# taz.de -- Hochzeit auf spanisch: Mein Vater, der Zeuge | |
> Die spanischen Behörden können bei einer Eheschließung kompliziert sein: | |
> Sie wollen wissen, ob man die Ex-Frau des Partners ermordet hat. | |
Bild: Ohne Zeuge keine Hochzeit: Das spanische Konsulat macht strikte Vorgaben | |
HANNOVER taz | Zwischen uns und unserer Hochzeit stand nur noch ein | |
Wortungeheuer: Certificado de Capacidad Matrimonial. Auch auf deutsch | |
klingt es nicht romantischer: Ehefähigkeitszeugnis. Ein solches nämlich | |
mussten mein spanischer Verlobter und ich beim spanischen Konsulat | |
beantragen und schnellstmöglich den deutschen Behörden überbringen. Ohne | |
dieses Stück Papier kein Ja-Wort. So einfach ist das. Der deutsche Staat | |
will sicher gehen, [1][dass im Heimatland des ausländischen | |
Heiratswilligen] nichts gegen die Ehe spricht – ein Mord zum Beispiel. | |
Der bürokratische Aufwand fühlt sich sinnlos an. Warum soll ein | |
überarbeiteter Beamter im spanischen Konsulat entscheiden dürfen, ob ich | |
und mein Freund, mit dem ich schon neun Jahre zusammen bin, heiraten | |
dürfen? Was für eine Willkür! Und widerspricht es nicht sogar dem | |
Gleichbehandlungsgrundsatz in der EU? | |
Arbeitnehmer aus anderen Mitgliedsstaaten dürfen nicht anders behandelt | |
werden als Einheimische. Das Gleiche gilt für ihre Familien, wenn sie | |
nachgezogen sind. Aber beim Heiraten wird plötzlich wieder alles | |
übertrieben bürokratisch. Da gibt es den Passus mit dem | |
Ehefähigkeitszeugnis – für das zusätzlich eine beglaubigte Abschrift aus | |
dem Geburtenregister und eine Meldebestätigung eingereicht werden müssen. | |
So schwer kann es doch nicht sein, einen EU-Bürger zu heiraten! Vorteile | |
wie eine Aufenthaltserlaubnis bekommen wir wegen dieser Ehe jedenfalls | |
nicht. | |
## Ein Portrait des Königs an der Wand | |
Aber alles Murren hilft nichts. Wir vereinbaren einen Termin beim Konsulat | |
in Hamburg. Wir wohnen zwar in Hannover, dort gibt es aber keine spanische | |
Vertretung mehr. Die weiße Villa im Hamburger Stadtteil Rotherbaum ist von | |
außen wesentlich imposanter als von innen. Hinter einer wandgroßen | |
Glasscheibe erstreckt sich ein Großraumbüro. An einer Wand hängt einsam ein | |
Portrait von König Felipe VI. im Anzug. Auf den Schreibtischen stapeln sich | |
Akten. Auf einem der Stühle im Wartebereich vor der großen Scheibe sitzt | |
mein Vater. | |
Das ärgert mich. Nicht, dass er dort sitzt. Sondern, dass er dort sitzen | |
muss. Er ist extra angereist an diesem Morgen, weil die Spanier sich von | |
einem Außenstehenden bezeugen lassen wollen, dass Daniel und ich wirklich | |
ein Paar sind. Es hätte nicht der Vater der Braut sein müssen – so | |
patriarchal ist auch der spanische Staat nicht. Aber wer hat schon mitten | |
in der Woche Zeit, um nach Hamburg zu fahren und Auskünfte über das | |
Liebesleben eines Angehörigen zu geben? Mein Vater glücklicherweise, der | |
ist Rentner – und jetzt dran. | |
Getrennt von uns ruft ihn eine leicht missmutig dreinblickende | |
Konsulatsmitarbeiterin auf. Ein Sicherheitsmann öffnet von innen die Tür, | |
die hinter die Glasscheibe führt. Mein Vater wird gefragt, ob er Gründe | |
sieht, die gegen eine Ehe sprechen. Offensichtlich nicht. Keine fünf | |
Minuten später kommt er wieder durch die Tür und steckt seinen Perso zurück | |
ins Portemonnaie. | |
Daniel und ich dürfen zusammen eintreten. Der Mitarbeiterin ist anzumerken, | |
dass sie die Belehrungen schon sehr, sehr oft aufgesagt hat. Damit ich | |
alles verstehe, spricht sie auf Deutsch. Neben ihr liegt das spanische | |
bürgerliche Gesetzbuch, der Código Civil. | |
Sie belehrt uns: Verwandte in einer geraden Blutslinie dürfen nicht | |
heiraten. Brüder und Schwestern, Eltern und Kinder. Gleiches gilt für | |
Verwandte dritten Grades. Heiraten dürfe zudem nur, wer ledig sei. Dann | |
werden wir getrennt voneinander befragt. Es ist kein Verhör. Die | |
Schreckensszenarien, von denen wir vorher gehört hatten, treffen bei uns | |
nicht zu. Die Sachbearbeiterin stellt keinerlei intime Fragen. | |
## Keine Lust zu diskutieren | |
„Gehen Sie die Ehe freiwillig ein?“, will sie wissen. Ich bejahe. Die | |
Frage, ob wir verwandt seien, kann ich locker verneinen. Dann aber stutze | |
ich. „Gibt es gegen Sie ein rechtskräftiges Urteil, weil Sie an dem Tod des | |
vorherigen Ehegatten ihres Partners für schuldig erklärt wurden?“, fragt | |
mich die Beamtin. Das ist [2][einer der drei Ausschlussgründe], die das | |
Código Civil gegen eine Eheschließung hat. Mir schießen Gedanken in den | |
Kopf: Wenn ich zwar Daniels frühere Frau ermordet hätte, aber aus Mangel an | |
Beweisen frei gekommen wäre, könnte ich ihn heiraten? Und prüfen die meine | |
Aussage noch mal nach? Wenn ja, hätten sie doch einfach gleich in ihre | |
Datenbanken gucken können. | |
Ich merke der Sachbearbeiterin an, dass sie keine Lust hat, das mit mir | |
auszudiskutieren und verneine. Das war es schon. Noch eine schnelle | |
Unterschrift, dann kann mein Verlobter zurück an den kleinen | |
Besprechungstisch zwischen den Schreibtischen ihrer Kollegen treten. | |
Darüber, ob unsere Namen im Konsulat ausgehängt werden, damit jemand | |
Einspruch gegen unsere Hochzeit erheben kann, sagt sie nichts. Vor ein paar | |
Jahren, als meine Schwägerin geheiratet hat, war das noch üblich. Ich hätte | |
es entwürdigend gefunden. | |
So aber klappt unsere Sachbearbeiterin nur die Mappe mit unseren Dokumenten | |
zu und verabschiedet sich freundlich. Das ganze war kurz und schmerzlos. | |
Eine reine Formsache, die man ebenso gut per Post hätte klären können. | |
Der Brief mit dem Ehefähigkeitszeugnis kam dann rápido. Deutsche oder | |
spanische Behörden stehen der Hochzeit nun nicht mehr im Weg. | |
Der Artikel ist Teil eines Schwerpunktes [3][zum Thema „Ehe | |
international“]. Die Autorin hat mittlerweile geheiratet und heißt nun | |
nicht mehr Andrea Scharpen sondern Andrea Maestro. | |
6 Jun 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__1309.html | |
[2] http://civil.udg.es/normacivil/estatal/CC/art/a0047.htm | |
[3] /!5506703/ | |
## AUTOREN | |
Andrea Maestro | |
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Abschiebung | |
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