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# taz.de -- Diskussion um Quote: Zeit für mehr Ossis
> Ostdeutsche sind in Spitzenpositionen unterrepräsentiert. Über Ursachen
> und Lösungen machte sich „Die Zeit“ mit ihren LeserInnen in Leipzig
> Gedanken.
Bild: Quote für Ostdeutsche ganz oben? „Die Zeit“ ließ abstimmen
LEIPZIG taz | Nein, damit hatte nun wirklich keine rechnen können: Gleich
bei der ersten Publikumsbefragung sind die einer Ost-Quote nicht
abgeneigten grünen Stimmkarten nicht in der erwarteten deutlichen Unterzahl
– sondern stehen fast pari mit den roten Gegenstimmen. Und dann sagt Reiner
Haseloff auch noch: „Es wäre für die Westdeutschen nicht gut, wenn sie
bleiben, wie sie sind.“
Die Wochenzeitung Die Zeit hatte zur Diskussion geladen – und in
Hamburg-Winterhude hätte sich der Saal spätestens nach dem Spruch des
sachsen-anhaltischen Ministerpräsidenten vermutlich deutlich geleert. Doch
die Zeit hat schon seit Längerem den Osten entdeckt, legt dort eigens eine
Zeit im Osten bei und hatte nach Leipzig geladen. Man blieb also brav
sitzen in der Aula der Uni und beriet, ob es sie braucht, die Quote für
Ostdeutschland. „Das geht bis in VIP-Listen irgendwelcher Veranstaltungen
hinein, auf denen wir schlicht nicht draufstehen“, quatschte sich Haseloff
haarscharf am Thema vorbei, denn darum ging es so direkt natürlich nicht.
Doch klar bleibt: Ossis sind republikweit unterrepräsentiert, wenn es – mit
Ausnahme der Politik – um die höheren Positionen und Posten im Staate und
erst recht in der freien Wirtschaft geht – Medien inklusive.
Für diesen Part stand MDR-Intendantin Karola Wille vorne neben Haseloff.
Disclaimer: Ich war 2016/17, als Wille als Vorsitzende den Sack West-Flöhe
namens ARD zu hüten hatte, ihr Sprecher. Und genau um die Rolle
beziehungsweise Verantwortung der öffentlich-rechtlichen Medien ging es,
weshalb Haseloff auch noch mal sein „Die Öffentlich-Rechtlichen sind
Westfernsehen geblieben“ intonierte. Leider hat er damit mehr als ein
bisschen recht, womit wir wieder auf dem Zeit-Hometurf Hamburg wären,
diesmal allerdings eher in Lokstedt. Dass es in den übergreifenden
ARD-Strukturen wie „ARD aktuell“ (HH-Lokstedt) oder beim Hauptstadtstudio
relativ gesehen deutlich zu wenige Menschen mit Ostbiografie gibt, geht
auch Karola Wille gegen den Strich.
## Angleichung dauert zu lange
Sie immerhin hat’s geschafft, mit enormem persönlichem Einsatz und gegen
bei der Veranstaltung ein bisschen zu deutlich verschwiegenen Widerstand.
„Es war nicht Quote, sondern in den Gremien des MDR schon die bewusste
Entscheidung, jemandem aus dem Osten zu nehmen“, erinnerte sich Haseloff an
Willes erste Wahl 2010 und vergaß dabei, dass sich dafür zuvor eine
komplette Wessi-Mannschaft um die damals tonangebende sächsische
Staatsregierung durch allzu ungeniertes Durchregieren-Wollen in den Orkus
schießen musste.
Wie dem auch sei: Die Angleichungen zwischen Ost und West dauern zu lange,
nicht nur bei ARD und ZDF. Wenn der Osten nur als Hüter schlimmer
Gesinnungen präsent ist, prägt das nun mal das Bild. Und man vergisst
glatt, dass die AfD in Hessen gegründet wurde und auch in Bayern
zweistellig ist. „Der Aufstieg der Ostdeutschen findet nicht statt, obwohl
es ihn gibt“, fasste Professor Lars Vogel von der Uni Leipzig das Dilemma
zusammen: „Man erlebt ihn nicht mit – und als Konsequenz sagen die
Menschen: Das klappt nicht.“
Die Quote, so Vogel, könnte also helfen – auch wenn ihr Wille und Haseloff
schon aus formaljuristischen Gründen kaum Chancen einräumten. Den kleinen
Wermutstropfen der Veranstaltung steuerte Vogel auch noch bei: „Eliten
rekrutieren sich aus sich selbst.“
Und die waren auch überwiegend gekommen, um mit sich selbst zu diskutieren.
Ob man Verständnis haben dürfe für die Wut, die eher mal nicht im Saal
vertreten war, fragte die von der Zeit-Stiftung-Stiftung und der Uni
Leipzig mit veranstaltete Runde denn auch noch. Ähnliches hatte die
Zeitschon mit Blick auf Dresden jüngst debattiert. Die Antwort auch hier
ein mehrheitliches „Ja“, was die Zeitwohl auch mit Blick auf ihre
bürgerlichen OstleserInnen ganz okay fand. Denn natürlich war der Abend ein
Stückchen Marketing in eigener Sache. Von dem sich die
Öffentlich-Rechtlichen übrigens gern mal inspirieren lassen dürfen.
24 May 2018
## AUTOREN
Steffen Grimberg
## TAGS
Medien
Quote
Die Zeit
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Ostdeutsche und Migranten
Lesestück Meinung und Analyse
Öffentlich-Rechtliche
Lesestück Interview
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