# taz.de -- Grünen-Chefin über Kohlekommission: „Die Klimakrise wartet nich… | |
> Dass die Opposition in der Kohlekommission nicht vertreten ist, findet | |
> Annalena Baerbock empörend. Über einige Mitglieder freut sich die Grüne | |
> aber auch. | |
Bild: „Für den Klimaschutz ist entscheidend, jetzt in den Kohleausstieg einz… | |
taz: Frau Baerbock, wenn nicht wieder in letzter Minute etwas | |
dazwischenkommt, setzt das Kabinett an diesem Mittwoch endlich die | |
Kommission ein, die ein Konzept für den Kohleausstieg entwickeln soll. Die | |
Oppositionsfraktionen sind aber anders als zunächst geplant nicht dabei. | |
Sind Sie enttäuscht? | |
Annalena Baerbock: Ich finde, das ist eine Missachtung des Parlaments. Das | |
besteht ja nicht nur aus den Regierungsfraktionen. Die Opposition hätte auf | |
jeden Fall berücksichtigt werden müssen. | |
Offenbar sollte verhindert werden, den Klimawandelleugnern der AfD eine | |
Bühne zu bieten und ihnen zu ermöglichen, die Arbeit der Kommission zu | |
behindern. Finden Sie diese Sorge nicht nachvollziehbar? | |
Nein. Wenn man die komplette Opposition ausschaltet, weil man die AfD nicht | |
dabeihaben will, dann ist das eine Schwächung des gesamten Parlaments und | |
auch des Klimaschutzes. Im Bundestag schaffen wir es ja auch, mit ihnen | |
umzugehen, etwa durch klare Redezeitbegrenzung. | |
Die Grünen sind ja – im Gegensatz zu Linken und AfD – zumindest indirekt in | |
der Kommission vertreten. Versöhnt Sie das etwas? | |
Nachdem die Stimme des Klimaschutzes zunächst gar nicht richtig vorkam, ist | |
es gut, dass nach massivem Druck von den Umweltverbänden und uns nun | |
etliche Akteure drin sind, die in Richtung Strukturwandel in den Regionen | |
und Versorgungssicherheit auf Grundlage des Pariser Klimaabkommens denken. | |
Darunter für den NRW-Landesverband Erneuerbare Energien auch Reiner | |
Priggen, der als Grüner schon seit Jahrzehnten den Steinkohleausstieg in | |
Nordrhein-Westfalen maßgeblich begleitet hat. Das ist gut so, denn es | |
braucht alle Klimaschützer dieses Landes, um die Kommission noch zu retten. | |
Ein weiteres Mitglied ist Gunda Röstel, die Ende der 90er Grünen-Chefin war | |
und später Wasser-Lobbyistin wurde. Haben Sie zur Ihrer Amtsvorgängerin | |
noch Kontakt? | |
Sie ist Grünen-Mitglied, wurde aber meines Wissens von der Bundesregierung | |
in ihrer Funktion als kaufmännische Geschäftsführerin der Stadtentwässerung | |
Dresden benannt. | |
Ein wichtiges Thema der Kommission wird es sein, Geld zu verteilen. Wie | |
sollten die 1,5 Milliarden Euro, die der Bund zur Verfügung stellen will, | |
Ihrer Meinung nach eingesetzt werden? | |
Dieses Geld darf nicht bei den Konzernen landen, sondern es muss gezielt | |
für den Strukturwandel eingesetzt werden. Es sollte in die Regionen gehen, | |
vor allem in die Lausitz, wo Industrie ja nicht an jeder Ecke zu finden | |
ist. Die Energiewirtschaft hat dort immer eine wichtige Rolle gespielt, und | |
sie kann das auch in Zukunft spielen, aber in anderer Form. Die | |
Erneuerbaren sind dort schon vertreten. Zuliefererfirmen orientieren sich | |
um in Richtung Speicher. Die müssen unterstützt werden. Der nächste Schritt | |
wäre jetzt, dort etwa Projekte für Batteriezellforschung anzusiedeln. | |
Nun wird nicht jeder Kumpel, der bisher Braunkohle abgebaggert hat, in | |
Zukunft Batterien erforschen können. Was wird aus denen? | |
Klar, für den einzelnen Beschäftigten ist ein solcher | |
Transformationsprozessnicht einfach. Deswegen müssen die Perspektiven für | |
die Beschäftigten auch eine zentrale Rolle spielen. Wobei man sagen muss, | |
dass insgesamt in der Region vor allem Fachkräfte fehlen. Tausende von | |
