# taz.de -- Katja Kipping über die Linkspartei: „Das war's noch lange nicht�… | |
> Sie stellt sich zur Wiederwahl und will die Linkspartei zur stärksten | |
> linken Kraft machen. Dafür will Katja Kipping den Streit mit Sahra | |
> Wagenknecht beenden. | |
Bild: Stellt sich der Wiederwahl: Linken-Parteivorsitzende Katja Kipping | |
taz: Frau Kipping, mit welchem Gefühl fahren Sie zum Parteitag – mit | |
Nervosität oder Vorfreude? | |
Katja Kipping: Ich freue mich. Parteitage sind immer ein großes Happening, | |
eine Zusammenkunft vieler toller Leute, mit denen man viele gemeinsame | |
Kämpfe geführt hat. | |
Nervös sind Sie nicht? | |
Nein. Ich finde es eher gut, dass es auf diesem Parteitag zu einer | |
inhaltlichen Klärung kommt. Die ist auch notwendig. Seit Schließung der | |
Wahllokale gab es von einigen das massive Bestreben, dass die Linke ihren | |
Kurs in der Flüchtlingspolitik grundlegend verändert. Es tut Not, dass der | |
Parteitag sich noch einmal damit auseinandersetzt und eine Entscheidung | |
trifft. Und dann gibt es ja auch personelle Wahlen. Und darauf freue ich | |
mich auch. | |
Es gibt gerade aus dem Kreis um Fraktionschefin Sahra Wagenknecht deutliche | |
Kritik an Ihnen und dem Ko-Vorsitzenden Bernd Riexinger. Rechnen Sie | |
dennoch mit Ihrer Wiederwahl? | |
Wir treten an, um die Linke weiter voranzubringen. Die Partei steht aktuell | |
gut da. Wir sind gewachsen. Heute gilt: Wer jung ist und die Welt verändern | |
will, für den ist die Linke die erste Adresse. Das ist ein Ergebnis unserer | |
Arbeit. Und: Keine andere Partei verfügt über so viele erfahrende | |
Mitglieder in Ostdeutschland. Wir wollen darauf weiter aufbauen und die | |
Linke zur entscheidenden Kraft links der CDU machen. | |
Fraktionsvize Sevim Dagdelen wirft Ihnen und Riexinger vor, sie würden | |
gegen Fraktionschefin Wagenknecht vorgehen anstatt zu integrieren. Wie sehr | |
lähmen die persönlichen Auseinandersetzungen die Partei inzwischen? | |
Ich weise dieses Deutungsmuster entschieden zurück. Hinter den Kontroversen | |
in der Sache steht eine Auseinandersetzung, die die Linke stellvertretend | |
für die Gesellschaft führt. Es gibt in der Gesellschaft | |
Modernisierungsskeptiker und -optimisten. Die einen fühlen sich überall zu | |
Hause und haben das Gefühl, sie können überall arbeiten, die anderen fühlen | |
sich inzwischen nirgendwo zu Hause und werden ungeschützt vom | |
Neoliberalismus aussortiert. Die Linke gehört zu den Parteien, die beide | |
gesellschaftliche Grundströmungen in sich hat. Beide Gruppen haben | |
gemeinsame Interessen wie zum Beispiel bezahlbare Wohnungen zu finden. | |
Aufgabe der Linken ist es, diese gemeinsamen Interessen in den Mittelpunkt | |
zu stellen und beiden Gruppen dadurch ihre Stärke aufzuzeigen – das | |
verstehe ich unter emanzipatorischer Klassenpolitik. | |
Zu Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch haben Sie also weiterhin ein | |
aufgeschlossenes Arbeitsverhältnis? | |
Zu meinem Amtsverständnis gehört es, dass wir in Führungspositionen | |
professionell miteinander umgehen, auch dann wenn man nicht in inniger | |
privater Freundschaft verbunden ist. Und das praktiziere ich. | |
Sie wollen verbinden. Wieso hat man dann den Eindruck, die Linke verkämpft | |
sich in Gegensätzen – im Streit um die Flüchtlingspolitik wollen Sie, dass | |
der Parteitag eine Grundsatzentscheidung fällt. | |
Wir haben im Wahlprogramm eine klare Grundlage, von einigen gibt es daran | |
Kritik. Es ist legitim den Kurs einer Partei in Frage zu stellen, aber am | |
Ende wird es bei uns demokratisch auf dem Parteitag entschieden. Deshalb | |
stellen wir unseren Kurs in der Flüchtlingspolitik noch einmal zur | |
Abstimmung. Ich werde dann dem Votum folgen und denke, dass alle in | |
Führungspositionen gut beraten sind, dem Parteitag diesen Respekt entgegen | |
zu bringen. | |
Sie rechnen damit, dass Ihre Position „offene Grenzen“ durchkommt. Es gibt | |
