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# taz.de -- Regisseur André Erkau präsentiert seine erste Komödie: Später D…
> Er kann auch Komödie: Mit dem gelungenen „Happy Burnout“ hat der Bremer
> Regisseur André Erkau seinen ersten Film jenseits der Arthousekinos
> gemacht.
Bild: Ausruhen vom Erwerbsleben: Fussel (Wotan Wilke Möhring) im Klinikgarten.
HAMBURG taz |Als André Erkau bei der Premiere seines Film im Hamburger
Cinemaxx am Dammtor als ein „Regisseur aus Bremen“ vorgestellt wurde,
herrschte betretenes Schweigen. Zum Glück wurden die ersten Einstellungen
von „Happy Burnout“ erkennbar im Schanzenviertel gedreht und später sieht
man sogar im Hintergrund die Köhlbrandbrücke.
Dieser Film dreht sich um den Alt-Punk Fussel (Wotan Wilke Möhring), der
noch nie in seinem Leben gearbeitet hat. Doch als ihm eine Prüfung der
Arbeitsagentur droht, braucht er unbedingt eine
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Um dieses zu bekommen, beginnt er eine
Therapie als Burnout-Patient in einer stationären Klinik.
Dort herrscht eine Psychologin in gestärkter Schwesternuniform, die an das
Autoritätsmonster Nurse Ratched im „Cuckoo’s nest“ erinnern soll. Anke
Engelke kann in dieser Rolle die Mundwinkel nur ein paar Minuten lang nach
unten verziehen. Sie durchschaut den Plan des Simulanten sofort, sieht aber
auch, wie therapeutisch der Kontakt mit ihm für andere Patienten ist. Sein
lebensmüder Zimmergenosse, eine unter dem Gluckenkomplex leidende Mutter,
ein arbeitssüchtiger Manager und ein Bauchredner, der am liebsten mit
seiner Puppe redet, sind die für Erkau typische Gruppe von liebenswerten
Lebensuntüchtigen, die sich komisch abstrampeln und doch zusammenraufen.
André Erkau, 1968 in Dortmund geboren, wuchs in Bremen auf. Hier war er
einer der Gründer des Freien Theaters Bremen und bekam von András Fricsay,
der in den 90er-Jahren Schauspielchef am Bremer Theater war, die Chance,
dort als Regieassistent zu arbeiten. Das Schauspielen lernte er in Hamburg,
hier spielte er einige Rollen in Theater, Film und Fernsehen – in der
Produktion „Nicht von schlechten Eltern“ etwa. In Köln, wo er Regie lernte,
galt er als schräger Vogel. Denn während Kommilitonen wie Hans Weingartner
und Tobias Aman ambitionierte Spielfilme wie das„Das weisse Rauschen“
machten, interessierte er sich nur für Komödien.
Doch wie Weingartner und Aman gewann auch er mit seiner Abschlussarbeit
einen der Hauptpreise beim Filmfestival Max Ophüls in Saarbrücken, dem
bedeutendsten deutschsprachigen Wettbewerb für Nachwuchsfilmemacher. „37
ohne Zwiebeln“ ist ein 14-minütiger Kurzfilm, in dem ein Angestellter unter
Zeitsprüngen leidet. Die Schnitte und plötzlichen Szenenwechsel des Films
werden zu seiner Realität. Er weiß nicht mehr, wie er von A nach C gekommen
ist, weil er B nie erlebt hat. Dafür kann er sich in Zeitlupe und
Zeitraffer bewegen. Das ist komisch – und auch filmisch einfallsreich
gestaltet.
Mit seinem ersten Langfilm „Selbstgespräche“, in dem es um die Angestellten
in einem Callcenter geht, gewann er 2008 noch einen Max Ophüls Preis und in
der Begründung der Jury wird im Grunde auch schon die Essenz seiner
folgenden Filme beschrieben: „Der Regisseur verfolgt mit zärtlicher Ironie
so genannte gescheiterte Existenzen, die sich nicht unterkriegen lassen
wollen.“
In „Arschkalt“, Erkaus zweitem Spielfilm, teilweise in Bremerhaven gedreht,
spielt Herbert Knaup einen Misanthropen, der als Lieferant für
Tiefkühlkost arbeitet. Ein für Erkau typischer Antiheld, der in der ersten
Hälfte des Films immer kaltherziger wird und sich schließlich wünscht, ein
Fischstäbchen zu sein.
Sein erster Publikumserfolg „Das Leben ist nichts für Feiglinge“ erzählt
von einem trauernden Witwer, seiner todkranken Mutter und der rebellischen
Tochter, also von Unfall, Krebs und Pubertät.
Auch hier sind es wieder Außenseiter, die es Erkau angetan haben: Menschen,
die ihre ganz eigenen, merkwürdigen Wege finden, um tragische Umstände zu
bewältigen und dabei in absurde Situationen kommen, die er mit dem für
Komödien so wichtigen Timing inszeniert.
Erkau setzte den Münsteraner Tatortkrimi „Schwanensee“ in Szene – mit Ax…
Prahl und Jan Josef Liefers. Auch wieder eine Komödie im Stil von „The Odd
Couple“ (mit Jack Lemmon und Walter Matthau). Doch weil beide Protagonisten
Siegertypen sind, fehlte es Erkau an der Reibungsfläche, die er braucht, um
wirklich komisch zu sein.
Einen passenden Antihelden fand er dagegen im Kinderfilm „Winnetous Sohn“:
Einen pummeligen Zehnjährigen mit Brille, der davon träumt,
Indianerhäuptling zu sein. Ein schöner kleiner Film, in dem der Held in
einer Patchworkfamilie aufwächst und sich an alltäglichen
Familienkonflikten abarbeitet, bis er schließlich zeigen kann, dass er ein
großer Indianerkrieger ist. Viel Ärger bereitet ihm etwa sein Vater: ein
chaotischer Musiker, der sich weigert, erwachsen zu werden. Diese
Nebenrolle könnte eine Vorstudie zum Protagonisten von „Happy Burnout“
darstellen.
Wie schon bei „Das Leben ist nichts für Feiglinge“ hat Erkau hier mit dem
Drehbuchautoren Gernot Gricksch und mit Wotan Wilke Möhring in der
Hauptrolle zusammengearbeitet. Der Film kann als eine optimistische
Variante von „Einer flog über das Kuckucksnest“ gelten, denn auch hier
lässt sich der Protagonist in eine Anstalt einweisen, weil er glaubt, so
einer schlimmeren Bestrafung zu entgehen.
„Happy Burnout“ ist eine gut gebaute und stimmig inszenierte Komödie –
nicht mehr, aber auch nicht weniger. Einigen Filmkritikern reicht das
nicht: Andrea Diener schrieb etwa in der FAZ, dass der Film „gerne
anarchisch wäre“, aber die Abgründe fehlen würden. Doch eine Komödie ist
dann gelungen, wenn der Zuschauer lacht, und ein Indiz dafür ist, dass
„Happy Burnout“ nach dem ersten Wochenende in den Arthouse-Charts auf Platz
zwei landete.
3 May 2017
## AUTOREN
Wilfried Hippen
## TAGS
Arthouse
Pubertät
Theater
Familie
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