# taz.de -- Film für Mädchen zwischen acht und 16: Die Gute und das Biest | |
> Die Teenagerkomödie „Meine teuflisch gute Freundin“ von Marco Petry | |
> trifft den Ton der Zielgruppe. Gedreht wurde in Ostfriesland und auf | |
> Norderney. | |
Bild: Ist weniger böse, als sie gerne wäre: Teufelin Lilith | |
BREMEN taz | Der Titel „Meine teuflisch gute Freundin“ klingt zwar gut, ist | |
aber irreführend: Genau genommen müsste der Film „Meine gutmenschlich gute | |
Freundin“ heißen, denn die Teufelin ist hier eindeutig die Hauptperson, aus | |
deren Perspektive auch meistens erzählt wird. | |
Der Teufel (Samuel Finzi) hat, wie jeder weiß, eine Großmutter, aber auch | |
eine Tochter (Emma Bading). Und da diese gerade in der Pubertät ist, hängt | |
bei Teufels der Haussegen schief. | |
Nun residiert der Teufel in unseren Tagen nicht mehr in einer | |
unterirdischen Hölle, sondern in einem Bürohochhaus, von wo aus er einen | |
mächtigen Industriekonzern leitet. Und seine Tochter Lilith ist ein Girly | |
mit kurzem, rotem Rock, das hinaus in die Welt will: nach New York oder | |
London, um dort schick zu leben und Böses zu tun. | |
Papa Satan will sie noch nicht gehen lassen, und so macht er eine Wette mit | |
ihr, von der er glaubt, dass sie sie nicht gewinnen kann: Sie soll in einer | |
Woche einen durch und durch guten Menschen zur Sünde verführen. Und dieser | |
eine Mensch ist die Schülerin Greta Birnbaum (Janina Fautz), die im kleinen | |
Birkenbrunn wohnt. | |
Die Birnbaum-Familie ist eine Parodie des Gutmenschentums: Sie bauen | |
biologisches Gemüse an, die Mama strickt Kleider und nie fällt in ihrem | |
Haus ein böses Wort. Bis Lilith als Gast einzieht und sich schnell eine | |
Freundschaft zwischen den beiden Mädchen entwickelt, denn sie verkörpern | |
zwar absolute Gegensätze, aber genau dies macht sie beide auch zu | |
Außenseiterinnen. | |
Lilith ist nicht ganz so böse, wie sie glaubt, und Greta merkt, dass nur | |
gut sein ein wenig langweilig ist. Deswegen ist auch die Teufelin der | |
interessantere Charakter, denn die alten Grundregel „The devil has the best | |
lines“ stimmt schon seit Goethes „Faust“: Der Teufel hat die besten Sätz… | |
„Meine teuflisch gute Freundin“ hat eine genau definierte Zielgruppe und | |
das sind Mädchen und junge Frauen im Alter zwischen acht und sechzehn | |
Jahren. Deren Erfahrungshorizont und Lebensgefühl werden hier ernst | |
genommen und in einer fantastischen Geschichte bearbeitet. | |
Es geht um all die Probleme, mit denen sich Mädchen in der Pubertät | |
herumplagen: darum, sich von den Eltern zu lösen, um Mobbing, das Austesten | |
der eigenen Grenzen, das Entdecken der eigenen Sexualität und die Suche | |
nach einer Identität. All das wird hier unterhaltsam und witzig | |
durchgespielt, und viele werden sich mit der draufgängerischen Lilith | |
identifizieren, sich aber auch in der zaghaften Greta wiederfinden. | |
## Teuflisch freches Mundwerk | |
Dabei werden die jungen Zuschauerinnen nicht mit zu viel Brutalität und | |
Boshaftigkeit verschreckt. Die Teufelin speit schon mal Feuer und versengt | |
dem Klassentyrannen, der im Schulbus die Schülerinnen drangsaliert, seine | |
Frisur. Aber davon abgesehen, hat sie vor allem ein teuflisch freches | |
Mundwerk. Dafür kann sie nicht mit dem Fahrrad fahren, weil sie noch nie in | |