ja keinen Gegenantrag, der eine restriktivere Flüchtlingspolitik fordert. | |
Das finde ich verwunderlich. Wenn man monatelang öffentlich so grundlegend | |
die Flüchtlingspolitik der Partei kritisiert, warum man dann nicht auf dem | |
Parteitag eine inhaltliche Alternative zur Abstimmung stellt. | |
Wenn der Parteitag dem Leitantrag zustimmt – ist der Streit um die | |
Flüchtlingspolitik in der Linken dann beigelegt? | |
Ich werde dafür werben zu sagen: Wir ziehen unter alle Auseinandersetzungen | |
der Vergangenheit einen Strich. Das Vergangene ist vergangen. Wir haben | |
gemeinsam um eine linke Zukunft zu kämpfen. Und wir haben eine gemeinsame | |
Aufgabe und die lautet: gemeinsam mehr werden. | |
Wieso kann die Linke derzeit so wenig von den eigentlich guten Umständen – | |
die SPD am Boden, linke Themen im Aufwind – profitieren? | |
Wir profitieren doch, aber natürlich noch längst nicht in dem Maße, wie wir | |
könnten. | |
Sie sind bei 10 Prozent. | |
Wir wachsen in der Mitgliedschaft und haben uns gut bei 10 bis 11 Prozent | |
stabilisiert. | |
Richten Sie sich auf diesem Niveau ein? | |
Nein, das war es noch lange nicht. Wenn nach dem Parteitag alle ihre | |
Energie darauf konzentrieren, in der Öffentlichkeit über die Stärken | |
unserer Partei zu sprechen, dann können wir die Linke größer und | |
wirkungsmächtiger machen. Es gibt verschiedene Beispiele, die deutlich | |
machen, dass wir auch zahlenmäßig mehr können. In Berlin sind wir stärkste | |
Partei, in Thüringen stellen wir einen Ministerpräsidenten, der weit über | |
die Landesgrenzen als Stimme des Ostens bekannt ist, in Bremen sind wir der | |
SPD dicht auf den Fersen, in Frankfurt/Oder gibt es einen linken | |
Ober-Bürgermeister, in Frankfurt/Main hat Janine Wissler ein großartiges | |
Wahlergebnis erzielt, selbst in grünen Hochburgen. | |
Die Linke gewinnt in den Städten und verliert auf dem Land, welche | |
Schlussfolgerung ziehen Sie daraus? | |
Das stimmt nicht, denn Thüringen besteht nicht nur aus Städten. Auch in | |
Sachsen-Anhalt liegen wir inzwischen wieder deutlich vor der AfD. Im | |
ländlichen Raum gibt es ein besonderes Problem, dem muss man sich stellen. | |
Dort beherrschen die Nazis viel stärker die Marktplätze. Und wenn man sich | |
in Bautzen mit linken Jugendlichen unterhält, sagen die: Wer als bekannter | |
Linker über den Platz geht, wird an guten Tagen angepöbelt, an schlechten | |
Tagen angegriffen. Die Dominanz der Nazis ist ein echtes Problem, das auch | |
gerade junge Linke in die Städte treibt. | |
Nazis gab es ja schon in den 90ern gerade im Osten. Trotzdem war der Osten | |
damals eine Hochburg Ihrer Partei, die heute bröckelt. | |
Ich glaube für den Osten müssen wir Folgendes zusammenbringen. Eine | |
widerständige Grundhaltung mit der klaren Ausstrahlung verbinden: Wir | |
wollen anpacken und ganz pragmatisch was verändern. Bodo Ramelow steht für | |
diesen Ansatz. | |
Mehr Ramelow in der Linkspartei? | |
Im Osten gilt auf jeden Fall: mehr Ramelow wagen. | |
Die Diskussion, wie ein Einwanderungskonzept aussehen kann, hat gerade | |
begonnen. Wann wird sie denn geführt? Auf dem Parteitag ja nicht. | |
Deutschland ist Einwanderungsland: Wie aber sieht ein künftiges linkes | |
Leitbild der Migration aus? Dazu wollen wir uns weiter verständigen. | |
In der Satzung heißt: „Kein Parteiamt soll länger als acht Jahre durch | |
dasselbe Parteimitglied ausgeübt werden.“ Ist das Ihre letzte Kandidatur | |
als Parteivorsitzende? | |
Ich trete jetzt an. Die nächsten zwei Jahre werden voller Arbeit sein und | |
was danach kommt, entscheiden wir gemeinsam mit der Partei. | |
Auf dem Parteitag gibt es wieder einen Tanzabend? | |
Ja. | |
Gehen Sie hin, egal wie die Wahlen ausgehen? | |
Auf jeden Fall, ich habe schon die Tanzschuhe eingepackt. | |
6 Jun 2018 | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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