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# taz.de -- Debatte Rechtspopulistische Autor*innen: Worte als Werkzeug
> Der Schriftsteller*innenverband erwägt den Ausschluss von
> AfD-Mitgliedern. Es ist nötig, die Freiheit des Wortes zu beschränken, um
> sie zu bewahren.
Bild: Für die AfD und die Neue Rechte ist Sprache ein wichtiges Werkzeug im �…
Schriftsteller*innen haftet ja gern das Klischee an, romantisch zu sein.
Weniger romantisch dagegen ist, was gerade im Verband deutscher
Schriftstellerinnen und Schriftsteller in ver.di diskutiert wird:
AfD-Mitglieder sollen aus dem Verband ausgeschlossen werden. Aus Liebe zur
Freiheit soll die Freiheit beschränkt werden.
Bei der Gründungsversammlung des Schriftsteller*innenverbands 1969
konstatierte der kürzlich verstorbene Dieter Lattmann, dass „unter
Schriftstellern (…) der Sinn für Zusammengehörigkeit nicht sonderlich
ausgeprägt“ sei. Die „Einigkeit der Einzelgänger“ wagten die Kolleg*inn…
trotzdem. Zum Zweck, „die kulturellen, rechtlichen, beruflichen und
sozialen Interessen seiner Mitglieder zu fördern und zu vertreten sowie die
internationalen Beziehungen der Schriftsteller zu pflegen … (und) für die
Freiheit der Meinungsäußerung“ einzutreten.
Im Berliner Verband entbrannte kurz nach der Bundestagswahl eine Diskussion
um eine Unvereinbarkeit mit einer AfD-Mitgliedschaft. Der vergangene Woche
zum neuen Berliner Vorstand des Schriftsteller*innenverbands gewählte
Michael Wildenhain vertritt ebenso diese Position. Auch wenn der Antrag
knapp abgelehnt wurde, gibt seine Wahl die Richtung vor. Nun soll eine
Abstimmung auf Bundesebene erfolgen.
Die Gegner*innen des Antrags verweisen darauf, dass die CSU in Teilen
ebenfalls rassistisch und die AfD eine demokratisch gewählte Partei sei.
Durch einen Ausschluss von AfD-Mitgliedern werde die Meinungsfreiheit
beschränkt, ferner würden sich die AfDler im Falle eines Ausschlusses zu
Opfern gerieren, weshalb das Vorhaben schwierig umzusetzen sei.
Der Kampf um die Deutungshoheit
Warum ist eine solcher Beschluss dennoch nötig? Hans-Thomas Tillschneider,
kulturpolitischer Sprecher der AfD in Sachsen-Anhalt, forderte in einem
Fernsehinterview, Theaterstücke müssten „ein gutes Gefühl für deutsche
Geschichte hinterlassen“ – vermutlich ohne „eine einseitige Konzentration
auf zwölf Unglücksjahre“, wie es die Präambel des Wahlprogramms der AfD
Sachsen-Anhalt fordert.
So argumentiert die Neue Rechte, die – beispielsweise in Gestalt
Tillschneiders, der enge Kontakte zur rechtsextremen Identitären Bewegung
pflegt – in der AfD wiederzufinden ist. Dies kommt einer Verhöhnung der
Opfer des Dritten Reichs, einer Vorabzensur und einem verfassungswidrigen
Eingriff in die Kunstfreiheit gleich.
Für die AfD und die Neue Rechte ist Sprache ein wichtiges
(Manipulations-)Werkzeug im „Kampf um die Köpfe“. Kulturelle Hegemonie soll
erlangt werden, also eine Deutungshoheit über den Zustand einer
Gesellschaft und dessen Begrifflichkeiten. Das Werkzeug der
Schriftsteller*innen, Worte und Geschichten, sind hierfür ein bedeutsames
Instrument.
