# taz.de -- Kommentar Bamf-Affäre: Seehofer, der Chefaufklärer | |
> Der Innenminister inszeniert sich als aufklärende Unschuld. Auch, wenn | |
> das nicht ganz ehrlich ist, könnte es ihm letztlich in die Hände spielen. | |
Bild: Verspricht auch „totale Transparenz“ in dem Fall: Innenminister Horst… | |
Horst Seehofer gibt den Chefaufklärer. Gut fünf Stunden hat der | |
Innenausschuss des Bundestages [1][in einer Sondersitzung am Dienstag] den | |
Bundesinnenminister und die zuständige Behördenchefin Jutta Cordt zu | |
Missständen im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) befragt. Am | |
Abend steht Seehofer vor den aufgestellten Mikrofonen, spricht von einem | |
„handfesten, schlimmen Skandal“, entschuldigt sich im Namen der | |
Bundesregierung und verspricht „totale Transparenz“. „Alles, was mir | |
bekannt wird, wird auch den Parlamentariern zur Verfügung gestellt.“ | |
Kurz vor der Sitzung hat das Innenministerium den [2][Grünen] auf 29 Seiten | |
die Antworten auf ihren zuvor eingereichten Fragenkatalog zugestellt. Zwar | |
bleiben danach auch weiter Fragen offen. Darunter: Warum ist niemand | |
eingeschritten, obwohl es seit langem Hinweise auf Probleme in der Bremer | |
Außenstelle des Bamf gab? Für die Grünen aber ist Seehofers Verhalten ein | |
„richtiger, erster Schritt“. In der Debatte über das richtige Mittel zur | |
Aufklärung hatten sie im Vorfeld betont, dies hänge auch vom Verhalten | |
Seehofers ab. Die schnelle Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist | |
damit unwahrscheinlicher geworden, auch wenn FDP-Chef Christian Lindner am | |
Mittwoch darauf beharrt. Stattdessen soll es zunächst zeitnah eine zweite | |
Sondersitzung des Innenausschusses geben. Es könnten Seehofers Vorgänger | |
Thomas de Maiziére und auch zwei ehemalige Bamf-Chefs geladen werden. | |
Das macht Sinn. Parlamentarische Untersuchungsausschüsse sind langwierige | |
Instrumente – und bei weitem nicht die einzigen, über die das Parlament | |
verfügt. Es würde Monate dauern, bis ein Untersuchungsausschuss seine | |
Arbeit aufnehmen könnte, Ergebnisse würden erst Jahre später vorliegen. | |
Reformen im Bamf aber müssen schnell erfolgen. Denn die Misstände sind | |
massiv und das gilt nicht nur für die Außenstelle in Bremen, wo Mitarbeiter | |
und Anwälte im Verdacht stehen, Geflüchteten Asyl gewährt zu haben, obwohl | |
es dafür keine rechtliche Grundlage gab. | |
Seit Jahren ist bekannt, dass das Bamf überfordert ist, weil es zu wenig | |
und nicht ausreichend qualifiziertes Personal gibt, was zudem häufig auf | |
befristeten Stellen arbeitet. Mit Blick auf die hohen Flüchtlingszahlen | |
seit 2015 war es der erklärte Wunsch von Innennministerium und Kanzleramt, | |
die Verfahrensdauern der Asylverfahren zu verkürzen, um die Masse der | |
Anträge bewältigen zu können. Der ehemalige Behördenleiter Weise jagte | |
Unternehmensberater zwecks Effizienzsteigerung durchs Bamf, schließlich | |
ordnete er an, vier Anhörungen sollten im Schnitt pro Tag durchgeführt | |
werden. Das half dabei, Altfälle abzubauen, doch die Qualität der | |
Asylverfahren litt. Die Anzahl der Entscheide, die vor Gericht nicht | |
standhielten, stieg Jahr für Jahr. 2017 lag die Erfolgsquote bei Klagen bei | |
über 40 Prozent. Bei Syrern und Afghanen waren es sogar über 60 Prozent. | |
Seehofers Ankündigung, nun die Qualität der Asylbescheide wieder in den | |
Mittelpunkt zu rücken, sich für mehr Personal einzusetzen und Stellen zu | |
entfristen, ist lange überfällig. | |
Und doch ist die Inszenierung Seehofers als aufklärende Unschuld falsch. | |
Natürlich liegen die [3][Vorfälle in Bremen] weit vor seinem Amtsantritt | |
als Innenminister vor zweieinhalb Monaten. Doch dass es angesichts der | |
hohen Zahlen an Geflüchteten im Bamf an allen Ecken und Ende fehlte, was | |
Konsequenzen haben würde, das muss Seehofer gewusst haben. Schließlich war | |
er als CSU-Chef jahrelang in allen entscheidenden Runden zur | |
Flüchtingspolitik im Kanzleramt dabei. Zudem führt die Union das | |
Innenministerum seit 13 Jahren. Unter den Ministern war von 2011 bis 2013 | |
CSU-Mann Hans-Peter Friedrich. Damals stiegen die Flüchtlingszahlen | |
bereits. | |
Trotz allem könnte es sein, dass Seehofer die Affäre letztlich in die Hände | |
spielt – nicht nur, weil er den Chefaufklärer geben kann. In der kommenden | |
Woche will der Innenminister seinen „Masterplan Migration“ mitsamt der | |
umstrittenen Ankerzentren vorstellen. Bislang ist die Unterstützung der | |
Bundesländer begrenzt. Je größer aber die Misstände im Asylsystem | |
erscheinen, je größer die Verunsicherung in der Bevölkerung ist, desto | |
größer ist die Bereitschaft der Politik zu Verschärfungen. Zudem steigt der | |
Druck von Teilen der Öffentlichkeit, diese auch durchzusetzen. | |
30 May 2018 | |
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## AUTOREN | |
Sabine am Orde | |
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