# taz.de -- Sexualisierte Gewalt im Fußball: Es muss sich mehr tun | |
> Praktische Maßnahmen gegen sexualisierte Gewalt im Fußball sind noch rar. | |
> Immerhin scheint das Bewusstsein zu wachsen, dass es ein Problem gibt. | |
Bild: Männlichkeitsriten, Machostrukturen und Alkohol prägen den Fußball –… | |
Am 14. April 2018 kam es in einem Sonderzug der Gladbacher Fanszene zur | |
Vergewaltigung einer jungen Frau; der Täter stellte sich einige Tage | |
später. Der Fall erregte bundesweit Aufsehen, und es war nicht der erste. | |
Im Februar hatte die Journalistin Stella Venohr beschrieben, wie sie im RE | |
6 von Gladbacher Fans sexuell belästigt worden sei. | |
Venohr sah keine Möglichkeit, andere Fans um Hilfe zu bitten: „Ich war | |
umgeben von betrunkenen, randalierenden Männern. Zu viel Angst hatte ich | |
vor der Reaktion der anderen Männer. Draußen hätte ich wenigstens weglaufen | |
können.“ Anschließend solidarisierten sich rund 180 Fans gegen die Polizei | |
mit dem Angreifer. | |
Im selben Monat wurde eine 17-Jährige von Fans des 1. FC Magdeburg, | |
ebenfalls im Zug, sexuell belästigt und begrapscht. Zwei Jahre zuvor | |
schildert die Journalistin Jana Heinicke in der Zeit, wie sie Fans im Zug | |
sexuell belästigt und begrapscht worden sei. Die gerufenen Beamten der | |
Landespolizei beschreibt sie als hilflos und desinteressiert. | |
Dass der Fußball mit seinen Männlichkeitsriten, Machostrukturen und einem | |
beträchtlichen Alkoholpegel eine Bühne für sonst unterschwelligen Sexismus | |
bietet, ist bekannt. „Es fängt damit an, aufgrund des Geschlechts nicht | |
ernst genommen zu werden, geht über sexistische Beleidigungen, Gesänge, | |
Spruchbänder, Werbung und Ausschlüsse bis hin zu ‚nur lustig‘ oder gar | |
‚nett gemeinten‘ Anmachen und schließlich sexuellen Übergriffen“, | |
beschreibt das [1][Frauennetzwerk „F_in Frauen im Fußball“]. | |
„Ich glaube, dass die Sensibilisierung aller Beteiligten ein Schritt zum | |
Schutz wäre“, sagt Antje Hagel vom Netzwerk F_in. Sie ist Mitarbeiterin im | |
Fanprojekt Offenbach. „Oft wird noch davon ausgegangen, dass sexualisierte | |
Gewalt ein Konflikt zwischen Fans wäre.“ Sensibilisiert werden sollten | |
Fanbeauftragte, Ordner in Zügen und die Polizei. Fanprojekte seien da auf | |
einem gutem Weg, weil man sich vermehrt mit dem Thema auseinandersetze. | |
## Workshops und Aktionen | |
Zusammen mit anderen Netzwerken startet F_in zur kommenden Saison eine | |
Umfrage zu sexualisierter Gewalt bei allen Vereinen sowie Fanszenen von | |
der ersten bis zur vierten Liga. „Es kann überall passieren: auf der | |
Stadiontoilette, in dunklen Ecken, im Zug“, so Hagel. „Und im Fußball | |
erwarten Frauen es vielleicht nicht, weil sie das Stadion als ihren eigenen | |
Ort wahrnehmen.“ F_in will künftig vermehrt auf das Thema aufmerksam | |
machen. | |
Andere Maßnahmen sind noch rar. Auf der Fanmeile in Berlin etwa gibt es | |
nach Angaben der Sprecherin Anja Marx keine Schutzzonen oder | |
Sicherheitsräume für Frauen. Bei der Organisation sei das auch kein Thema | |
gewesen. „Wir haben mehrere Stützpunkte des Roten Kreuzes, die potenzielle | |
Anlaufstellen bei sexueller Belästigung sind. Aber das sind absolut keine | |
geschützten Räume“, sagt Marx. | |
Zu Silvester hatte eine Falschmeldung, der Veranstalter habe eine | |
Schutzzone eingerichtet, für Chaos gesorgt. Laut Marx gab es während der WM | |
bisher keine Beschwerden von Frauen wegen Belästigung auf der Fanmeile. So | |
sieht der Veranstalter offenbar bislang keine Notwendigkeit, in Zukunft | |
einen Sicherheitsraum einzurichten. „Es gibt sehr viele Polizisten und | |
Ordner, an die man sich wenden kann.“ Rund 500 Ordner stelle der | |
Veranstalter K.I.T. Group. | |
In einzelnen Vereinen und Fanprojekten gibt es durchaus allmählich | |
Maßnahmen gegen Sexismus. Meist Workshops und Aktionen, etwa | |
Diskussionsveranstaltungen zu Sexismus wie beim Fanprojekt Bremen, Filme | |
wie „Football is Freedom“ (bereits 2010) vom Fanprojekt Darmstadt oder | |
einzelne Beiträge in Fanzines. | |
Im Gegensatz zu Homophobie oder Rassismus wird aber auf das Thema Sexismus | |
weiterhin mit vielen Abwehrreflexen reagiert. Der FC St. Pauli hat zusammen | |
mit „Pinkstinks“ Richtlinien gegen sexistische Werbung im Stadion | |
herausgegeben, nach eigenen Angaben als erster Verein in Deutschland. F_in | |
Frauen im Fußball fordert jetzt ein klares, bundesweites Konzept gegen | |
sexualisierte Gewalt im Fußball. Das fehlt bislang. | |
Vor allem in Zügen ist die Situation schwierig: eine Masse an Fans, die | |
sich unmöglich kontrollieren lässt, fehlende Fluchtmöglichkeiten, lange | |
Abstände zwischen Stationen, Gruppendynamik. | |
Wie gehäuft Belästigung oder auch häusliche Gewalt im Zusammenhang mit | |
Fußballspielen in Deutschland passiert, ist unklar. Grundsätzlich erfasst | |
die deutsche Polizei nach Angaben einer Polizeisprecherin keine Zahlen zur | |
Verbindung von sexueller Belästigung und Fußball. | |
29 Jun 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://www.f-in.org/ | |
## AUTOREN | |
Alina Schwermer | |
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