Rechtsextremist*innen bedienen sich Archetypen, wie sie auch in der
Literatur verwendet werden, in ihren Erzählungen, weil sich die
Rezipient*innen darin umgehend wiederfinden, damit identifizieren und der
Zugang zur Geschichte erleichtert wird. So verbreiten sie ihre Ideologie,
manifestieren sie Weltsicht. Einer ihrer häufigsen Archetypen ist der vom
„rückständigen Muslim“.
Manipulativer Einsatz von Worten
Im Moment der „Täter-Opfer-Umkehr“ dient die Sprache den Rechten dazu, sich
als Opfer zu gerieren – einer vermeintlichen linken Meinungsdiktatur, in
der man nicht einmal das N-Wort benutzen dürfe. Das von Rassismus
Betroffene die eigentlichen Opfer sind und nicht sie, die privilegierte,
weiße Mehrheit, wird hier mit Hilfe von Sprache ins Gegenteil verkehrt.
Dieses Argumentationsmuster – man darf ja heute gar nichts mehr sagen! –
käme vermutlich auch im Zuge eines Unvereinbarkeitsbeschlusses zum Tragen.
Trotzdem gilt es, eine rote Linie zu markieren. Und zwar dort, wo geistige
Brandstiftung geschieht, wo die Grenzen des Sagbaren verschoben werden.
Im Dritten Reich übernahmen sogar die Verfolgten die Sprache ihrer
Unterdrücker*innen. Heute fließen Wörter, anfangs noch in
Anführungszeichen, wie selbstverständlich in den Sprachgebrauch ein, wie
die Entmenschlichung Flüchtender als Naturkatastrophe, als
„Flüchtlingswelle“. Autor*innen, die derartige Wörter manipulativ
einsetzen – und damit auch gegen schutzbedürftige Kolleg*innen aus aller
Welt – verstoßen gegen die Satzung des Schriftsteller*innenverbands und
gegen die Menschenrechte.
Eben weil Sprache und Geschichten ein exorbitant relevantes
Propagandainstrument der AfD sind, werden deren Unterstützer*innen alleine
durch eine schriftliche Positionierung des Verbands dessen wichtige
Einflusssphäre und die damit verbundenen, jahrzehntelang gewachsenen
Strukturen nicht kampflos aufgeben.
AfD-Mitgliedern das Qualitätsmerkmal verwehren
AfD-Mitglieder stehen konträr zu einer solidarischen Kultur unter
Wortarbeiter*innen, unabhängig von ihrer Herkunft, und somit zur Satzung
des Verbands. Auch darum sollten sie nicht auf die Struktur, auf Gelder und
den Namen zurückgreifen oder sich damit tarnen können. Eine Mitgliedschaft
in einem Berufsverband für Schriftsteller*innen kann als Qualitätsmerkmal
und Zeichen für Weltoffenheit und fortschrittliches Denken gewertet und
damit von AfD-Mitgliedern als Etikett verwendet werden.
Außerdem wäre uneingeschränkter Zugriff auf Daten und Informationen aus der
Gewerkschaft wie Adressen und Einkünfte der Mitglieder eine mögliche Folge.
Eine Partei, die „rechtsradikal und in beträchtlichen Teilen inzwischen
rechtsextrem“ (Hajo Funke) ist, wird diese Informationen früher oder später
gegen politische Gegner*innen einsetzen.
Ein Unvereinbarkeitsbeschluss wäre ein deutliches Signal für die
Gesellschaft. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft hat es
vorgemacht. Auch wenn es schmerzt: Manchmal ist es nötig, die Freiheit des
Wortes zu beschränken, um sie zu bewahren.
18 May 2018
## AUTOREN
Leonhard F. Seidl
Leonhard Seidl
## TAGS
Schwerpunkt AfD
Meinungsfreiheit
Schriftsteller
Schwerpunkt Rassismus
Lesestück Meinung und Analyse
Glaube, Religion, Kirchenaustritte
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