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# taz.de -- Petition gegen neue Serie von Netflix: Mit Gewalt auf Linie gebracht
> In „Insatiable“ wird ein dickes und gemobbtes Mädchen schlank und beliebt
> – und nimmt Rache. Eine Petition will die Ausstrahlung verhindern.
Bild: Patty vor ihrer gewaltsamen Verwandlung
Bis zum 10. August hat Florence Given noch Zeit. Dann soll die Serie bei
Netflix erscheinen, deren Ausstrahlung sie mit [1][einer Petition
verhindern will] – und die in sechs Tagen über 160.000 Personen
unterschrieben haben. „Insatiable“ heißt die Serie, auf Deutsch
„unersättlich“.
Grund für die Petition ist [2][der Trailer]. Demzufolge geht die Geschichte
der Serie so: „Fatty“ Patty ist an der Highschool und unbeliebt. Denn sie
ist dick. Während andere Leute rumlaufen und ihre Jungfräulichkeit
verlieren, schaufelt sie Eiscreme in sich hinein. Dann wird ihr so hart auf
den Kiefer geschlagen, dass sie kaum noch essen kann. Sie nimmt ab.
Nach den Sommerferien legt sie an der Highschool einen großen Auftritt hin:
schlank, in figurbetontem rosa Spitzenkleid, die Haare toll gelockt und im
Gesicht ein Make-Up, zu dem es sicherlich bald YouTube-Tutorials geben
wird. Jetzt gilt Patty bei ihren Mitschüler_innen als „hot“. Ihren neuen
Status nutzt die Protagonistin dazu, auf die Leute einzuschlagen, die sie
gehänselt haben.
Der Plot der „Coming of Rage“-Serie erinnert nicht nur an längst überholte
Filme aus den späten 90ern und frühen 2000ern. Auch die bodypositive
Entwicklung und der von Fat-Aktivistinnen vorangetriebene [3][Diskurs zur
Akzeptanz dicker Körper] der letzten Jahre scheint an den Macher:innen
vorbeigegangen zu sein.
## Immer wieder alte Narrative
Der Trailer von „Insatiable“ transportiert das Narrativ, Menschen seien
erst liebens- und begehrenswert, wenn ihr Körper einer gesellschaftlichen
Norm entspreche, sie also schlank sind. Er reproduziert, dass vor allem
Frauen durch Schönheitsideale großem Druck ausgesetzt sind. Dass ihre
Körper bewertet und sie selbst zu Objekten gemacht werden. Und er
reproduziert Fatshaming, die Praxis, Menschen aufgrund ihres vermeintlichen
Übergewichts abzuwerten.
Für Florence Given sind die Folgen klar, die die Ausstrahlung hätte: „Diese
Serie wird Essstörungen verursachen und die weitere Objektifizierung der
Körper von Frauen bewirken. Der Trailer hat bereits Menschen mit Essstörung
getriggert“, schreibt sie. Given, [4][die als Künstlerin vor allem
feministischen Illustrationen anfertigt] und sich selbst als „Social
Activist“ bezeichnet, fordert deswegen: „Diese Serie muss gestrichen
werden.“
Netflix hat sich bisher auf Anfrage der taz noch nicht geäußert. Doch
sowohl die Hauptdarstellerin Debby Ryan als auch die Autorin Lauren Gussis
haben auf Social Media Portalen Stellung bezogen. So schreibt Ryan [5][bei
Instagram], die Show würde die Art, wie der Körper von Frauen in der
Gesellschaft beschämt und politisiert wird, satirisch aufgreifen. Die Serie
wolle zeigen, dass die Hauptfigur trotz der Gewichtsabnahme nicht glücklich
ist und deswegen Rache nimmt.
## Hoffnung auf andere Bedeutung
Gussis wiederum bezieht sich auf ihre eigenen Erfahrungen und [6][schreibt
bei Twitter:] „Die Show ist eine warnende Erzählung darüber, wie schädlich
es sein, wenn man Menschen nur über ihr Äußeres beurteilt.“ Und bittet:
„Gebt der Show eine Chance“.
Die Wut und die Rachegedanken der Protagonistin – und auch der Autorin –
sind aufgrund ihrer Diskriminierungserfahrungen verständlich. Aber so, wie
die Geschichte im Trailer erzählt wird, bricht sie das diskriminierende
System nicht auf. Immerhin muss die Protagonistin erst schlank werden, um
Rache nehmen zu können. Ganz abgesehen davon, dass Gewalt als Lösung
generell zweifelhaft ist.
Wer weiß: Vielleicht hat die Serie aber auch einen überraschenden Dreh, der
den Diskurs der letzten Jahre aufgreift und eine empowernde Botschaft
enthält. Das wird sich zeigen, sollte die Petition ihr Ziel verfehlen und
die Serie im August ausgestrahlt wird.
26 Jul 2018
## LINKS
[1] https://www.change.org/p/netflix-stop-release-of-the-body-shaming-film-prod…
[2] https://www.youtube.com/watch?v=z-81WVD8xTs
[3] /Auch-dicke-Frauen-sind-schoen/!5283514
[4] https://www.instagram.com/florencegiven/?hl=de
[5] https://www.instagram.com/p/BlgTxmRDPE2/?taken-by=debbyryan
[6] https://twitter.com/GussisLauren/status/1020459928887017474
## AUTOREN
Maike Brülls
## TAGS
Netflix
Sexismus
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Kolumne Habibitus
fat shaming
Pubertät
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Suizid
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