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# taz.de -- Künstliche Photosynthese: Heiliger Gral der Energietechnik
> Forscher setzen auf die künstliche Photosynthese. Die
> Wissenschaftsakademien fordern den Bau von industriellen Testanlagen.
Bild: Vorbiild Natur: Zellstruktur eines Laubmooses – im Zellinneren, in den …
Das Rauschen der Bäume im Wind hört sich für manche Naturforscher und
Energietechniker an wie das Summen virtueller Maschinen: Chemieanlagen und
Kraftwerke, die im Sonnenschein saubere Energie und Rohstoffe liefern. Die
Photosynthese gilt im Bereich der erneuerbaren Energien heute noch als
„heiliger Gral“: wissenschaftlich verstanden, aber technisch-wirtschaftlich
noch nicht anwendbar.
Mit einem neuen [1][Papier zur „Künstlichen Photosynthese“] wollen die
deutschen Wissenschaftsakademien einem Leitvorhaben der Energiewende einen
Anstoß in Deutschland geben. „Gelänge eine großtechnische Anwendung der
Künstlichen Photosynthese, so ließen sich die vom Menschen verursachten
CO2-Emissionen spürbar eindämmen, da weniger fossile Ressourcen gefördert
und verbrannt werden müssten“, heißt es in der 84 Seiten umfassenden
Stellungnahme, die in der vorigen Woche in Berlin vorgestellt wurde.
Verfasst hat sie eine interdisziplinäre Gruppe aus Mitgliedern der Akademie
für Technikwissenschaften Acatech, der nationalen Wissenschaftsakademie
Leopoldina und der Union der deutschen Länder-Wissenschaftsakademien.
Zentrale Aussage des Papiers ist es, vom Fundament der Grundlagenforschung
jetzt zu großtechnischen Modellen und Testanlagen vorzustoßen. „Es gibt
zwar beachtliche Forschungserfolge in Teilschritten der Künstlichen
Photosynthese, die wir teilweise sogar effizienter als die Natur
beherrschen“, beschreibt der Leiter des Akademien-Projekts, Matthias Beller
vom Leibniz-Institut für Katalyse in Rostock, die Lage auf
wissenschaftlicher Seite. „Bis zum Einsatz in großem Maßstab ist es jedoch
noch ein weiter Weg“, so Beller. „Was unter anderem fehlt, ist eine
stärkere Integration der Grundlagenforschung und die Verbindung mit
industrieller Forschung.“
Einen wichtigen Unterschied zwischen Natur und Menschentechnik hebt das
Akademien-Papier hervor: „Während in der biologischen Photosynthese die
Energie des Sonnenlichts von Pflanzen, Algen und Bakterien genutzt wird, um
aus Kohlendioxid und Wasser Biomasse zu produzieren, werden in der
Künstlichen Photosynthese Produkte wie Wasserstoff, Kohlenmonoxid, Methan,
Methanol oder Ammoniak, aber auch komplexere Substanzen erzeugt, die
fossile Brenn- und Rohstoffe ersetzen können.“ Diese energiereichen Stoffe
könnten dann transportiert, gespeichert und anschließend als Energie oder
chemische Rohstoffe genutzt werden.
Auf wissenschaftlicher Seite sollten die isolierten Erfolge einzelner
Gruppen zusammengeführt werden. Noch wichtiger sei die
Anwendungsorientierung: „Darauf aufbauend sollte die Künstliche
Photosynthese in großtechnischen Pilot-Anlagen zur Marktreife gebracht
werden“, schlägt das Papier vor. Das Vorbild für die Kooperation von Uni
und industrieller Forschung sind die vor einigen Jahren eingerichteten
„Kopernikus-Projekte für die Energiewende“. In sie hat das
Bundesforschungsministerium 400 Millionen Euro für zehn Jahre investiert.
Eines der Kopernikus-Projekte („Power-to-X“) beschäftigt sich mit dem
Speicherproblem der erneuerbaren Energien.
## Gesellschaftliche Akzeptanz
Einen Schwerpunkt legen die Akademien auch auf die gesellschaftliche
Akzeptanz der neuen Energietechnik. Für Uwe Schneidewind, Präsident des
Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt, Energie, verkörpert die Künstliche
Photosynthese „ein Innovationsfeld, das Natur- und Innovationsdiskurs in
guter Weise miteinander verbinden kann“. Zu den neuen Elementen
nachhaltiger Technik zählen für ihn das Lernen von der Natur als Kompass
für chemische Entwicklung, die Idee des Katalysators sowie die Chance
dezentraler und resilienter Energieversorgung.
„All das sind nur einige der positiv aufgeladenen Wahrnehmungen, die sich
mit der künstlichen Photosynthese verbinden“, erklärte Schneidewind bei der
Vorstellung der Studie. Hier sollten Wissenschaft und Industrie, so seine
Empfehlung, „noch viel aktiver den aktiven Austausch mit der
Zivilgesellschaft und Umweltorganisationen suchen“.
Aus Sicht des Wuppertal-Chefs wäre es auch „reizvoll gewesen, wenn […] den
politisch-institutionellen und auch kulturellen Potenzialen dieses
Technologiefeldes mehr Aufmerksamkeit geschenkt“ worden wäre. Sein Institut
beschäftigt sich derzeit mit der Entwicklung einer „Zukunftskunst“, die
einen „Vierklang“ von Wissenschaft, Technik, Politik und Kultur in
komplexen Transformationsprozessen zusammenbinden will.
27 May 2018
## LINKS
[1] https://www.leopoldina.org/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung/press…
## AUTOREN
Manfred Ronzheimer
## TAGS
Leopoldina
Energiewende
Bakterien
Schwerpunkt Atomkraft
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