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# taz.de -- Israels Reaktion auf Gewalt in Gaza: Vereinte Liste kritisiert Abst…
> Als die Welt auf die Toten im Gaza-Streifen schaute, feierten in Israel
> Tausende die ESC-Gewinnerin. Kritik an der Gewalt kommt nur von wenigen.
Bild: Netta Barzilai singt am Montagabend auf dem Izhak-Rabin-Platz in Tel Aviv
Tel Aviv taz | Als gäbe es keine Demonstrationen, keine Scharfschützen,
keine Toten im Gazastreifen. Kaum 70 Kilometer vom nördlichen Gazastreifen
entfernt feierten einige zigtausend Israelis am Montagabend in Tel Aviv die
diesjährige Eurovisionsgewinnerin Netta Barzilai. Junge Leute, Familien mit
kleinen Kindern, aber auch ältere Paare versammelten sich auf dem
Izhak-Rabin-Platz vor dem Rathaus, um ihre neue Heldin zu feiern und
fröhlich mit einzustimmen, als Barzilai ihren Titel „Toy“ anstimmte.
„Seht euch an“, rief Barzilai, die kein Wort über die Unruhen in den
Palästinensergebieten verlor, sondern stolz erklärte, wie sehr sie ihr Land
und ihre Mitbürger liebe. Ihr Sieg bei dem europäischen Wettbewerb war in
der gängigen Presse auch als Sieg [1][über die BDS-Bewegung] gewertet
worden, die per „Boykott, Delegitimisierung und Sanktionen“ international
gegen Israels Besatzungspolitik protestiert. Künstler, die an der
Eurovision teilnehmen wollen, müssen nächstes Jahr nach Israel kommen, ob
nach Jerusalem oder Tel Aviv ist noch offen. Noch kurz vor dem
Gesangswettbewerb fragte ein israelischer Journalist Barzilai, was sie
antworten werde, wenn man sie nach dem Konflikt fragt. „Konflikt? Was für
ein Konflikt?“, sagte sie.
Für die Knesset-Abgeordnete Ayda Touma Sleiman von der antizionistischen
Vereinten Liste steht Barzilai für eine „unverzeihliche Doppelmoral“, wenn
sie Stimme für die anderen sein soll, die Gewalt, die an „den anderen im
Gazastreifen“ verübt wird, dabei aber gänzlich unter den Teppich gekehrt
wird. Sleiman glaubt, dass die „Politik der Verängstigung, der Hetze und
des Hasses“ von Regierungschef Benjamin Netanjahu zu einer „Abstumpfung“ …
Volk führe. Dass Netanjahu „sich erlaubt, solche Order zu geben“, und die
in der Grenzregion postierten Scharfschützen dazu anhält, auf unbewaffnete
Demonstranten zu schießen, führt die Abgeordnete darauf zurück, dass es
„keine Opposition mehr im Land“ gibt. Politiker und Medien stellten sich
stets „auf dieselbe Linie“ mit dem Regierungschef.
Nächste Woche will die Vereinte Liste im Parlament diskutieren, was der
israelische Sicherheitsapparat hätte unternehmen können, um das
Blutvergießen zu verhindern. „Wir werden unsere gesamte Redezeit nutzen, um
das Thema ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen.“ Ihre Partei werde
eine Untersuchungskommission fordern, „damit die Leute kapieren, welche
Order die Soldaten hatten, und wie sie gegen die Demonstranten vorgegangen
sind“.
## Protest am Dienstag
Am Dienstagabend fanden landesweit vier kleine Demonstrationen statt, drei
davon in arabischen Ortschaften Israels und eine in Tel Aviv, wo einige
hundert jüdische und arabische Israelis für kurze Zeit die
King-George-Straße im Zentrum der Stadt blockierten. „Wir gehen zusammen
ohne Gewalt und ohne Angst“, riefen die Demonstranten und hielten Schilder
hoch, wie „Befreit das Getto Gaza“ und „Lieberman nach Den Haag“.
Der Verteidigungsminister Avigdor Lieberman steht hinter dem Schießbefehl.
[2][Auf Twitter] nannte er am Mittwoch die Hamas-Führung eine „Bande von
Kannibalen“.
Dov Khenin, Parteigenosse Sleimans in der Vereinten Liste, hielt im Verlauf
der Demonstration seine Mitstreiter dazu an, nicht aufzugeben. „Gerade in
Momenten wie diesen ist es so entscheidend, die andere Stimme zu Gehör zu
bringen.“ Die Gegner von Besatzung und Krieg wollen sich „nicht zum
Schweigen bringen lassen“.
Es sind die wenigen Demonstranten und die antizionistische Partei, die
gegen den Strom schwimmen. Die überragende Mehrheit der jüdischen Israelis
schiebt die Verantwortung den Palästinensern zu. Unter den Tageszeitungen
bleibt die linksliberale Haaretz allein kritische Stimme, während
Mainstreammedien den „Marsch der Dummen“ und [3][die „Hetze der Hamas zur
Gewalt“] kommentierten. Ravit Hecht schreibt in Haaretz, dass die Tel
Aviver Feiern am Tag der Unruhen in Gaza „Sache für einen Psychiater“
seien. Nur ein Fachmann könne erklären, wie eine so „ungeheure Verdrängung
möglich ist“. Hecht zitiert Barzilais Song: [4][„Ich bin nicht dein
Spielzeug“], heißt es dort. Tatsächlich seien die tanzenden Massen nichts
anderes: „Puppen, die blind auf die Katastrophe zusteuern.“
16 May 2018
## LINKS
[1] /!5501399
[2] https://twitter.com/avigdorliberman?lang=de
[3] /!5506186
[4] https://www.eurovision.de/videos/2018/Israel-Netta-Toy,israel778.html
## AUTOREN
Susanne Knaul
## TAGS
Israel
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