# taz.de -- Lesbenfußball im Township: Thuli ist nicht mehr allein | |
> Sie fühlte sich unverstanden, sie wurde vergewaltigt, sie wollte sich | |
> umbringen. Jetzt ist die Lesbe Thuli Ncube Fußballerin und Mutter, ihr | |
> Leben kommt wieder ins Lot. | |
Bild: Fußballspielende Soweto-Kids: Auch Thuli Ncubes Tochter kickt selbstvers… | |
SOWETO taz | Thuli kickt den Ball auf der staubigen roten Erde. Sie | |
verteidigt, rennt, schießt. Sie liebt das Fußballspiel. Schon als kleines | |
Kind hat sie mit den Jungen in der Nachbarschaft in Soweto mitgespielt. | |
"Ich war oft das einzige Mädchen, und meine Oma hat immer gesagt, was | |
machst du bloß da mit bei den Jungen?", lacht die 30-Jährige in der Pause. | |
Thuli Ncube spielt seit zwei Jahren beim Fußballclub der Lesbenorganisation | |
FEW. Ihren Township-Club Soweto Ladies hat sie aufgegeben. FEW spielt jede | |
Woche auf dem freien Feld nahe den Häuserblocks der Johannesburger | |
Innenstadt. Obwohl das Geld knapp ist, fährt Thuli aus dem Township mit dem | |
Minibus zum Training: Fußball will sie nicht missen. | |
FEW hat ein Büro im früheren Frauengefängnis für politische Häftlinge und | |
im heutigen historischen "Constitution Hill" in Johannesburg. Bei FEW hat | |
Thuli über eine Freundin nicht nur ein neues Team, sondern auch | |
Kameradinnen gefunden, ein Ort des Wohlbefindens. "Ich fühlte mich so | |
allein und hatte Probleme", erzählt die Südafrikanerin. "Meine Oma konnte | |
nicht akzeptieren, dass ich lesbisch bin." | |
Oft ist Thuli von zu Hause weggegangen, einfach um allein zu sein. Ihre | |
Mutter hatte sie mit ihrer Reaktion überrascht, als Thuli sich ihrer | |
Familie gegenüber öffnete und zur Lesbe bekannte. Die Mutter sagte nur: | |
"Wenn du glücklich bist, bin ich es auch." | |
Oma als Vaterfigur | |
Für die Großmutter war das schon schwieriger. "Ich sehe meine Oma wie eine | |
Vaterfigur an, denn mein Vater hat sich nie um uns gekümmert", sagt Thuli. | |
Lesbe sein, das ist in der traditionellen südafrikanischen Gesellschaft mit | |
Stigma verbunden. "Man fühlt sich nie wirklich sicher." Denn | |
gleichgeschlechtliche Liebe ist immer noch ein Tabu und wenig akzeptiert. | |
Aber in Soweto, in ihrer Nachbarschaft, hat Thuli viele Bekannte. Sie lebt | |
mit vier Generationen unter einem Dach: ihre Mutter und ihre Oma, die auch | |
auf ihre kleine Tochter aufpassen. Und ihre beiden Schwestern und ihr | |
Bruder wohnen mit ihr im Hinterhof des Steinhauses. Ein kleines Rasenstück | |
liegt dazwischen: "Dort spielt meine Tochter gern, na was wohl, Fußball." | |
Die schlimmen Zeiten hat Thuli hinter sich. Bereits zweimal hatte sie | |
Selbstmordgedanken. Mit 17 Jahren wurde sie vergewaltigt, auf dem Rückweg | |
von der Kirche nahe ihrem Haus. Sie zeigt auf den hässlichen Ort, an dem | |
sie täglich vorbeikommt. | |
Die Erinnerungen verblassen, manchmal verursachen sie noch Schmerzen. Sie | |
kannte den Täter, ging mit ihm ein Stück des Weges. Dann zog er eine Waffe | |
und vergewaltigte Thuli. "Ich weiß nicht, warum, Mädchen wie ich waren als | |
Tomboys bekannt, wir wollten nicht geküsst werden und wiesen Jungen ab. | |
Vielleicht ärgerte ihn das." Sie wollte verdrängen, an nichts erinnert | |
werden und ging weder zum Arzt noch zur Polizei. Ein Aidstest später war | |
negativ. | |
Das Ergebnis der brutalen Vergewaltigung: Thuli war schwanger. Aber das | |
Kind starb noch im Mutterleib. "Ich fühlte mich schuldig, als hätte ich es | |
getötet." Sie begann ihr Trauma mit psychologischer Hilfe zu verarbeiten, | |
aber ein Wunsch blieb: Sie wollte es wiedergutmachen, dass sie ein Kind | |
verloren hatte. So fand sie später einen Mann, von dem sie nur eines | |
wollte: ein Kind. | |
Nombuhle, die Tochter, ist jetzt sieben Jahre alt. Thuli ist froh, die | |
Kleine ist ihr "wertvollstes Geschenk". Sie soll eine bessere Zukunft | |
haben, und Thuli versucht mit ihren wenigen Mitteln, sie in einer | |
Privatschule unterzubringen. Eines Tages will sie ihrer Tochter den Ort der | |
Vergewaltigung zeigen und alles erklären. "Ich bin jetzt so frei zu Hause, | |
Granny hat mich akzeptiert, wie ich bin, und wir reden offen über alle | |
Probleme." | |
"Wir reden offen" | |
Dabei hilft ihre Arbeit bei FEW, sich für die Rechte von Frauen und Lesben | |
einzusetzen. Während der WM arbeitet sie auch als Aktivistin für die | |
Kampagne "1goal", die sich weltweit für die Erziehung von Kindern einsetzt. | |
Fußball ist für Thuli wie das Leben. "Man gewinnt und verliert, aber | |
manchmal geht es auf und ab, und das balanciert sich dann aus." Beim Spiel | |
kann sie alles vergessen und loslassen. "Ich versuche mein Bestes, als | |
würde ich morgen sterben." | |
Der nächste Test für Thuli und das Team von FEW steht Ende Juli in | |
Deutschland an. Thuli kann es kaum abwarten: "Wir spielen bei den Gay Games | |
in Köln." | |
8 Jul 2010 | |
## AUTOREN | |
Martina Schwikowski | |
Martina Schwikowski | |
## TAGS | |
Frauen-WM 2019 | |
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