# taz.de -- Gymnasium wehrt sich gegen Inklusion: Klage gescheitert | |
> Eine Bremer Schulleiterin klagte dagegen, dass ihr Gymnasium geistig | |
> behinderte Kinder beschulen muss, aber das Gericht folgte ihrer | |
> Argumentation nicht. | |
Bild: Darf sich der Inklusion nicht verschließen: Das Gymnasium Horn | |
BREMEN taz | Ein Bremer Gymnasium ist dazu verpflichtet, Kinder mit | |
Behinderung zu unterrichten. Die Schulleiterin hat kein Recht, gegen eine | |
entsprechende Anordnung der Bremer Schulbehörde zu klagen, auch wenn sie | |
sie für pädagogisch unsinnig hält. Das hat am Mittwoch das Bremer | |
Verwaltungsgericht festgestellt. | |
Es geht um das umstrittene Thema der „Inklusion“: Im November hatte ein | |
Schulrat der Leiterin des Bremer Gymnasiums Horn, Christel Kelm, die | |
Anweisung der Schulbehörde übermittelt, eine ihrer sechs neuen Klassen im | |
Herbst 2018 als „Inklusionsklasse“ zu planen – für maximal fünf | |
„W&E“-Kinder. | |
„W&E“ steht für „Wahrnehmungs- und Entwicklungsstörung“, früher wurd… | |
als „geistig Behinderte“ bezeichnet. Die Voraussetzung für diese Einstufung | |
ist die Prognose, dass solche Kinder keinen der normalen Schulabschlüsse | |
schaffen können und voraussichtlich lebenslang eine besondere Betreuung | |
benötigen. | |
Wenn solche Kinder Gymnasien zugewiesen werden – für zwei der acht Bremer | |
Gymnasialstandorte ist das bisher schon der Fall – dann heißt das natürlich | |
nicht, dass sie am normalen gymnasialen Unterricht teilnehmen. „Inklusion“ | |
bedeutet da, sie sollen in die Schulgemeinschaft integriert werden, | |
eventuell an „gestalterischen“ Unterrichtseinheiten in Kunst und Musik oder | |
Biologie teilnehmen. Im Wesentlichen werden sie aber in sogenannten | |
„Differenzierungsräumen“ von einer Sonderpädagogin, einer Klassenassistenz | |
und persönlichen Assistenzen je nach Bedarf betreut. | |
Da es im Unterricht nicht um „Inklusion“ geht, heißen die Klassen | |
„Koop-Klassen“. Für die Gymnasien hat das den Vorteil, dass die | |
Klassenfrequenz nicht bei 30 liegt, sondern nur bei 19 – plus maximal fünf | |
„W&E“-Kinder. | |
Der Vertreter der Schulbehörde, der ihr diese Anordnung überbracht hat, so | |
berichtete die Schulleiterin vor Gericht, habe ihr gleich deutlich gemacht, | |
dass diese Zuweisung auf der fachlichen Ebene der Behörde höchst kritisch | |
gesehen werde, dass es aber eine Verabredung der Koalitionspartner von SPD | |
und Grünen gebe, die Gymnasien in die Betreuung von Inklusionskindern | |
stärker einzubinden. Es gehe „ums Prinzip“ und weniger um den effektiven | |
Bedarf. | |
Schulleiterin Kelm hatte schon im November gegen die Anordnung protestiert | |
mit der Begründung, dass niemand an ihrer Schule, auch sie selbst nicht, | |
über eine sonderpädagogische Qualifikation verfüge und sie daher nicht die | |
Verantwortung für solche Kinder übernehmen könne. Von den | |
„Inklusionsklassen“ an anderen Schulen wisse sie zudem, dass die | |
Ankündigungen der Behörde, was an Ausstattung kommen werde, oft „nur auf | |
dem Papier“ stehe. | |
## Eine Frage der Ausstattung | |
Das Gymnasium Horn hat einen guten Ruf und ist stark angewählt. Um aus | |
einem normalen Klassenraum einen „Differenzierungsraum“ zu machen, reiche | |
die Einrichtung einer Küchenzeile, erklärte der Vertreter der Schulbehörde | |
– das sei bis Schuljahresbeginn in sechs Wochen zu schaffen. Eine | |
sonderpädagogische Fachkraft habe sich nach der öffentlichen Diskussion um | |
die Ablehnung der Inklusion zwar nicht für die Schule beworben, aber man | |
werde einen Beamten „abordnen“. | |
De facto gebe es bisher nur drei Kinder für die Koop-Klasse, teilte die | |
Schulleiterin mit, und die Idee der Schulbehörde, den Differenzierungsraum | |
im dritten Stock des Schulgebäudes einzurichten, stoße bei den Eltern auf | |
Bedenken. Zudem reiche die Ausstattung des behindertengerechten Bades nicht | |
aus. Insgesamt könne die Schule die speziellen „Bedarfe“ dieser drei Kinder | |
bisher nicht bewerten und auch die Arbeit mit diesen Kindern könne niemand | |
planen – da niemand in der Schule dafür qualifiziert sei. | |
Aber das sind alles pädagogische Gesichtspunkte, die auf der rechtlichen | |
Ebene keine Rolle spielen. Die Schulleiterin hatte sich daher auf einen | |
Paragrafen bezogen, in dem es heißt, dass es der Auftrag der Gymnasien sei, | |
Schüler mit einem erhöhten Leistungsprofil in acht Jahren zum Abitur zu | |
führen. Es gebe aber, so die Richterin, einen anderen Paragrafen im | |
Schulgesetz, mit dem sich Bremen auf die Inklusion verpflichte. Wie sie | |
auszugestalten sei, liege in der Kompetenz der Schulbehörde, nicht in der | |
der Schulen. | |
28 Jun 2018 | |
## AUTOREN | |
Klaus Wolschner | |
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