# taz.de -- Beraterin zu Schwangerschaft und Kirche: „Es kann nie um Zwang ge… | |
> Nach Kritik von „Lebensschützern“ wurde die kirchliche | |
> Schwangerschaftsberatung eingestellt. Das übernimmt nun ein Verein, von | |
> dem sich die Kirche distanziert. | |
Bild: „Wir beraten nach dem Gesetz“: der Verein Donum Vitae | |
taz: Frau Waschbüsch, Ihr Verein Donum Vitae berät Frauen, die ungewollt | |
schwanger sind – und stellt auf Wunsch auch den Beratungsschein aus, den | |
diese für einen straffreien Schwangerschaftsabbruch brauchen. Der Verein | |
hat sich 1999 gegründet – als Reaktion auf eine Anweisung des Papstes. | |
Warum? | |
Rita Waschbüsch: Vor 1999 hatte die katholische Kirche genau wie die | |
evangelische ein breites Netz von Beratungsstellen im staatlichen System | |
aufgebaut. Dagegen gab es immer wieder Interventionen deutscher | |
Lebensrechtsgruppierungen in Rom. Durch Ausstellung der | |
Beratungsbestätigung sollen die deutschen Bischöfe angeblich an | |
Schwangerschaftsabbrüchen mitgewirkt haben. Auf Bitten des Papstes stieg | |
die katholische Kirche mit ihren fast 300 Beratungsstellen dann aus der | |
Konfliktberatung aus. Was die Bischöfe nicht mehr tun konnten, das wollten | |
wir als Laien, als getaufte Christen, leisten – mit einem bürgerlichen | |
Verein. Inzwischen haben wir bundesweit 212 Beratungsorte. | |
Donum Vitae bedeutet „Geschenk des Lebens“, der Verein trägt im Namen das | |
Ziel der „Förderung des Schutzes menschlichen Lebens“. Wie steht der Verein | |
zu Schwangerschaftsabbrüchen? | |
Der Schutz des Lebens steht im Gesetz und ist damit der Auftrag, der an | |
alle Beratungsstellen geht. Das ist kein Spezifikum für Donum Vitae. | |
Warum stellen Sie den Beratungsschein aus? | |
Eine Frau, die ernsthaft einen Abbruch erwägt, geht nicht zu einer | |
kirchlichen Stelle, von der sie weiß, dass diese keinen Beratungsschein | |
ausstellt. Wir wollen diese Frauen aber erreichen. | |
Und wie beraten Sie sie? | |
So, wie es unser Auftrag ist: Wir versuchen alles, was an Hilfen und Rat | |
möglich ist, damit Frauen sich für das Leben entscheiden können. Wir | |
erläutern aber selbstverständlich auch alle Fragen im Zusammenhang mit | |
Schwangerschaftsabbrüchen. Die Beratung hat zwei Elemente: Sie ist | |
zielorientiert auf den Erhalt der Schwangerschaft gerichtet, aber | |
ergebnisoffen. Am Ende kann nur die Mutter alleine die Entscheidung | |
treffen. Das respektieren und akzeptieren wir auch. Es kann nie um Zwang | |
gehen, weder in die eine noch in die andere Richtung. | |
Ist das nicht ein Widerspruch? Zielorientiert und ergebnisoffen? | |
Nein. Das ist eine Hilfe. Sie dürfen nicht übersehen, dass mehr als 50 | |
Prozent der Frauen, die einen Abbruch erwägen, das aufgrund des Drucks der | |
Partner oder des weiteren Umfelds tun. Oder weil sie meinen, dass ihre | |
Lebensverhältnisse es nicht zulassen, ein Kind zu bekommen. Viele wissen | |
gar nicht, welche Hilfen es gibt. | |
Informiert Donum Vitae auch darüber, wer Schwangerschaftsabbrüche | |
durchführt? | |
Wir beraten nach dem Gesetz. Unsere Beratungsstellen haben keineswegs | |
überall Informationen darüber, wer eigentlich eine Zulassung zum | |
Schwangerschaftsabbruch hat. Und es sind nicht die Beratungsstellen, die | |
nach diesen Informationen suchen müssen; die Bringschuld in dieser Frage | |
haben die Ärzte beziehungsweise die verantwortlichen Länder.0 Denen müssen | |
die entsprechenden Informationen ja vorliegen. | |
Die deutschen Bischöfe haben sich lange von Donum Vitae distanziert, | |
aktiven Katholiken wurde nahegelegt, auf leitende Mitarbeit zu verzichten, | |
die Beratungsstellen durften nicht im selben Gebäude wie kirchliche | |
Beratungsstellen untergebracht sein. | |
