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# taz.de -- Jüdische Proteste für Gaza in New York: Mohnblumen für Palästina
> Die Gruppe Jewish Voice for Peace erinnert in Manhattan an die getöteten
> Palästinenser. New Yorks SenatorInnen scheuen vor Israel-Kritik zurück.
Bild: Eine Blume für jeden getöteten Palästinenser
New York taz | Das kleine Megaphon geht von einer Person zur nächsten. Jede
sagt den Namen [1][eines toten Palästinensers] in das Megaphon und legt
anschließend eine Mohnblume auf den Asphalt. Als sich nach wenigen Minuten
ein roter Hügel aus 111 Mohnblumen häuft, verstummt die Menschenmenge zu
einer Gedenkminute. Nur die Regentropfen, die auf Schirme klopfen, und das
Hupen der Autos, die im dichten Feierabendverkehr über die 3. Avenue
rollen, sind noch zu hören. „Wir werden Euch nicht vergessen“, sagt eine
junge Frau in das Megaphon, als sie das Schweigen beendet.
Zwei Tage, nachdem israelische Scharfschützen mehr als 50
PalästinenserInnen an der Grenze zu Gaza getötet und Hunderte weitere
verletzt haben, sind in New York ein paar Hundert jüdische
US-AmerikanerInnen zusammen gekommen. Am Mittwoch Abend in der Rush Hour
und im strömenden Regen gedenken sie der Opfer. Die meisten TeilnehmerInnen
sind jung, sie haben sich in schwarz gekleidet und sie sind so konzentriert
und in sich gekehrt, als handele es sich um eine private Zeremonie.
Aber die DemonstrantInnen wollen die politisch Verantwortlichen in Israel
und in den USA benennen. Und sie wollen das Kräfteverhältnis im Inneren der
jüdischen Community verändern. Und sie benutzen Slogans, die gegen die
Usancen von Jahrzehnten verstoßen. Darunter dieser: „Palästinenser haben
das Recht in ihre Heimat zurückzukehren“.
Die OrganisatorInnen von der Friedensgruppe „Jewish Voice for Peace“ (JVP)
haben die Kreuzung an der Ecke 48. Straße und 3. Avenue nicht zufällig
ausgewählt. Dort befinden sich die Büros der beiden SenatorInnen, die den
Bundesstaat New York in der US-Hauptstadt vertreten. Beide gehören zur
Demokratischen Partei. Aber keineR der beiden kritisiert die israelische
Gewalt in Gaza.
## „Schäm dich, Schumer!“
Die jüngere Senatorin, die Feministin und Menschenrechtlerin Kirsten
Gillibrand, schweigt bereits seit dem Beginn der neuen palästinensischen
Proteste und israelischen Gewalt vor sechs Wochen hartnäckig. Der ältere
Chuck Schumer, gegenwärtig der starke Mann der demokratischen Fraktion im
US-Senat, geht noch weiter. „Ich wollte die Botschaftsverlegung schon vor
zwei Jahrzehnten“, schrieb Schumer in einem Tweet, in dem er Donald Trump
gratulierte.
„Unsere sogenannten Vertreter“, nennt eine Rednerin die beiden
SenatorInnen. „Schäm Dich, Schumer“, steht auf einem Transparent. Andere
Transparente verlangen den sofortigen Stopp der US-Militärhilfe an Israel.
„Auf welcher Seite steht Ihr, Schumer und Gillibrand?“ singen die
DemonstrantInnen zu der Melodie eines alten Protestliedes.
Schumer, der bereits seit 1998 im Senat sitzt, ist einer der aggressivsten
Verteidiger israelischer Politik, ganz egal, wer dort an der Regierung ist.
Gillibrand ist ideologisch weniger festgelegt. Aber sie muss sich im
November erneut den WählerInnen in New York stellen und sie vermeidet, wie
Generationen von New Yorker PolitikerInnen vor ihr, im Vorfeld jede
Israel-Kritik.
New York ist nach Tel Aviv die Stadt mit der zweitgrößten jüdischen
Community der Welt. Und ihre traditionellen Organisationen stellen sich im
Zweifelsfall vor Israel. „Es gibt ein Dogma, wonach wir Israel unterstützen
müssen, weil wir sonst attackiert werden“, beschreibt die pensionierte New
Yorker Politikprofessorin Rosalind Petchesky.
## „Es ist gefährlich, von der Pro-Israel-Position abzuweichen“
In den letzten Jahren allerdings sind Risse in der Einheit der Community
aufgebrochen. Seit den Bombardements von Gaza im Jahr 2014 beobachtet die
75jährige Petchesky, dass immer mehr junge Leute auf Distanz zu den
traditionellen Positionen der Community gehen. Allein in der Friedensgruppe
JVP haben sich die Mitgliederzahlen im Jahr der Bombardements verdoppelt.
„Palästinenser sollten frei sein“, steht auf dem T-Shirt, mit dem Kenan
Jaffe zu der Demonstration gekommen ist. Der 34jährige Lateinlehrer glaubte
lange, dass alles, was Israels' Regierung tut, „gut für jüdische Leute
ist“.
Diese Überzeugung geriet erst in Bewegung, als er Palästinenser
kennenlernte und die unterdrückerischen Seiten Israels entdeckte. Heute ist
in der Boykottbewegung aktiv und war auch daran beteiligt, Senatorin
Gillibrand von ihrer Unterstützung für einen Gesetzentwurf abzubringen, der
Israel-Boykott unter Strafe stellt.
„Es fühlt sich gefährlich an, von der Pro-Israel-Position abzuweichen“,
beschreibt ein anderer Demonstrant. Jacob Friedman ist erst seit wenigen
Jahren bei der Friedensbewegung. 2015 nahm er, wie Hunderttausende junge
jüdische US-AmerikanerInnen, die Einladung zu einer kostenlosen
„Birthright“-Reise an, um Israel kennen zu lernen. Dort erfuhr der New
Yorker, dass Israel für ihn „Zuhause“ sei, aber von den Rechten der
PalästinenserInnen war keine Rede.
## Gegenüber: „Dank Gott haben wir Trump“
Ein Jahr später wurde Donald Trump, ein Mann, der in seinem Wahlkampf
antisemitische Stereotype benutzt hat, nicht nur US-Präsident sondern auch
der neue beste Freund von Netanjahu.
„Wir sind wütend“, beschreibt der 29jährige Friedman: „man hat uns
eingeredet, dass Unterstützung für Israels Regierung gleichbedeutend mit
Jüdischsein wäre“.
Wie groß der Druck bleibt, machen ein paar GegendemonstrantInnen deutlich.
Sie halten ein Transparent mit der Aufschrift hoch „Dank Gott haben wir
Trump“. Sie schwenken eine riesige israelische Fahne. Und jedes Mal wenn
die DemonstrantInnen eine Mohnblume für einEn der 111 seit März getöteten
PalästinenserInnen auf den Aspalt legen, skandieren sie laut dagegen,
„Israel ist die jüdische Heimat“.
17 May 2018
## LINKS
[1] /Gewalt-zwischen-Israel-und-Gaza/!5502846
## AUTOREN
Dorothea Hahn
## TAGS
Israel
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
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BDS-Movement
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Gaza-Krieg
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