kleinen und mittelständischen Unternehmen finden keine Nachfolger. | |
Nichtsdestotrotz leben direkt von der Kohle dort 8.000 Menschen, mit | |
Zulieferern sind es ungefähr 20.000. Von den Kohlebeschäftigten geht ein | |
nicht unerheblicher Teil in den nächsten in Rente. Ein weiterer Teil wird | |
in der Tagebausanierung arbeiten können – derzeit sanieren wir schließlich | |
noch immer die Tagebaue der DDR. Ähnlich wie bei den Zulieferern wird zudem | |
gerade innerhalb des Unternehmens über eine komplette Neuausrichtung als | |
Energiekonzern diskutiert. | |
Langt das? | |
Darüber hinaus wäre ein Staatsvertrag für die Lausitz sinnvoll, ähnlich wie | |
damals als die Hauptstadt von Bonn nach Berlin verlegt wurde. Es geht hier | |
nicht nur um Arbeitsplätze. Sondern das Gefühl, nicht abgehängt zu werden. | |
Entsprechend sollte sich der Bund verpflichten, in der Region zu | |
investieren. Für das Leben, Arbeiten und Gestalten in der Region ist | |
beispielsweise die Bahnstrecke von Berlin nach Cottbus und weiter nach | |
Dresden essentiell. Die ist bisher in Teilen eingleisig. In vielen Gegenden | |
dort gibt es kein schnelles Internet. Und natürlich kann man auch | |
festlegen, Bundesbehörden dorthin zu verlegen oder auszuweiten – etwa die | |
Bundesknappschaft, die dort jetzt schon eine Zweitstelle betreibt. | |
Neben den Mitgliedern gab es auch um die Aufgabenstellung der Kommission | |
Streit. Wie finden Sie das Ergebnis? | |
Ich hätte das Mandat komplett anders geschrieben. Die Ziele – also wie viel | |
CO2 die Kohlekraftwerke bis wann einsparen müssen – hätte die Politik im | |
Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen vorher gesetzlich festlegen müssen. | |
Dann hätte sich die Kommission darauf konzentrieren können, wie das | |
sozialverträglich und vor allem regional verteilt im Sinne der | |
Versorgungssicherheit umgesetzt werden kann. Stattdessen soll das nun alles | |
die Kommission regeln und die Bundesregierung drückt sich vor ihrer | |
politischen Verantwortung. Aber das ist nun vergossene Milch. | |
Was fehlt Ihnen genau? | |
Das Mandat sagt, man soll Pläne für 2030 entwickeln, und fordert ein | |
Enddatum für die Kohlenutzung. Für den Klimaschutz ist aber entscheidend, | |
jetzt in den Kohleausstieg einzusteigen, denn CO2 sammelt sich in der Luft. | |
Es gibt nur noch ein begrenztes Budget an CO2, das wir ausstoßen dürfen. | |
Wenn die Kraftwerke bis 2030 einfach so weiterlaufen wie bisher und wir | |
unser Budget schon jetzt aufbrauchen, verschärfen wir die Klimakrise | |
massiv. Da hilft uns dann kein Enddatum mehr. Statt eines Strukturwandels | |
käme es zum Bruch. Daher muss man sich nun unverzüglich in der Kommission | |
darauf verständigen, vor 2020 Kohleblöcke vom Netz zu nehmen, so wie wir | |
das in den Jamaika-Verhandlungen gefordert hatten. | |
Damals hatte die Union ja der Stilllegung von 7 Gigawatt Kohlekapazität | |
zugestimmt. Liegt das Problem demnach eher bei der SPD? | |
Wir hatten das mit allem, was wir hatten, gegenüber der Union erkämpft, und | |
mir ist unbegreiflich, warum die SPD das nicht ähnlich wie auch bei | |
anderen Themen zur Grundlage ihrer Verhandlungen gemacht hat. Und die CDU | |
hat ohne grünen Druck auch nicht daran festgehalten. Das zeigt, dass es in | |
beiden Parteien nicht genug Akteure gibt, für die Klimaschutz eine zentrale | |
Rolle spielt. Und daher kämpfen wir jetzt so massiv dafür, dass die | |
Kommission über ihr Mandat hinauswächst. Denn die Klimakrise wartet nicht, | |
bis wir in Deutschland mit dem Kohleausstieg zu Potte kommen. | |
6 Jun 2018 | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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