2006 kam auf Drängen von Kardinal Meißner der sogenannte | |
Abgrenzungsbeschluss. Das hat uns natürlich Schwierigkeiten gemacht. In | |
Köln etwa mussten sich viele Mithelfende unter den Klerikern von uns | |
distanzieren. Gruppierungen, die uns vorher Spenden geschickt hatten, | |
konnten das nicht mehr tun oder trauten sich nicht mehr. Aber das ist zum | |
Glück überholt. Unter Kardinal Marx hat die Deutsche Bischofskonferenz den | |
Abgrenzungsbeschluss im November 2017 ad acta gelegt und unsere | |
hervorragende Arbeit in Sachen Lebensschutz hervorgehoben. Ich bin froh, | |
dass diesem Unfug ein Ende gesetzt wurde. | |
Papst Franziskus sagte kürzlich, der Schutz des Lebens von schon geborenen | |
Menschen sei ebenso wichtig wie der des ungeborenen Lebens. 2013 sagte er, | |
es sei nicht nötig, ununterbrochen über Abtreibungen zu sprechen. Er hat | |
von „Besessenheit“ gesprochen. | |
Katholische Verbände wie zum Beispiel Caritas oder Miserior leisten | |
weltweit soziale Hilfe für Arme. Die Gruppen, die damals die deutschen | |
Bischöfe in Rom verleumdet und so zum Ausstieg aus der Beratung geführt | |
haben, würde ich aber durchaus als einseitig auf das Thema fixiert | |
bezeichnen. | |
Inwiefern? | |
Ich will nicht alle diskreditieren, die sich im Lebensschutz engagieren. | |
Aber das waren fundamentalistische Gruppen. Ich halte | |
Schwangerschaftsabbrüche für keinen Weg der Problemlösung. Aber das Recht | |
der Frau, selbst zu entscheiden, ist verbindlich. Ihnen die Hilfe oder den | |
Beratungsschein zu verweigern, weil man den Abbruch für falsch hält, ist | |
nicht der richtige Weg. | |
12 May 2018 | |
## AUTOREN | |
Dinah Riese | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Abtreibung | |
Katholikentag | |
Katholische Kirche | |
Lebensschützer | |
Katholische Kirche | |
Papst Franziskus | |
Papst Franziskus | |
Christen | |
Schwerpunkt Paragraf 219a | |
Erzbistum | |
Schwerpunkt Paragraf 219a | |
Schwerpunkt Paragraf 219a | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Katholikentag in Erfurt: Katholiken im Handgemenge | |
Beim Katholikentag ging es um die Kirche in Ostdeutschland und das Recht | |
auf Schwangerschaftsabbruch – und die Frage: Wie halten wir es mit der AfD? | |
Kommentar Papst-Zitate zu Abtreibungen: Tödliches Dogma | |
Papst Franziskus vergleicht Schwangerschaftsabbrüche mit Nazi-Praktiken – | |
eine Anbiederung an religiöse FundamentalistInnen. | |
Papst kommentiert Abtreibungen: Wie Nazis – nur mit Handschuhen | |
Papst Franziskus äußert sich zu Homosexuellen und Abtreibungen. Erstere | |
könnten keine Familie sein, letztere verglich er mit Praktiken der Nazis. | |
Haltung gegenüber Andersgläubigen: Die Nächstenliebe der Gottlosen | |
Forscher haben untersucht, wie Christen und Konfessionslose zu | |
Einwanderern, Juden und Muslimen stehen. Das Ergebnis ist bemerkenswert. | |
Kolumne Liebeserklärung: Norwegens tolles Gesetz | |
Die Norweger nerven mit ihrem Ölreichtum. Auf das Recht auf | |
Schwangerschaftsabbruch aber können sie wirklich stolz sein. | |
„Lebensschützer“ gegen Berliner Bistum: Im Visier der Fundamentalisten | |
„Lebensschützer“ werfen dem Erzbistum Berlin vor, Jugendlichen Tipps für | |
Abtreibungen zu geben. Mit einer Petition gehen sie gegen die Diözese vor. | |
Juristischer Umgang mit Abtreibung: Rechtsprechung mit Schimmelansatz | |
Die Urteile zu Paragraf 219a basieren auf dem Strafrechtskommentar eines | |
„Lebensschützers“ und eines umstrittenen Ex-BGH-Richters. | |
Umgang mit Paragraf 219a: Selbstbestimmung ist Ländersache | |
Die Hamburger Gesundheitsbehörde veröffentlicht Adressen von ÄrztInnen, die | |
Abtreibungen durchführen. Andere Länder halten diese Informationen bislang | |
zurück. |