| # taz.de -- „The Sea and Cake“ mit Album und Tour: Wie in die Wolken schauen | |
| > Famoser Pop für den Sommer: Die US-Band „The Sea and Cake“ kommt mit | |
| > ihrem neuen Album „Any Day“ für drei Konzerte nach Deutschland. | |
| Bild: Legendäre Skeptiker: Archer Prewitt, Sam Prekop und John McEntire | |
| Eine gute Freundschaft zeichnet sich dadurch aus, dass die Beteiligten sich | |
| Jahre nicht zu sehen und hören brauchen, um beim Wiedertreffen nahtlos da | |
| anzuknüpfen, wo sie zuletzt aufgehört haben. Mit der Musik der US-Band The | |
| Sea and Cake funktioniert das ähnlich. Seit ihrem letzten Album, „Runner“, | |
| sind sechs Jahre vergangen, und auf ihrem neuen Album „Any Day“ präsentiert | |
| sich die Chicagoer Band verlässlich wie eh – und unerwartet zugleich. | |
| Es ist einiges passiert seit 2012: Sänger Sam Prekop hat seine | |
| Beschäftigung mit modularen Synthesizern intensiviert und auf dem | |
| Solo-Album „The Republic“ (2014) dokumentiert. Seine [1][Fotografien], die | |
| einen geübten Blick für das absurd Schöne im Hässlichen offenbaren, sind in | |
| Ausstellungen zu sehen und eine ziert das Cover von „Any Day“: zu sehen ist | |
| ein Ohrensessel neben einem verstaubten Fernseher, auf dem ein Karton | |
| thront. Die Szene würde verlassen wirken, wäre da nicht eine Kaffeetasse. | |
| Gitarrist Archer Prewitt hat seine Karriere als Cartoonist und Illustrator | |
| weiterverfolgt, und Drummer John McEntire ist mit seinem Aufnahmestudio | |
| nach Kalifornien gezogen. Seinem schon immer federleichten Schlagzeug wohnt | |
| nun eine sonnige, ansteckende Gelassenheit inne. | |
| ## Dezentes Blubbern | |
| Im Auftaktsong [2][„Cover the Mountain“] übernimmt das Schlagzeug neben Sam | |
| Prekops schwingender Gesangslinie die zweite Stimme, Archer Prewitt begnügt | |
| sich ausnahmsweise mit unterstützenden, flirrenden Gitarrenriffs. Eine | |
| dezent blubbernde Basslinie macht „Cover the Mountain“ zu einem ziemlich | |
| perfekten Popsong, den man auf dem Fahrrad gerne mitpfeift. Bei anderen | |
| Songs agiert der Bass eher im Hintergrund. | |
| Damit verdeutlicht die zum Trio geschrumpfte Band, dass Eric Claridge, der | |
| wegen einer chronischen Entzündung der Hand nicht mehr Bass spielen kann, | |
| nicht einfach zu ersetzen ist. Die zurückhaltenden Basslinien im Titelsong | |
| „Any Day“ hat der Chicagoer Bassist Nick Macri eingespielt, bei den anderen | |
| Songs spielt McEntire den Bass, live übernimmt Douglas McCombs von Tortoise | |
| den Part von Claridge. | |
| Über allem flirrt Prekops magische Stimme, die den Sound von The Sea and | |
| Cake so unverwechselbar macht und auf „Any Day“ so viel zu hören ist wie | |
| nie zuvor. Lässig-elegant trägt Prekop seine wie immer leicht kryptischen | |
| Texte vor, abgebrochene Wortfetzen und Satzstummel wie „If I’d always be on | |
| a short line or years gone by / For impossible / Where I’m going to the / | |
| I’m in here / Start of missing, standing near the whole time“ aus „Any Da… | |
| bieten Raum für Interpretationen. Archer Prewitt setzt Prekops geradlinigem | |
| Gesang eine verspielte Gitarrenmelodie entgegen, Orgel, Klarinette und | |
| Flöte verleihen dem Song Opulenz nach Sea-and-Cake’scher Art: subtil und | |
| unprätentiös. | |
| ## Spacige Kapriolen | |
| Auf „Any Day“ verzichten The Sea and Cake auf den Gebrauch von | |
| Synthesizern, die bei früheren Alben essenzieller Bestandteil waren. Das | |
| verleiht dem Album eine luftige Note. Im Song „Occurs“ benutzt Archer | |
| Prewitt eine Vielzahl von Gitarreneffekten, die sich genüsslich an | |
| McEntires zügig ausgeführten Jazz-Breakbeats reiben. „Starling“ ist ein | |
| klassischer Popsong mit kurzen Gitarrenintro, zackigem Schlagzeug, | |
| gurrender Rhythmusgitarre, die immer wieder spacige Kapriolen schlägt. | |
| Hi-Hat und gezupfte Gitarren schicken einen im Instrumental „Paper Window“ | |
| gedanklich über eine ungemähte Blumenwiese. | |
| Die Finesse des Songs „Into Rain“ ist beim ersten Hören kaum zu erfassen. | |
| Ein exakter Rimshot auf die Blechtrommel ist der Boden für | |
| Ziehharmonikaorgelsounds und diverse Gitarrenmelodien, die für sich allein | |
| stehen und gleich darauf gemeinsam in Sounds kulminieren, die aus dem All | |
| hergeweht kommen. | |
| Sich die zehn Songs von „Any Day“ anzuhören entspricht dem Anschauen und | |
| Verfolgen von Wolkenformationen: verlässlich flüchtig und unerwartet schön. | |
| Famose Popmusik für den Sommer. | |
| 30 May 2018 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.youtube.com/watch?v=-RZEqjasLlI | |
| [2] https://www.youtube.com/watch?v=hWwkVJRosM0 | |
| ## AUTOREN | |
| Sylvia Prahl | |
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