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# taz.de -- Verfassungsreform in Kuba: Schon lange nicht mehr zeitgemäß
> Funktionäre sollen Kubas Verfassung den neuen Realitäten anpassen.
> Politisch wird sich dadurch nichts ändern, ökonomisch vielleicht.
Bild: Insbesondere Kubas Wirtschaft braucht einen neuen Rahmen, auch rechtlich
Berlin taz | Im April 2016 hatte sie Raúl Castro auf dem VII. Parteitag
schon angemahnt, nun hat Kubas Parlament sie auf den Weg gebracht: die neue
Verfassung. Am Samstag wurde eine Sonderkommission mit 33 Mitgliedern unter
Vorsitz von Parteichef Raúl Castro und Staatschef Miguel Díaz-Canel mit der
Novellierung des aus dem Jahr 1976 stammenden Textes betraut. Der
Kommission gehören Funktionäre der Partei, des Staats- und Ministerrates,
der Provinzen und verschiedener Gremienorganisationen an.
Die Überarbeitung ist überfällig, wie Präsident Miguel Díaz-Canel in seiner
Rede an die Abgeordneten klarstellte. Die Verfassung beziehe sich auf
historische Gegebenheiten und ökonomische und soziale Verhältnisse, die
sich im Laufe der Zeit gewandelt hätten, so der 58-Jährige. Dabei griff er
ein Zitat von Raúl Castro auf und führte als Beispiel die 2011 vom 6.
Parteitag der kommunistischen Partei Kubas (PCC) verabschiedeten Leitlinien
an.
Die passen schlicht nicht mehr zum Verfassungstext, denn 1976 war an
private Restaurants und Cafés genauso wenig zu denken wie an
Dollartransfers auf die Insel sowie private Zimmervermietung. Auch die
Anstellung von Mitarbeitern ist in der derzeit noch gültigen Verfassung
nicht vorgesehen. Da ist es schlicht verboten „Einkommen zu erzielen, indem
die Arbeitskraft anderer ausgebeutet wird“.
Auch die Genossenschaften, die zumindest in der Theorie als dritte Säule
der Inselökonomie aufgebaut werden sollen, sind laut Verfassung nur in der
Landwirtschaft vorgesehen. Folgerichtig sind die in den letzten Jahren von
den Behörden abgesegneten Genossenschaften in anderen Sektoren der
Wirtschaft wie im öffentlichen Nahverkehr oder im Dienstleistungsbereich
nicht verfassungskonform.
## Der neue Privatsektor hofft auf verbindlichen Rechtsrahmen
Natürlich soll an den Grundfesten wie dem politischen Modell und der Rolle
der kommunistischen Partei nicht gerüttelt werden, auch an Pressefreiheit
ist nicht zu denken. Das hat Miguel Díaz-Canel in seiner kurzen Ansprache
an die rund 600 Abgeordneten klar gemacht. Allerdings könnte die
ökonomische Reformagenda der Lineamientos, der Leitlinien, die 2011 auf
dem Parteitag verabschiedet wurde, Verfassungsrang erhalten, was der
stagnierenden Implementierung dieser Leitlinien neue Dynamik verleihen
könnte.
Auch die Beschränkung auf zwei Amtsperioden, für die sich Raúl Castro stark
gemacht hat, sowie eine Altersbeschränkung für politische Ämter könnte in
die Verfassung aufgenommen werden, wird in Havanna spekuliert. Die beiden
Comandantes der Revolution, der gerade 87 Jahre alt gewordene Raúl Castro
und sein gleichaltriger Kollege José Ramón Machado Ventura, die der
Kommission angehören, muss das ja nicht mehr tangieren.
Erwartet wird auch, dass größere Rechte für Homo- und Transsexuelle in der
Verfassung verankert werden,. Für die engagiert sich die Tochter Raúl
Castros, Mariela, ebenfalls Abgeordnet, seit Langem.
Insgesamt soll die Novelle die neuen kubanischen Realitäten widerspiegeln.
Dazu gehört auch der Privatsektor mit rund 550.000 offiziell registrierten
Selbständigen. Die hoffen auf einen verbindlichen rechtlichen Rahmen und
sind von der seit August 2017 währenden Aussetzung der Erteilung von neuen
Lizenzen, den sogenannten patentes, verunsichert. Die Erwähnung von
kleineren und mittleren privaten Betrieben in der Novelle hätte somit
Signalcharakter.
Als relativ sicher gilt zudem der Parteizeitung Granma zufolge, dass die
Rolle des Parlaments gestärkt werden soll. In der Realität könnte das
darauf hinauslaufen, dass es häufiger als die derzeit üblichen zweimal im
Jahr tagt und mehr Kompetenzen erhält. Das wäre, so heißt es, im Sinne des
überaus präsenten neuen Präsidenten.
5 Jun 2018
## AUTOREN
Knut Henkel
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