der Menschenwelt war, und zwar alles weiß, aber noch kaum etwas erfahren | |
hat. Und die Sympathien fliegen ihr spätestens dann zu, wenn sie, um einen | |
Jungen zu beeindrucken, vom Rad fällt und dann immer noch sehr wacklig | |
weiterfährt. | |
Das ist dramaturgisch gut gebaut und vom Regisseur Marco Petry stimmig | |
inszeniert. Und er hat mit Emma Bading eine Hauptdarstellerin gefunden, die | |
viele Mädchen wohl gern als beste Freundin hätten, denn genau darum geht es | |
ja in diesem Film. Sie ist selbstbewusst, beherrscht die modische Sprache | |
der sozialen Medien und kann sich gegen die Erwachsenen durchsetzen. | |
## Zöpfe wie Hörner | |
Vor allem gelingt es ihr aber, zu vermitteln, dass sie längst nicht so böse | |
ist, wie sie gern wäre. Ihr leuchtend rotes Haar hat sie zu zwei Zopfknoten | |
geflochten, die wie Hörner über ihrer Stirn sitzen und sich im Laufe der | |
Handlung immer mehr auflösen. Und die nicht nur ungeschminkte, sondern auch | |
ungekämmte Greta entdeckt mit Hilfe ihrer Freundin das Make-up, was zu | |
einer im Kino immer wieder gern gesehenen Verwandlung des hässlichen | |
Entleins führt. | |
Der Spielort Birkenbrunn ist eindeutig in Norddeutschland angesiedelt, und | |
so wurde der von der Nordmedia geförderte Film zu einem großen Teil in | |
Ostfriesland und auf Norderney gedreht. Da hängen dann an einem Kiosk ein | |
paar friesische Schluckspechte herum, die aus den bekannten NDR-Trailern | |
(„Das Beste am Norden …“) oder einem Otto-Film herübergetorkelt zu sein | |
scheinen. Und eine Sequenz, in der Lilith zum ersten Mal das Meer sieht, | |
wirkt wie ein Zitat aus der Mutter aller Coming- of-Age-Filme: François | |
Truffauts „Sie küssten und sie schlugen ihn“. | |
Der Film ist auch deshalb so gut für seine Zielgruppe geeignet, weil er die | |
Adaption eines Bestsellers der Jugendliteratur mit dem Titel „How to be | |
really bad“ ist. Die Autorin Hortense Ullrich lebt in Bremen und hat in den | |
Jahren seit 1999 über siebzig Bücher geschrieben, von denen etwa fünfzig in | |
Buchreihen für weibliche Teenager erschienen sind. | |
Die Produzenten und der Regisseur waren so klug, die Autorin selbst am | |
Drehbuch mitarbeiten zu lassen. Dies ist eher unüblich, weil sich Autoren | |
oft nicht von etwas trennen können, das im Buch gut geklappt hat, aber im | |
Film nicht funktioniert. Hier war die Zusammenarbeit offensichtlich | |
fruchtbar, was man vor allem an den witzigen Dialogen erkennen kann: „Bist | |
du auch brav böse?“, fragt da der Teufel seine Tochter, und da Lilith | |
vorgibt, aus Saarlouis angereist zu sein, wird in Gesprächen immer wieder | |
die Hölle mit dem Saarland verwechselt. | |
Hortense Ullrich hatte auch die Idee für eine Marketingkampagne in den | |
sozialen Medien: Sie und Marco Petry produzierten sieben sogenannte | |
Webisodes, in denen die beiden Hauptdarstellerinnen scheinbar unbeholfen | |
versuchen, mit Auftritten auf Youtube Werbung für den Film zu machen. Diese | |
etwa zwei Minuten langen Appetitanreger haben zum Teil über 200.000 Aufrufe | |
und die vielen enthusiastischen Kommentare („sooo cool“) beweisen, dass sie | |
auch damit den richtigen Ton getroffen haben. | |
28 Jun 2018 | |
## AUTOREN | |
Wilfried Hippen | |
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