| # taz.de -- Sachkunde über sensible Sprache: Keine Zauberei | |
| > Wie spricht und schreibt man am besten über trans* Personen, ohne dass es | |
| > verletzt? Wir haben versucht, einen Leitfaden dafür zu erstellen. | |
| Bild: Achtung: Eine Geschlechtsangleichung ist kein Hokuspokus. Genausowenig wi… | |
| Sex ist nicht gleich Sex | |
| Das Wort „Sexualität“ in „Transsexualität“ führt leicht in die Irre … | |
| geht dabei nämlich nicht um eine sexuelle Präferenz, sondern um die | |
| Geschlechtsidentität einer Person (engl. sex = medizinisches/biologisches | |
| Geschlecht; gender = soziales Geschlecht/Rolle). Trotzdem ist der Begriff | |
| in Recht und Medizin nach wie vor üblich. Viele trans* Personen bezeichnen | |
| sich lieber als transident oder transgeschlechtlich – oder nutzen den | |
| Sammelbegriff trans/trans*. | |
| Reduzierung auf Untenrum | |
| Geschlechtsidentität findet, genau wie Homosexualität, im Kopf statt – | |
| nicht nur in den Genitalien. Eine Frau fühlt sich ja auch nicht plötzlich | |
| als Mann, wenn ihr wegen eines Tumors die Eierstöcke entfernt werden | |
| müssen. Eine trans* Frau als „biologischen Mann“ zu bezeichnen, ist also | |
| schon allein aus dem Grund falsch, als das Gehirn zum Körper dazugehört. | |
| Hex, hex | |
| Was früher noch „Geschlechtsumwandlung“ genannt wurde, heißt heute | |
| „Geschlechtsangleichung“ oder „Geschlechtsanpassung“. Kein großer | |
| Unterschied? Doch, schon – hier geht es ums Detail: Das Wort „Umwandlung“ | |
| impliziert, dass etwa ein Mann „früher eine Frau war“ und mal eben aus | |
| einer Laune heraus „das Geschlecht wechseln will“. Er war aber ja immer | |
| schon ein Mann, auch wenn das die anderen nicht wussten. Da eine | |
| medizinische Transition (Hormone, Operationen) nichts mit Zauberei zu tun | |
| hat, sondern körperliche Merkmale an die persönliche Geschlechtsidentität | |
| angeglichen werden, spricht man stattdessen von „Geschlechtsangleichung“. | |
| Komplexe Körperlichkeit | |
| Viele trans* Personen empfinden es als verletzend, wenn über sie gesagt | |
| wird, dass sie „im falschen Körper stecken“. Selbst wenn manche das | |
| vielleicht so empfinden und eventuell eine Geschlechtsangleichung vornehmen | |
| lassen, heißt das noch lange nicht, dass es allen so geht – und dass jemand | |
| anderes darüber urteilen darf. Außerdem: Wer etwa seine abstehenden Ohren | |
| nicht leiden mag, kann sich insgesamt trotzdem in seinem Körper wohlfühlen. | |
| Er mag dann eben nur ein bestimmtes Körperteil nicht. | |
| Als Baby geboren | |
| Typischer Spruch bei der Geburt: „Es ist ein Junge!“ Dabei heißt das nichts | |
| weiter, als dass das Baby einen Penis hat – es kann schließlich noch nicht | |
| über seine Geschlechtsidentität sprechen. Anstatt also zu behaupten, eine | |
| trans* Person sei „als Junge/Mann oder als Mädchen/Frau geboren worden“, | |
| empfiehlt sich die Formulierung: Bei der Geburt wurde das | |
| männliche/weibliche Geschlecht registriert oder eingetragen. Ein anderer | |
| Ausdruck dafür ist „Geburtsgeschlecht“ oder „Hebammengeschlecht“. | |
| Namedropping | |
| Viele trans* Menschen ändern nach ihrem Coming-out ihren Namen, wenn auch | |
| nicht unbedingt in ihrem Pass. Die meisten verletzt es, wenn sie weiterhin | |
| mit ihrem alten Namen – manche sprechen gar vom sogenannten „Deadname“ – | |
| angesprochen oder danach gefragt werden. Was auf den ersten Blick wirken | |
| mag wie eine Leugnung der Vergangenheit („Wir blättern doch alle gern in | |
| alten Fotoalben!“), ist bei näherer Betrachtung im Zweifel ein | |
| nachvollziehbares Abschließen mit einer oft schmerzhaften Zeit. Und allein | |
| die Entscheidung der betroffenen Person. Wenn eine Freundin heiratet und | |
| einen anderen Nachnamen annimmt, nennen Sie sie ja auch nicht noch die | |
| nächsten 20 Jahre bei ihrem Geburtsnamen, oder? Falls doch, machen Sie | |
| damit sehr deutlich, dass Sie entweder nichts von der Ehe halten oder von | |
| ihrem Ehemann beziehungsweise ihrer Ehefrau – und in jedem Fall: von ihrer | |
| Entscheidung. | |
| Was ist schon „normal“ | |
| Das Gegenteil von trans (lat. jenseits) ist nicht „normal“, sondern cis | |
| (lat. diesseits). Eine cis Person identifiziert sich mit dem Geschlecht, | |
| das bei der Geburt eingetragen wurde. Eine trans* Person nicht. Damit | |
| gehört sie einer Minderheit an – aber gelten blonde Haare als unnormal, | |
| weil nur etwa zwei Prozent der Weltbevölkerung blond sind? Eben. | |
| Transsexualität ist vielmehr, so der Psychologe Professor Udo Rauchfleisch, | |
| „eine Normvariante der Natur“. | |
| Mit Sternchen oder ohne? | |
| Heißt es jetzt eigentlich trans* Person oder trans Person? Was die | |
| Schreibweise betrifft, ist sich die Trans-Community uneinig. Manche finden | |
| das Sternchen (Asterisk) als Platzhalter wichtig, um deutlich zu machen, | |
| dass damit auch non-binäre Identitäten eingeschlossen sind, also Menschen, | |
| die sich nicht in das herkömmliche, streng zweigeteilte Geschlechtersystem | |
| einordnen können oder wollen. Andere halten das Sternchen für unnötig oder | |
| überholt, da trans als Gegenteil von cis ja bereits alle Identitäten mit | |
| einschließt, also sowohl binäre als auch non-binäre. | |
| Klein oder groß? | |
| Auch bei der Groß- oder Kleinschreibung gehen die Meinungen auseinander: | |
| Einige lehnen die Schreibweise „Transmann“ oder „Transfrau“ ab, weil sie | |
| den Eindruck vermittelt, trans wäre das wichtigste Persönlichkeitsmerkmal | |
| dieser Person. Stattdessen bevorzugen sie eine Verwendung als Adjektiv, | |
| also „trans Mann/trans* Mann“ oder „trans Frau/trans* Frau“. Andere | |
| wiederum sehen die Großschreibung als politisches Statement und | |
| Emanzipation. Im Zweifel hilft: fragen. | |
| Das Glossar wurde von der taz-Redaktion erstellt – in Zusammenarbeit mit | |
| der Bundesvereinigung Trans*. | |
| 13 May 2018 | |
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