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# taz.de -- Die Wahrheit: Jungfrau mit Kind
> Irland lag im 7. Jahrhundert mit den Brehon-Gesetzen vorn. Damals hieß
> es: Ein Nein der Frau, die sich auch scheiden lassen konnte, war ein
> Nein.
Bild: Sieht fast wie eine satanische Messe aus, ist aber nur die Anbetung eines…
Irland ist im Mittelalter angekommen. Vor Kurzem haben die Irinnen und Iren
per Referendum entschieden, Abtreibung in ihrem Land künftig zu erlauben.
Frauenorganisationen frohlockten, man habe das Mittelalter endlich hinter
sich gelassen, während die katholische Kirche ihre Schäfchen zur Beichte
aufforderte, falls sie mit Ja gestimmt hatten.
Frauenorganisationen und Klerus liegen falsch. Im Mittelalter nahmen die
irischen Heiligen selbst Abtreibungen vor. Das geht aus zeitgenössischen
Biografien hervor. Der heilige Ciaràn zum Beispiel hatte ein Mädchen
gerettet, das von einem regionalen Herrscher entführt und schwanger
geworden war. Ciarán drückte ihr ein Kreuz auf den Bauch, und die Sache war
erledigt. Der heilige Cainnech wiederum segnete den Bauch einer Nonne, die
nach „heimlicher Unzucht“ in anderen Umständen war, und „das Baby
verschwand spurlos aus ihrer Gebärmutter“, heißt es in seiner Biografie.
In den Bußbüchern des siebten Jahrhunderts wurde eine Abtreibung, die nicht
Heilige vornahmen, als minderschweres Vergehen gewertet. Den Frauen wurde
nur ein Viertel der Strafe auferlegt, mit der ehebrechende Männer belegt
wurden. Hatte der Sünder dabei auch noch Oralsex, musste er fünf Jahre
büßen, im Wiederholungsfall sogar sieben Jahre.
Im Bußbuch von Vinnian aus dem sechsten Jahrhundert steht explizit, dass
eine Nonne nach einem Schwangerschaftsabbruch ganze sechs Monate lang nur
von Wasser und Brot leben müsse. „Wenn sie aber das Kind bekommt und ihre
Sünde offensichtlich ist, muss sie sechs Jahre büßen.“ Danach stufte man
sie wieder als holde Jungfrau ein. Jungfrau mit Kind?
Pfaffen kamen bei Vinnian nicht so leicht davon. Hatte einer von ihnen
heimlich Sex, musste er ein Jahr lang mit Wasser und Brot auskommen. Zeugte
er sogar ein Kind und brachte es nach der Geburt um, musste er nicht nur
drei Jahre fasten und danach drei Jahre auf Wein und Fleisch verzichten,
sondern er wurde auch sieben Jahre ins Ausland geschickt. Wenn er das Kind
nicht getötet hatte, blieb die Strafe dennoch dieselbe. Aber seine Sünde
war geringer.
Mit dem Abtreibungsreferendum hat Irland nun einen wichtigen Schritt zurück
ins Mittelalter getan. Jetzt gilt es, den nächsten Schritt zu wagen. Es
muss einen Volksentscheid geben, um die Brehon Laws wieder einzuführen. Das
ist die altirische Form der Zivilrechtsprechung, die erstmals im siebten
Jahrhundert niedergeschrieben wurde.
Und sie war in weiten Teilen fortschrittlicher als das, was die Engländer
der Grünen Insel nach der Besetzung im zwölften Jahrhundert aufzwangen.
Frauen waren gleichberechtigt; Männer mussten bei der Eheschließung eine
Mitgift zahlen; es gab Gütertrennung; Frauen konnten sich scheiden lassen,
wenn der Mann zu fett für den Geschlechtsakt wurde; ein Nein der Frau
bedeutete Nein, und der Mann wurde bestraft, wenn er es ignorierte. Darüber
hinaus schützten die Brehon-Gesetze Natur und Umwelt. Und es gab keine
Polizei. Zurück ins Mittelalter!
4 Jun 2018
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
Irland
Schwerpunkt Abtreibung
Mittelalter
Upskirting
Frauen-WM 2019
Irland
Irland
Schwerpunkt Paragraf 219a
Schwerpunkt Abtreibung
Hotel
Boris Johnson
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