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# taz.de -- Iranisches Filmfestival in Berlin: Hinter der streng behüteten Fas…
> In Berlin beginnt am Mittwoch die erste Auflage des Iranischen
> Filmfestivals. Es rückt besonders starke Frauen in den Vordergrund.
Bild: Viele Frauen leben unter schwierigen Bedingungen im Iran – das Filmfest…
Für einen Außenstehenden ist es schwierig, einen Einblick in die iranische
Gesellschaft zu bekommen. Ausländischen Journalist*innen ist es nur unter
strengen Auflagen erlaubt, überhaupt einzureisen – eine unabhängige
Berichterstattung findet nicht statt. Dabei gibt es so viele Geschichten
und Gesichter des Irans. Eben deshalb sind Filmemacher*innen, die ein wenig
hinter die so streng behütete Fassade schauen, so essenziell für die
Repräsentation iranischer Gesellschaft und Kultur im Ausland.
Iranische Filmfestivals in Deutschland, wie sie sich in München und Köln
bereits etabliert haben, können dazu beitragen. In Berlin findet jetzt die
erste Auflage des Iranischen Filmfestivals statt, präsentiert in den
Hackesche Höfe Kinos in Mitte. Bereits der Eröffnungsfilm „Delighted“ vom
Filmemacher Abdolreza Kahani ist brisant und, ob gewollt oder nicht,
politisch.
Der Film, der bereits 2016 fertiggestellt wurde, lief bisher noch in keinem
Kino. Im November 2017 hatte „Delighted“ erstmals in einem Kino im
kanadischen Toronto laufen sollen, Kahani sagte die Vorführung jedoch
unmittelbar davor hab. Wie kurze Zeit später bekannt wurde, war der
Regisseur vom Ministerium für Kultur und islamische Führung in Teheran
unter Druck gesetzt worden. Sie sollen ihm gedroht haben, dass er für
seinen nächsten Film keine Vorführerlaubnis erhielte, würde er die
Vorstellung nicht absagen.
Nun wird „Delighted“ erstmalig auf dem Iranischen Filmfestival in Berlin
laufen. Drei junge Frauen, die zwar auf der Suche nach heiratswilligen und
reichen Männern sind, aber noch etwas unverfänglichen Spaß haben wollen –
diese Geschichte, die mit stereotypen Genderrollen und dem konservativen
Frauenbild bricht, verstand das Ministerium in Teheran wohl als
Provokation. Sowieso sind starke, feministische Frauenrollen in einigen
Filmen des Festivals nicht zu übersehen.
## Großes Gefühlskino
Da ist zum Beispiel die Schauspielerin Hediyeh Tehrani, die in „No Date, No
Signature“ von Vahid Jalilvand eine abgeklärte, kühle Ärztin spielt und
sich nicht weigert, ihrem Vorgesetzten Widerwort zu geben und ihn zu
konfrontieren. Eigentlich steht in dem Film aber der forensische Pathologe
Kaveh Nariman (Amir Aghaei) im Vordergrund. Eines Abends wird er von einem
Auto gerammt, sodass er wiederum ein Moped von der Straße drängt, auf dem
Mann und Frau mit ihren beiden Kindern sitzen.
Obwohl der schuldbewusste und hilfsbereite Nariman sofort anhält und auf
den ersten Blick nichts Schlimmeres geschehen ist, hat er zwei Tage später
eine schreckliche zweite Begegnung mit dem kleinen Sohn der Familie – der
Achtjährige wird tot ins Krankenhaus eingeliefert. Der Schmerz der Eltern,
der Schock Narimans und die gegenseitigen Schuldzuweisungen der
involvierten Personen untereinander machen „No Date, No Signature“ zu
großem Gefühlskino.
Das liegt neben den unglaublich berührenden Darsteller*innen auch an der
ruhigen Kameraführung und den langen Standaufnahmen, die die Emotionen in
den Gesichtern der Schauspieler*innen eindrucksvoll in Szene setzen. Die
Ruhe ist bedrückend und an manchen Stellen beinahe gruselig. All das fügt
sich in dem melodramatischen Verlauf des Filmes geschickt zusammen.
Ebenfalls emotional und erschreckend zugleich ist der Handlungsverlauf von
„Untaken Paths“ der Regisseurin Tahmineh Milani. Auch hier ist die
Hauptfigur eine zunächst nach Unabhängigkeit strebende und mutige Frau,
Mali (Mahoor Alvand), die gegen den Willen ihrer Familie einen Mann
heiratet, der bald ihre Hoffnungen und Träume auf eine bessere Zukunft
zerstört. Einst selbstbewusst und unerschrocken, wird Mali Teil einer
Familie, in der häusliche Gewalt seit Generationen an der Tagesordnung ist.
## Starke Frauenfiguren
Trotz der Demütigungen, die sie erfährt, versucht sie für ihre Rechte
einzustehen, Rechte, die zwar auf Papier gültig, faktisch aber nichts wert
sind. „Untaken Paths“ ist ein Film, der vielleicht gerade wegen seiner
Längen an der ein oder anderen Stelle den Teufelskreis, in dem sich Opfer
häuslicher Gewalt zumeist befinden, umso schmerzlicher erscheinen lässt.
Ein sowohl moderner als auch feministischer Blick auf die iranische
Gesellschaft in der Hauptstadt Teheran gelingt derweil Negar Azarbayjani
bravourös mit „Season of Narges“. Komisch und ernsthaft zugleich
porträtiert sie unterschiedliche Frauen mit ihren alltäglichen Problemen,
deren Geschichten zunächst nicht zusammenzugehören scheinen.
Während man zu Beginn bei den sprunghaften Szenenwechseln noch rätselt, was
wer mit wem zu tun haben soll, ergibt sich tatsächlich erst in den letzten
Minuten des Filmes das ganz große Bild – überraschend, faszinierend und
nachdenklich machend zugleich.Langsam laufen die Erzählstränge ineinander,
trotzdem bleibt bis zum Ende unklar, was noch passieren wird. Die Metaebene
des Films, die sich dann offenbart, zeigt das erzählerische Talent der
45-jährigen Regisseurin.
Es sind nur vier von elf Langfilmen – doch stehen sie wohl exemplarisch
dafür, was iranische Filmemacher*innen, trotz regelmäßiger Repressionen
seitens der Regierung, alles zur Kultur des Landes beitragen.
30 May 2018
## AUTOREN
Mirjam Ratmann
## TAGS
Iranisches Kino
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