# taz.de -- Parteitag der FDP: Wieder eine One-Man-Show | |
> Christian Lindner plädiert auf dem Parteitag der Liberalen für mehr | |
> Europa und mehr Frauen in der FDP. Nach seiner Rede leert sich der Saal. | |
Bild: Betont die liberale Außenpolitik: Christian Lindner | |
BERLIN taz | Was wäre FDP ohne Christian Lindner? Vor seiner | |
eineinhalbstündigen Rede auf dem Bundesparteitag der Liberalen war es | |
permanent unruhig im Saal: als die Parteivize Marie-Agnes Strack-Zimmermann | |
sprach ebenso wie bei den Reden der Spitzenkandidaten für die Wahlen in | |
Bayern und Hessen. Nach Lindners Rede strömten Delegierte und Gäste in | |
Scharen aus dem Saal. Lindner, das ist noch immer: die FDP als | |
One-Man-Show. | |
Um die Freien Demokraten ist es [1][seit dem Scheitern von Jamaika] ruhiger | |
geworden. Die liberale Opposition interessiert wenig, wenn sich die Große | |
Koalition streitet, die Grünen eine neue Parteispitze haben und die AfD auf | |
Krawallkurs ist. Lindners Antwort auf dem Parteitag war eine Rede, in der | |
er die Außenpolitik nach vorne stellte. Wir sind die Partei in der | |
Tradition Hans-Dietrich Genschers, die Deutschland verantwortlich führen | |
kann, hieß das. | |
„Wenn Deutschland sich nicht bewegt, wird sich auch in Europa nichts | |
bewegen“, sagte er. „Jetzt ist Leadership nötig.“ Merkel habe auf Macrons | |
Initiativen zu Europas Neustart nur vage reagiert: „Wenn Kohl und Genscher | |
1989 die gleiche Zögerlichkeit gehabt hätten wie Merkel heute, wäre es | |
nicht zur Deutschen Einheit gekommen. Es ist Zeit für das deutsche Ja zu | |
Europa“, sagte Lindner. | |
Vor allem die ökonomischen Initiativen Macrons wie ein eigenes Budget für | |
die Eurozone für Europa sieht die FDP immer noch kritisch. Lindner | |
befürwortete aber „ein europäisches FBI, einen EU-Haushalt mit Schwerpunkt | |
bei Zukunfstechnologien“ und eine gemeinsame Verteidigung im Rahmen der | |
Nato. | |
## Kontroverse zwischen Kubicki und Lindner | |
Im Vorfeld des Parteitages hatte vor allem die Kontroverse zwischen | |
[2][Parteivize Wolfgang Kubicki] und Lindner zur Russland-Politik für | |
Schlagzeilen gesorgt. Kubicki forderte die teilweise Aufhebung der | |
Sanktionen gegen Russland, während die FDP-Mehrheit und Lindner Russland | |
nur wieder in die G8 aufnehmen wollen. „Eine Konfrontation mit Russland | |
kann niemand wollen, aber genausowenig können wir Völkerrechtsbrüche | |
tolerieren“, sagte Lindner in Anspielung auf die Krim-Besetzung. „Wie in | |
Russland gedacht wird, zeigt die Verweigerung der Einreise für einen | |
anerkannten [3][Journalisten wie Hajo Seppelt].“ | |
Die Außenpolitiker der FDP würden von Kubickis Vorschlägen abraten, weil | |
das die Hardliner im Kreml stärken würde. Er sehe das auch so. Die von | |
Kubicki angestoßene öffentliche Kontroverse verteidigte Lindner aber: „Ein | |
Meinungsspektrum macht uns nicht schwach, sondern stark. Niemand der hier | |
eine am Ende unterlegene Meinung vertritt, ist am Ende beschädigt.“ Über | |
einen Antrag von Kubicki zur Russland-Politik soll später auf dem Parteitag | |
abgestimmt werden. | |
Zweites Thema: Frauen in der FDP. „Weil wir wachsen wollen, müssen wir bei | |
Frauen stärker werden. Denn es wählen uns mehr Männer als Frauen.“ Über | |
eine Quote für Vorstandsämter [4][denkt die FDP daher ergebnisoffen nach], | |
die Entscheidung soll zu einem späteren Zeitpunkt fallen. Dennoch sei dies | |
keine Anpassung an grüne Vorstellungen: „Grüne und Linke wollen tendenziell | |
jeden Unterschied zwischen Geschlechtern verwischen. Die FDP ist die | |
Alternative für Frauen, die selbstbestimmt leben wollen und die sich von | |
jeder Form der Gender-Ideologie freimachen wollen“, sagte er. | |
Die Grünen bekamen diesmal weniger als gewohnt ihr Fett ab – die nächsten | |
Jamaika-Verhandlungen in vier Jahren brauchen schließlich eine Entgiftung | |
des Verhältnisses zwischen Grünen und Liberalen. Dafür boten [5][die Feiern | |
zum 200. Geburtstag von Karl Marx] den willkommenen Punchingball: „Man kann | |
sich ja nur über Elogen auf Marx wundern. Haben wir vergessen, dass im | |
Namen von Marx Millionen Menschen in Unfreiheit gelebt haben. Das ist kein | |
Grund zu feiern. Ein Land, das sich mehr mit Karl Marx als mit Blockchain | |
beschäftigt, ist dabei den Anschluss zu verlieren.“ | |
## Gedämpfte Digitalisierungseuphorie | |
Das war das dritte Thema, wie schon bei den Parteitagen zuvor: die FDP als | |
Digitalisierungspartei. „Innovation Nation“, heißt das Parteitagsmotto | |
diesmal. „Unser Land ist dabei die Grundlagen für seinen zukünftigen | |
Wohlstand zu verspielen. Mit ‚Innovation Nation‘ stellen wir die | |
Wohlstandsfrage dieser Gesellschaft. Wir sehen, was für riesige Arbeitgeber | |
die Digitalkonzerne geworden sind. Also sorgen wir dafür, dass die | |
Arbeitsplätze bei uns entstehen.“ | |
Erstmals mischte sich aber auch deutliche Kritik in Lindners | |
Digitalisierungseuphorie: Das FDP-Plakat „Digital first, Bedenken second“ | |
sei wohl im Überschwang entstanden, [6][die Rede von Mark Zuckerberg vor | |
dem US-Kongress] eine Zäsur gewesen. Der Facebook-Gründer hatte dort | |
angekündigt, mit einer Software zukünftig Hasspostings auszusondern. „Was | |
macht es mit uns, wenn ein kommerzielles Unternehmen entscheidet, welche | |
Meinung wir äußern dürfen und welche nicht“, sagte Lindner. | |
Kritiken, der Liberalismus sei „auserzählt“, wies er zurück. „Liberalis… | |
war zu jeder Zeit die umfassende Antwort auf Unfreiheit. Wir brauchen kein | |
neues Narrativ“, schloss Lindner. Aber mehr Redner, die die eigenen | |
Delegierten im Saal halten können, braucht die FDP auf jeden Fall. | |
12 May 2018 | |
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## AUTOREN | |
Martin Reeh | |
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