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# taz.de -- Gewalt im mexikanischen Fußball: Organisierte Randale?
> Nach dem Gewaltexzess bei einem Fußballspiel in Mexiko sind viele Fragen
> offen. Zum Beispiel die, wie groß der Einfluss krimineller Vereinigungen
> ist.
Bild: Brutale Gewalt: Anhänger des FC Queretaro und von Atlas Guadalajara schl…
Oaxaca taz | Einundzwanzig Hausdurchsuchungen und vierzehn Festnahmen –
wenige Tage nach den schweren Ausschreitungen im Stadion des mexikanischen
Fußballvereins Querétaro FC hat die Generalstaatsanwaltschaft erste
strafrechtliche Schritte gegen die mutmaßlichen Verantwortlichen
eingeleitet. Die Vorwürfe: versuchter Mord, Gewalt bei
Sportveranstaltungen, Befürwortung von Straftaten. Auch die Mexikanische
Fußballföderation (FMF) reagierte schnell und verhängte harte Strafen gegen
den Verein.
Ein Jahr lang müssen die Spieler des Erstligaklubs aus der Industriestadt
Querétaro sowie dessen Frauen- und Jugendmannschaft in ihrem Stadion La
Corregidora vor leeren Rängen spielen. Die gesamte Führung des Klubs wurde
suspendiert. Der Gouverneur des gleichnamigen Bundesstaats Querétaro,
Mauricio Kuri, ließ noch am Tag der Krawalle wissen, nichts bleibe
straflos. Kurz darauf wurden Beamte der sichtlich überforderten Polizei vom
Dienst suspendiert und einer privaten Sicherheitsfirma der Vertrag
gekündigt.
Die Botschaften sind eindeutig: Wir tun alles dafür, die Krawalle vom
vergangenen Samstag aufzuklären. Und wir beweisen, dass wir unser
Gewaltproblem in den Griff bekommen. Das war nötig, schließlich hatten die
zahlreichen Videos, die nach dem abgebrochenen Spiel des Vereins gegen
Atlas Guadalajara in sozialen Netzwerken zirkulierten, im Land und
international für Entsetzen gesorgt.
Sie zeigen, wie junge Männer mit brutaler Gewalt aufeinander einschlagen
und selbst dann weiter auf ihre teilweise nackten Opfer einprügeln, als
diese bereits reglos auf dem Boden liegen. Panisch zogen sich die
jeweiligen Fans ihre T-Shirts vom Leib, um nicht als solche erkannt zu
werden. Viele Zuschauerinnen und Zuschauer flüchteten von den Rängen auf
das Spielfeld, andere versuchten, das Stadion zu verlassen. Doch auch
außerhalb der Anlage gingen die Prügeleien weiter. Die Spieler zogen sich
nach dem Abbruch der Partie in die Kabinen zurück. Sechsundzwanzig Personen
wurden verletzt, drei befanden sich am Dienstag noch in einem sehr
schlechten Zustand. Die mexikanische Tageszeitung El Universal schrieb vom
„schwärzesten Tag in der Geschichte des mexikanischen Fußballs“.
## Drei Jahre ohne Zuschauer
Der Weltfußballverband Fifa zeigte sich „geschockt über den tragischen
Vorfall“ und forderte eine schnelle Aufklärung. Wohl deshalb sind Mexikos
Sportfunktionäre bemüht, Handlungsfähigkeit zu demonstrieren. Denn
gemeinsam mit den USA und Kanada soll das Land die Fußball-WM 2026
ausrichten. Das steht zwar bislang nicht zur Disposition, aber die Fifa
verwies deutlich darauf, dass Gewalt im Stadion keinen Platz haben dürfe.
Ähnlich stellte der Fußballverband Nord- und Zentralamerikas und der
Karibik klar, dass Gewalt und Vandalismus im Fußball und in der
Gesellschaft nichts zu suchen hätten. In Mexiko, wo täglich hundert
Menschen ermordet werden, kann man das durchaus als Drohung verstehen.
Ohnehin haben die mexikanischen Funktionäre immer wieder [1][wegen
homophober Sprechchöre in den Stadien Ärger mit der Fifa.]
„Es werden keine Ultras mehr in die Stadien kommen“, kündigte Mikel
Arriola, der Chef der mexikanischen Liga, an und will nun beim
Kartenverkauf umfangreich Daten erfassen. Die Querétaro-Hooligans dürfen
die nächsten drei Jahre kein Heim- und ein Jahr kein Auswärtsspiel mehr
besuchen, und die gewalttätigen Atlas-Fans müssen ein halbes Jahr lang zu
Hause bleiben, wenn ihr Klub auswärts kickt. Doch neben Atlas und Querétaro
FC haben auch einige andere Vereine einen gewalttätigen Ultra-Anhang. Das
Problem ist also nicht aus der Welt, zumal die Motive hinter den
Gewaltexzessen unklar sind. Viele Fragen sind offen. Warum griffen die
Polizisten nicht ein? Warum waren zu wenige Beamte eingesetzt? Wieso
konnten trotz Kontrollen Waffen ins Stadion gelangen?
Es sei nicht auszuschließen, dass die Ultras [2][von der organisierten
Kriminalität] infiltriert sind, erklärte eine Sprecherin der
Landesregierung der Tageszeitung Reforma. Das vermutet auch der
Wissenschaftler Hugo Sánchez Gudiño von der Autonomen Nationaluniversität
UNAM, der zu den Hooligans forscht. Einst als Gruppen zur Animation in den
Stadien gegründet, würden diese Ultras heute Eintrittskarten, Drogen und
Alkohol verkaufen.
Der Fußballklub Atlas aus Guadalajara befinde sich im Einflussgebiet des
Jalisco-Kartells, Querétaro FC in einer Region, die von der kriminellen
Organisation Santa Rosa de Lima kontrolliert werde. Beide Kartelle führen
einen Krieg um die Kontrolle des lukrativen Benzindiebstahls. Sánchez
Gudiño erklärt: „Den verfügbaren Daten zufolge agieren die Kriminellen in
den beiden Ultra-Gruppen.“
9 Mar 2022
## LINKS
[1] /Homophobe-Beleidungen-der-Mexikaner/!5515220
[2] /Politische-Gewalt-in-Mexiko/!5776151
## AUTOREN
Wolf-Dieter Vogel
## TAGS
Gewalt im Sport
Mexiko
Fußball
Organisierte Kriminalität
Fußballspiele
Film
Kampfsport
Frauen-WM 2019
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