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# taz.de -- Zum Heiraten nach Dänemark: „Auf welcher Seite des Bettes schlaf…
> Jana* hat ihren Freund Ato* geheiratet, damit er in Deutschland bleiben
> kann.
Bild: Vielser? Da lang: Standesamt im dänischen Tondern.
Ehe ist eigentlich nicht so mein Lebensmodell, aber für Ato und mich ging
es um sein Bleiberecht. Ich habe lange überlegt, ob nicht jemand anders an
Stelle von mir Ato heiraten sollte. Denn wenn es mal knatscht in der
Beziehung, kann die formale Ehe sehr belastend sein – für ihn hängt
schließlich der Aufenthaltstitel dran. Er könnte denken, es dürfe keinen
Streit geben, oder er dürfe Sachen nicht ansprechen, die ihn stören, um die
Harmonie nicht zu gefährden.
So entsteht ein subtiles Machtverhältnis. Es steht immer die Frage im Raum:
Was ist, wenn man auseinandergeht? Bei EU-Bürgern ist das anders. Für sie
hängt vielleicht das Lebensglück von der Ehe ab, nicht aber der Aufenthalt.
Wir haben uns dann entschieden, dass die Beziehung die eine Sache ist und
die Ehe eine andere, eine formale, die auf einem anderen Blatt Papier
steht.
Warum ich Ato dann doch selbst geheiratet habe, hängt damit zusammen, dass
es eben auch heikel ist, öffentlich als Paar aufzutreten, wenn der eine
Partner für die Ausländerbehörde mit jemand anderem verheiratet ist. Auch
für die andere Person, die offizielle Ehepartnerin meines Freundes, wäre es
dann schwierig, öffentlich mit ihrem Freund unterwegs zu sein. Auch das
würde die Beziehung belasten.
## Als Tourist in der EU
Weil Ato einen italienischen Aufenthaltstitel hatte, durfte er sich in der
EU als Tourist bewegen. Der Aufenthaltstitel aus einem EU-Land ist auch
Voraussetzung für eine Heirat in Dänemark. Leute, die aus der Illegalität
heraus heiraten wollen, müssen sich hier erst offiziell registrieren.
Theoretisch hätten wir auch in Deutschland heiraten können, da mein Mann
alles hatte. Du brauchst eine Geburtsurkunde, die Ledigkeitsbescheinigung,
den Aufenthaltstitel oder Personalausweis, auch seinen Reisepass hatte er
noch. Damit kann man hier zum Standesamt gehen und ’ne Hochzeit beantragen.
Was dann allerdings passieren kann, ist, dass sie die
Ledigkeitsbescheinigung überprüfen lassen, das kostet so um die 300 Euro.
Dafür schicken sie die Urkunde in das Herkunftsland, wo dann jemand zur
ausstellenden Behörde geht und das überprüft.
Die Ledigkeitsbescheinigung darf nicht älter als drei Monate sein. Es kann
sein, dass sie da rumprüfen und dann kommt das Ding irgendwann zurück und
ist abgelaufen, und dann geht’s von vorne los. Das ist nicht so selten.
Wenn man da keine Freunde oder Verwandten hat, die sich kümmern können,
oder das Land im Kriegszustand ist, und du keine arbeitenden Behörden hast,
ist das schwierig.
Dänemark macht diese Überprüfung nicht. Da akzeptieren sie auch, wenn du
vor einem Notar und einem Zeugen schwörst, dass du nicht verheiratet bist.
Deutschland würde das nie akzeptieren.
## Schneller heiraten auf Ærø
Wir sind also nach Dänemark gefahren, und zwar nach Ærø, das ist so ’ne
kleine Ferieninsel. Die Standesämter in Dänemark haben unterschiedliche
Auflagen, wie lange man in der Gegend bleiben muss. Wenn man zum Beispiel
in Kopenhagen heiraten will, muss man zwei Wochen in der Stadt bleiben. Auf
Ærø muss man nur eine Nacht bleiben. Wir haben das über eine Heiratsagentur
gemacht, die findet man im Internet. Denen schickt man die Papiere und die
reichen alles ein, dann muss man nicht zweimal hinfahren.
Auf Ærø gibt’s ein Mal pro Woche Termine wie am Fließband für
internationale Hochzeiten. Da werden dann so 30 Paare unterschiedlichster
Herkunft getraut, das dauert jeweils 15 Minuten und dann „the next one
please“. Am gleichen Abend sind wir zurückgefahren.
Aber glaub’nicht, dass dann alles geregelt ist! Dann musst du mit der
Hochzeitsurkunde zur Ausländerbehörde und den Aufenthalt beantragen. Dafür
musst du nachweisen, dass der Partner irgendwie Unterhalt bekommt, in
unserem Fall ging das über mich und mein Einkommen, denn erst wenn er den
Aufenthalt hat, kann er ja arbeiten oder Sozialleistungen beantragen.
Ato hat sechs Wochen später den Aufenthalt bekommen, aber erst mal nur für
drei Monate, innerhalb derer er den Deutschtest auf A1-Niveau ablegen
sollte. Als wir nach der Zeit wieder bei der Ausländerbehörde waren, um den
Aufenthalt zu erneuern, war der Kurs noch nicht vorbei. Die
Sachbearbeiterin meinte, er müsse nach Italien ausreisen, um den Kurs da
fertig zu machen. Dagegen haben wir Widerspruch eingelegt und innerhalb der
ganzen Fristen war dann auch der Kurs zu Ende.
## Ehe muss „gelebt werden“
Jetzt bekommt er den Aufenthalt immer nur für ein halbes Jahr. Nach drei
Jahren Ehe könnte er die Niederlassung beantragen, das wäre dann
unbegrenzt. Dafür muss er ein gesichertes Einkommen vorweisen, Deutsch auf
B1-Niveau sprechen, und die Ehe muss „gelebt werden“. Wenn die
Ausländerbehörde daran zweifelt, befragen sie die Partner getrennt. Sie
fragen so was wie „Auf welcher Seite des Bettes schlafen Sie, wer steht
zuerst auf, wer macht Frühstück?“
Absurd ist auch, dass die Ausländerbehörde wissen will, ob man zusammen
wohnt, und wenn man das nicht tut, bekommt man gegebenenfalls Ärger, dann
versuchen sie die ganze Zeit rauszufinden, ob es um eine Scheinehe geht.
Aber nach deutschem Recht müssen die Ehepartner nicht den gleichen Wohnsitz
haben: Eine Ehe ist eine Ehe, auch wenn einer in Hamburg gemeldet ist und
der andere in Berlin. Für Partnerschaften mit Nicht-EU-Bürgern gilt das
aber offenbar nicht so richtig.
*Namen geändert
Den ganzen Schwerpunkt der taz nord über das komplizierte Heiraten von
Menschen nichtdeutscher Herkunft und dänische Orte, die sich auf derlei
spezialisiert haben, lesen Sie in der taz am Wochenende am Kiosk oder
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26 May 2018
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## AUTOREN
Katharina Schipkowski
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Dänemark
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Ehe und Familie
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