# taz.de -- Berlin öffentliche Bibliotheken: Bücher brauchen Haus und Chefin | |
> Die Grünen-Fraktion will der Bibliotheken-Misere eine Ende bereiten: Ein | |
> Entwicklungsplan soll ebenso her wie eine Entscheidung für den Ausbau der | |
> AGB. | |
Bild: Mehr als die Bücher wachsen der Kreuzberger AGB die NutzerInnen über de… | |
Es ist ein ziemliches Paradox: Berlins öffentliche Bibliotheken sind die | |
nach NutzerInnen-Zahlen erfolgreichsten Kultur- und Bildungseinrichtungen | |
der Stadt. Die Amerika-Gedenkbibliothek am Halleschen Tor – einer der | |
beiden Standorte der Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) – platzt an | |
manchen Tagen aus allen Nähten. Gleichzeitig ist die Planung eines Neubaus | |
für die ZLB de facto eingeschlafen, und viele Bezirksbibliotheken haben mit | |
Unterausstattung zu kämpfen. | |
Das wollen die Grünen jetzt endlich ändern: Am Freitag kürten | |
Fraktionschefin Antje Kapek, die grüne Vorsitzende des Kulturausschusses, | |
Sabine Bangert, und der kulturpolitische Fraktionssprecher Daniel Wesener | |
die Entwicklung der Berliner Bibliothekslandschaft zum einem ihrer | |
diesjährigen Arbeitsschwerpunkte. | |
Taufrisch ist das laufende Jahr zwar auch nicht mehr, aber dafür soll es | |
jetzt knackig an die Arbeit gehen. Noch im Spätsommer, so Kapek, müsse der | |
Senat die entsprechenden Entscheidungen herbeiführen: Ein | |
Bibliotheks-Entwicklungsplan soll her, eine Festlegung auf einen | |
Single-Standort für die ZLB – und die Neubesetzung der fachlichen Leitung | |
der Zentral- und Landesbibliothek, die seit dem Weggang ihrer letzten | |
Direktorin Claudia Lux im Jahr 2012 vakant ist. „Geredet haben wir genug, | |
jetzt müssen wir ins Handeln kommen“, so Kapek kämpferisch. | |
In der Standortfrage haben sich die Grünen längst festgelegt: Die AGB soll | |
auf dem heute als Grünanlage genutzten Blücherplatz erweitert werden. Im | |
Rahmen der Mittelfristigen Finanzplanung ist eine Summe in der | |
Größenordnung von 360 Millionen Euro abrufbar, seit der Regierende | |
Bürgermeister Klaus Wowereit einen prächtigen Neubau auf dem Tempelhofer | |
Feld vorantrieb – was dann am Volksentscheid zur Freihaltung des Feldes | |
scheiterte. | |
## „Keine zweite Staatsoper“ | |
Überhaupt nichts hält Antje Kapek vom immer noch diskutierten | |
Alternativstandort Marx-Engels-Forum: „Das kommt für uns nicht in die Tüte. | |
Jeder weiß, wie schwierig der Baugrund dort ist, und wir wollen keine | |
zweite Staatsoper.“ Im Übrigen gebe es für den Blücherplatz einen gültigen | |
BVV-Beschluss, während in Mitte schlimmstenfalls noch jahrelange Debatten | |
geführt werden müssten. | |
Aber ein Gebäude allein macht die LeserInnen der Stadt auch nicht glücklich | |
– daher die Forderung nach einem Entwicklungsplan, der Bedarfe und | |
Ausstattung klar festlegt, und nach einer fachlichen Leitung. Die | |
Geschäftsführung der ZLB durch den „Managing Director“ Volker Heller reic… | |
einfach nicht aus, ein Haus in dieser Größe adäquat zu führen, so Sabine | |
Bangert. Sie wiederholte die schon des Öfteren von ZLB-Mitarbeitern | |
vorgetragene Kritik, dass die Beschaffung des Medienbestands outgesourct | |
wurde – zuletzt an den Großbuchhändler Hugendubel. „Wir befürchten eine | |
Verflachung des Angebots“, warnte Bangert. | |
Für die Leitung des Hauses wünscht sich die Kulturausschuss-Chefin deshalb | |
eine Art weiblichen Paul Spies: jemanden mit der fachlichen Kompetenz und | |
den Visionen des Direktors der Stiftung Stadtmuseum, aber eben keinen Mann | |
– weil man Frauen an der Spitze von Berlins Kultureinrichtungen immer noch | |
„mit der Lupe suchen“ müsse. | |
Daniel Wesener schließlich machte sich zum Fürsprecher der Bezirks- und | |
Stadtteilbibliotheken. Das Land müsse im Rahmen des geforderten | |
Entwicklungsplans Verantwortung für diese extrem wichtigen | |
Bildungseinrichtungen übernehmen, die “eine lange Leidensgeschichte hinter | |
sich haben“. Die Zahl der öffentlichen Büchereien sei in den vergangenen | |
Jahren auf weniger als die Hälfte geschrumpft, der Anschaffungs-Etat auf | |
zwei Drittel, die Zahl der Mitarbeiter von einst 1.000 auf rund 700. „Dabei | |
sind wir eine wachsende Stadt“, so Wesener. | |
## Mehr Geld pro Kopf | |
Leider gälten die Bibliotheken als freiwillige Leistung der Bezirke – „da | |
wird dann gerne etwas abgeknapst“. Zurzeit schwanke die Summe, die pro | |
EinwohnerInnen-Kopf und Jahr in Medien investiert werde, je nach Bezirk | |
zwischen ca. 90 Cent und 1,50 Euro. Das müsse vereinheitlicht und | |
verbindlich gemacht werden, sagte der grüne Kulturpolitiker. Auf einen | |
genauen Betrag wollte er sich nicht festlegen, aber: „Im Jahr 2005 waren | |
aus fachlicher Sicht 1,50 Euro ermittelt worden. Ich wage die Prognose, | |
dass wir heute einen höheren Wert erreichen würden.“ | |
Dabei geht es natürlich längst nicht mehr nur um Bücher, sondern auch um | |
digitale Medien und Infrastruktur. Hier komme es heute in einigen | |
Bibliotheken zu der absurden Situation, so Wesener, dass zwar digitale | |
Arbeitsplätze in ausreichender Zahl vorhanden seien – aber kein | |
Breitband-Internet, um diese auch zu nutzen. Ob der Knoten beim Thema | |
Bibliotheken wirklich noch in diesem Jahr platzt, bleibt abzuwarten. | |
Zurzeit bereitet die Grünen-Fraktion einen Antrag vor, mit dem sie den | |
Senat zum raschen Handeln auffordern will. | |
27 Apr 2018 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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