# taz.de -- Viel effektiver als Solarzellen: Fotosynthese aus dem Labor | |
> Nach dem Vorbild der Pflanzen könnte eine neue Form der Energiegewinnung | |
> funktionieren. Forscher an der TU Berlin wollen sie nachbauen. | |
Bild: Jede kleinste Pflanze kann Fotosynthese. Menschen bald auch? | |
Mit ihr begann vor rund drei Milliarden Jahren auf unserem Planeten das | |
Leben, so wie wir es heute kennen - und zwar als biochemischer Vorgang. | |
Gemeint ist die Fotosynthese. Hoch komplex werden bei diesem Prozess Wasser | |
und Kohlendioxid unter Sonneneinwirkung umgewandelt. Das Resultat: Es | |
entstehen Sauerstoff und Glukose, beide wichtige Ausgangsstoffe für die | |
Entstehung weiterer Lebensformen. Zudem entsteht während der Verwandlung | |
Energie, weil Wasserstoff freigesetzt wird - eben darauf richtet sich | |
derzeit der Blick der Forschung. Bisher aber ist die Fotosynthese nur grob | |
entschlüsselt; wichtige biochemische Details entziehen sich der Erkenntnis | |
und gelten als noch unbekannt. | |
Das soll sich bald ändern. Athina Zouni, Leiterin des | |
Max-Volmer-Laboratoriums der Technischen Universität (TU) Berlin, kann nach | |
dreizehn Jahren Forschung handfeste Erfolge vermelden. Im Verein mit | |
anderen Forschergruppen, etwa von der Freien Universität Berlin, startete | |
sie eine kleine Revolution, nämlich die naturgetreue Abbildung sowie die | |
dynamische Nachzeichnung der exakten Vorgänge der Fotosynthese. Ziel des | |
Unterfangens: die Herstellung sogenannter Fotosynthesezellen, die mit | |
herkömmlichen Solarzellen vergleichbar sind und Sonnenenergie gewinnen. Der | |
Vorteil der neuartigen Transformatoren gegenüber denen aus der Fotovoltaik | |
liegt in der Energieausbeute: Sie soll, statt nur 30 bis 40 Prozent, nahezu | |
100 Prozent betragen. | |
Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Geschafft wurde immerhin etwas, | |
das Mitte der 90er-Jahre noch als unmöglich galt: die Ortung und | |
Darstellung der zellinternen Fotosynthese-Abläufe. Laut Zouni ist dabei ein | |
Metallkomplex zentral: Er besteht aus 4 Mangan- und 1 Calcium-Atom und | |
findet sich in einem Protein namens "Fotosystem II". Das Metall gilt als | |
Schlüssel zur Fotosynthese: "Alle Lebewesen, die zur Fotosynthese fähig | |
sind, tragen das Mangan in sich", sagt Zouni. | |
Die "niedrigsten" Lebewesen, die das tun, sind Blaualgen. Ihr Name ist | |
trügerisch: Es handelt sich nicht um Meeresalgen, sondern um Bakterien: | |
Cyanobakterien. Diese werden von Zounis Team in einem Bioreaktor bei 56 | |
Grad Celsius gehegt und gezüchtet, um anschließend das Fotosystem II, das | |
manganhaltige Protein, zu extrahieren. Die daraus gezüchteten Kristalle | |
werden mittels massiver Röntgenstrahlung vermessen. Dabei handelt es sich | |
um einen stark gebündelten und fokussierten Röntgenstrahl, der auf den | |
Metall-Cluster einwirkt. | |
Auf den Röntgenbildern findet man die räumliche Anordnung der Moleküle. | |
Allerdings: "Was uns noch fehlt, ist eine Hochauflösung der Struktur des | |
Proteins", gibt Zouni zu. Denn man weiß zwar, dass sich zwischen den | |
Mangan- und dem Calciumteilchen Sauerstoffatome befinden, mindestens fünf. | |
Aber: "Wir kennen die genauen Abstände noch nicht." Auch die vorhandenen | |
Wasserstoffatome, die ja den Energiegewinn garantieren, sind derzeit noch | |
nicht sichtbar - "wir arbeiten aber daran", so die Biophysikerin. | |
Immerhin gelang es, die Spaltung der Wassermoleküle aufzuzeigen. Und es | |
kann verhindert werden, dass sich Sauerstoff und Wasserstoff sofort wieder | |
verbinden. Es müssen nur noch die exakten Standorte sowie die kanalartigen | |
Bewegungen des Sauerstoffs, der Wasserstoffprotonen und der Elektronen aus | |
dem Umfeld des Moleküls erkannt und dargestellt werden. Das Problem: Die | |
starke Röntgenstrahlung verändert den Mangankomplex, die Abstände zwischen | |
den Atomen stimmen nicht mehr. | |
In Berkeley, Stanford (USA), kooperiert ein Forscherteam mit den Berlinern | |
und versucht eine weniger destruktive, schwächere Strahlung: die | |
polarisierte Röntgenabsorption. Schließlich soll das Röntgenbild nur die | |
Struktur zeigen und nicht die Schäden, die angerichtet wurden, um es zu | |
bekommen. Aus dem exakten Abbild mit den kompletten Daten erschließt man | |
die Dynamik, also die Bewegung der Teilchen. "Da sind wir gerade dabei. Um | |
den gesamten Prozess zu verstehen, ist das wichtig", betont Athina Zouni. | |
Erst dann könne man den Mangan-Cluster biochemisch im Labor nachbilden. | |
So sollen die effizienten Fotosynthesezellen entstehen. Wie groß die | |
Apparate sein werden, welches Format sie haben und ob sie wirklich grün | |
sein werden - die Verwendung von Chlorophyll als Lichtfangstoff legt das | |
nahe -, all das ist noch offen. Dafür ist bereits an eine Nebennutzung | |
gedacht, denn auch um aus Pflanzenresten Energiequellen zu machen, taugt | |
das Mangan-Modell. | |
In vereinfachter Ausführung wurde kürzlich sogar ein "Mini-Solarkraftwerk" | |
vorgestellt: von der Penn State University auf einem Kongress in Boston, | |
USA. Sie verwendeten Karotinoide, die rötlichen Farbstoffe aus Blättern, | |
und spalteten Wasser in einem Zentrum aus Iridiumoxid statt aus Mangan. | |
Damit erwischten sie aber nur die letzten Stufen der Fotosynthese, weshalb | |
die Ausbeute recht gering war. "Mangan hat den Vorteil, viele | |
Oxidationsstufen zu haben", weiß Athina Zouni, die sich in ihrer | |
naturgetreuen Versuchsanordnung mit dem Mangan-Cluster bestätigt sieht. | |
Eine exakte Prognose aber, wann Fotosynthesezellen-Produkte den Markt der | |
Sonnenenergie ergänzen, mag sie nicht abgeben. Aber: "Ich bin mir sicher, | |
dass wir es erleben werden." | |
21 Feb 2008 | |
## AUTOREN | |
Gisela Sonnenburg | |
## TAGS | |
Leopoldina | |
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