das Rufen von „ehhh puto“ alles andere als harmlos sei: „Das | |
reflektiert die Homophobie, den Machismus und die Frauenfeindlichkeit, die | |
weiterhin in unserer Gesellschaft existiert.“ Die LGBTI-Organisation „Letra | |
S“ meldete, dass in den letzten fünf Jahren 381 Schwule, Lesben, Bisexuelle | |
und Transgender ermordet wurden. Vergangene Woche traf es drei Aktivisten | |
im Bundesstaat Guerrero. Sie wurden mit Kopfschüssen hingerichtet. | |
22 Jun 2018 | |
## LINKS | |
[1] /!5514051/ | |
## AUTOREN | |
Wolf-Dieter Vogel | |
## TAGS | |
Frauen-WM 2019 | |
WM-taz 2018: Neben dem Platz | |
Mexiko | |
Homophobie | |
Gewalt im Sport | |
Fußball | |
Mexiko | |
Frauen-WM 2019 | |
Frauen-WM 2019 | |
WM-taz 2018: Auf dem Platz | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Gewalt im mexikanischen Fußball: Organisierte Randale? | |
Nach dem Gewaltexzess bei einem Fußballspiel in Mexiko sind viele Fragen | |
offen. Zum Beispiel die, wie groß der Einfluss krimineller Vereinigungen | |
ist. | |
Hitzlsperger und Homophobie im Fußball: Schwierige Botschafterrolle | |
Thomas Hitzlsperger fordert fünf Jahre nach seinem Coming-Out schwule | |
Fußballprofis zur Offenheit auf. Viele Befürchtungen seien irrational. | |
Präsidentschaftswahl in Mexiko: Der einzig saubere Kandidat | |
In seinem dritten Anlauf will der Linke Andrés Manuel López endlich | |
Präsident werden. Umfragen bescheinigen ihm jetzt die größten Chancen. | |
Meritokratie in der Nationalmannschaft: Kein Triumph der Tüchtigen mehr | |
Dass bei Bundestrainer Löw nicht jeder Spieler die gleiche Chance hat, ist | |
schon manchem übel aufgestoßen. Der Erfolg gab ihm recht – bislang. | |
Iranische Frauen und Fußball: Stadion für alle | |
In Teheran gingen nun erstmals seit 1981 Frauen legal in ein | |
Fußballstadion. Aber erst musste ein Sitzstreik her, damit sie die WM im TV | |
sehen konnten. | |
Fussball-WM in Mexiko: Ausnahmezustand mal anders | |
Die Fans können es anfangs kaum glauben, dass ihre Mannschaft Deutschland | |
besiegt hat. Jetzt scheint sogar das Viertelfinale möglich. |