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# taz.de -- Kunstversteigerung in New York: Alles nach Asien
> Christie's versteigert die Rockefeller-Sammlung. Für die Käufer zählt
> nicht nur das Renommee der Exponate – sondern auch das der Vorbesitzer.
Bild: Jussi Pylkkänen, Chef des Auktionshauses Christie’s, bei der Arbeit
New York taz | Der grüne Apfel war ursprünglich ein Trostgeschenk. Pablo
Picasso malte ihn für seine Unterstützerin Gertrude Stein und überreichte
ihn ihr zu Weihnachten 1913. Damals trauerte sie einem anderen Stillleben
mit Äpfeln nach, das von Cézanne stammte und das ihr Bruder, der im Streit
aus der gemeinsamen Pariser Wohnung ausgezogen war, mitgenommen hatte.
115 Jahre später hängt das Aquarell auf einer mit Stoff bezogenen Drehwand
am Kopfende eines Saals des Auktionshauses Christie’s in New York. Es ist
nur zwei Postkarten groß und aus den hinteren Reihen im Saal kaum zu
erkennen. Aber die potenziellen Käufer kennen den Apfel bereits aus
nächster Nähe. Denn in den zurückliegenden Monaten sind Vertreter von
Christie’s mit diesem und anderen Kunstwerken aus der Sammlung von Peggy
und David Rockefeller um die Welt gereist, um sie ausgewählten Milliardären
beim Essen im kleinen Kreis schmackhaft zu machen.
Ein paar Meter neben dem Aquarell lehnt sich Jussi Pylkkänen über den Rand
seines hölzernen Pultes, fährt mit seinem ausgestreckten Arm wie ein
Prediger über das Publikum von Multimillionären und Milliardären und sagt
die erste von vielen Zahlen dieses Abends: „800“. In diesem Kreis bedeutet
das: „800.000“.
Aus dem Saal und von abwesenden Käufern, die aus Asien, Europa und USA per
Telefon mit „Spezialisten“ des Auktionshauses verbunden sind, kommen in
Zweihunderttausend-Dollar-Schritten höhere Gebote. Die Leuchttafel hinter
dem Auktionator, die jedes neue Gebot in Dollar und fünf anderen Währungen
anzeigt, flickert aufgeregt hinterher. „Gebt mir 3,2 für diesen wunderbaren
Picasso“, sagt Pylkkänen. Bei 3,3 Millionen, wozu noch die 600.000 an
Kommission für das Auktionshaus kommen, haut er ein Hämmerchen mit der
linken Hand auf das Pult und biegt gleichzeitig die rechte Hand flach nach
oben.
## 646 Millionen Dollar
Damit ist das erste Geschäft des Abends nach weniger als zwei Minuten
besiegelt. Wenige Minuten später zahlt jemand für Gauguins „Die Welle“ 35
Millionen Dollar. Matisse’ „Odaliske mit Magnolien“ kommt für 80,8
Millionen unter den Hammer. Die Werke von sieben Künstlern, von denen die
meisten zu Lebzeiten bettelarm waren, erzielen neue Höchstpreise. Und viele
andere Werke kommen für weit mehr Geld als erwartet unter den Hammer. Am
Ende, als alle 44 Kunstwerke verkauft sind, lautet das Ergebnis: 646
Millionen Dollar. Mehr hat nie zuvor eine private Sammlung erbracht.
An diesem und an zwei weiteren Abenden der Woche versteigert Christie’s die
Rockefeller-Sammlung – Kunst des 20. Jahrhunderts, Möbel, Schmuck, goldene
Geldspangen, Salzstreuer und Porzellan – darunter ein auf 250.000 Dollar
geschätztes Geschirr von Napoléon, das am Mittwochabend für 1,8 Millionen
gekauft wird. Insgesamt rechnet das Auktionshaus mit Einnahmen bis zu
einer Milliarde Dollar vor Ende dieser Woche.
Doch trotz der sensationellen Zahlen bleibt die Stimmung in dem Saal
bedeckt. Schon lange vor dem Ende, als es an die Versteigerung eines Renoir
geht, der letztlich für nur 9 Millionen Dollar und damit 1 Million unter
seinem Schätzwert verkauft wird, verlassen die Ersten den Saal. Die
Anwesenden sind entweder Stammkunden oder Leute, die für diese Gelegenheit
für Christie’s offenlegen mussten, dass sie über die nötigen zweistelligen
Millionensummen auf ihren Konten verfügen. Doch von ihnen kommen kaum
Gebote. Die meisten laufen von außerhalb an den Telefonen der
„Spezialisten“ von Christie’s ein. Xin Li ist der Star unter ihnen.
## „Leben wie ein Rockefeller“
Mehrfach treibt die gebürtige Chinesin und Vizechefin von Christies
Asiengeschäft am Dienstagabend die Zahlen in die Höhe. Für ihre Kunden in
Asien ersteigert sie einige der teuersten Werke. Damit könnte für Bilder,
die in Europa entstanden sind und die das letzte halbe Jahrhundert in den
USA verbracht haben, ein Kontinentwechsel anstehen. Als Nächstes werden sie
möglicherweise in den Residenzen von chinesischen Milliardären
verschwinden. Offenbar haben die neuen Reichen dort den Geschmack der neuen
Reichen von der Mitte des letzten Jahrhunderts in den USA übernommen.
Die Werke, die an diesem Abend die besten Preise erzielen, verdanken das
nicht allein den Künstlern, die sie gemacht haben, sondern auch den
Sammlern, durch deren Hände sie gegangen sind. Für die größte
Wertsteigerung stehen dabei Werke, die zuerst an der Wand von Gertrude
Stein und nach ihrem Tod bei Rockefellers hingen. Als wären sie bei
Ersterer intellektuell, bei Letzterem finanziell geadelt worden. „Leben wie
ein Rockefeller“ war einer der Werbeslogans des Auktionshauses für das
Ereignis.
Der Vizechef des Aktionshauses, Jonathan Rendell, hat die Auktion zwar als
„Weltereignis“ angekündigt. Aber die Namen der Käufer erfährt die Welt
nicht. Als der letzte Hammer gefallen ist, empfängt Christie’s die
Journalisten zu einer Pressekonferenz in einem fensterlosen Raum. Es gibt
Häppchen und Champagner, Christie’s-Mitarbeiter verteilen Listen mit
Geldsummen in Dollar, Pfund und Euro. An den Wänden des Raums hängen vier
soeben verkaufte Gemälde. Allein mit ihnen hat das Auktionshaus in den
zurückliegenden Stunden rund 64 Millionen Dollar an Kommissionen verdient.
Doch wieder keine Euphorie: Liegt das daran, dass einige Favoriten des
Abends, darunter auch Picassos Mädchen, nicht über ihren Schätzwert
gekommen sind? Guilleaume Cerutti, der Chef von Christie’s, gibt sich
unbeeindruckt. „Wir haben das so erwartet“, versichert er, „das ist ein
großartiger Preis.“
11 May 2018
## AUTOREN
Dorothea Hahn
## TAGS
Kunstmarkt
Auktion
China
Kunst
Luxus
Vermögen
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