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# taz.de -- Wohnraum für Geflüchtete: Göttinger Aktivisten besetzen Haus
> In Göttingen besetzen Aktivisten ein leer stehendes Wohnheim und fordern,
> dass Flüchtlinge einer nahe gelegenen Unterkunft dort einziehen können.
Bild: Dieses leer stehende Haus sollte Wohnraum für Geflüchtete werden, finde…
GÖTTINGEN taz | Am Montagmorgen besetzten rund 70 Aktivisten ein leer
stehendes Wohnheim im vornehmen Göttinger Ostviertel. In den Fenstern des
besetztes Gebäudes hängen Fahnen und Transparente. „Wohnraum statt
Leerstand“ ist darauf zu lesen, und: „Häuser denen, die sie brauchen“.
Andere Stoffbänder fordern preisgünstigen Wohnraum für Studierende,
Sozialhilfeempfänger und Flüchtlinge. „Massenunterkünfte machen krank“,
heißt es etwa – ein Hinweis auf die in der Stadt umstrittene
Sammelunterkunft für Geflüchtete im Gewerbegebiet „Siekhöhe“.
Die Aktivisten verlangen, dass diese Unterkunft geschlossen wird. Viele der
dortigen Bewohner könnten in den nun besetzten Räumen unterkommen. Am
Mittwochnachmittag dauerte die Aktion an. „In der vergangenen Nacht haben
hier mehrere Dutzend Leute übernachtet“, sagte ein Sprecher der
Besetzergruppe am Mittwoch zur taz. „Die Besetzung geht erst mal weiter.“
Vor dem Haus haben die Besetzer ein Info-Zelt aufgestellt. Auf einem Tisch
liegen Flugblätter aus, daneben stehen Kaffeekannen, Tassen, ein paar
Kisten Mineralwasser. „Wir bekommen viel Unterstützung aus der Stadt“, sagt
ein junger Mann. Nachbarn und Spaziergänger, die eine Runde im nahen
Erholungspark Schillerwiese drehen wollten, reagierten „überwiegend
positiv“ auf die Besetzung.
Das Wohnheim und eine angrenzende Villa gehören der Stadt Göttingen und
sind seit 1973 an das Goethe-Institut vermietet. Weil das Institut
sukzessive in ein neues Haus umzieht, wurde das Wohnheim schon vor mehreren
Monaten geräumt. Die Stadtverwaltung möchte den gesamten Gebäudekomplex
veräußern. Die Besetzer verlangen dagegen, dass der Verkauf gestoppt wird.
Sie verweisen darauf, dass das besetzte Gebäude über sieben abgeschlossene,
voll ausgestattete Wohneinheiten mit Bad und Küche sowie 30 Einzel- und
Doppelzimmer mit gemeinschaftlichen Sanitäranlagen verfügt. Es handele sich
bei den Wohnheim „um einen von zahlreichen Fällen, in denen die Stadt
Göttingen mit ihrer verfehlten, auf Privatisierung und Investoren setzenden
Wohnungspolitik verhindert, dass bezahlbarer Wohnraum für Geflüchtete und
andere Wohnungssuchende geschaffen wird“.
„Es ist untragbar, dass noch immer Flüchtlinge in Not- und
Massenunterkünften leben müssen, während die Stadt etliche eigene
Immobilien leer stehen und ungenutzt lässt“, schimpft ein Besetzer. „Würde
die Stadt ihre Verkaufspläne aufgeben, hätte sie hier sofort die
Gelegenheit, Wohnraum für Geflüchtete zu schaffen.“ Er verweist darauf,
dass weitere Wohnmöglichkeiten im Hauptgebäude zur Verfügung stünden,
sobald das Goethe-Institut ganz ausgezogen sei.
Stadtsprecher Dominik Kimynon sagte am Mittwochnachmittag auf Anfrage, dass
die Verwaltung noch nicht über ihr weiteres Vorgehen entschieden habe. Es
werde zeitnah Gespräche mit dem Goethe-Institut und den Sicherheitsbehörden
geben. Bereits am Dienstag hatte Göttingens Oberbürgermeister Rolf-Georg
Köhler (SPD) mit den Besetzern diskutiert und die Verkaufsabsichten für die
Immobilie bekräftigt. Gleichzeitig bat Verwaltungschef Köhler die Besetzer,
ihre Aktion zu beenden.
Die Jungsozialisten solidarisierten sich indes mit der Besetzung. Sie
hätten sich am Maifeiertag „vor Ort von den Rahmenbedingungen überzeugt“,
sagte die Göttinger Juso-Chefin Larissa Freudenberger. Die friedliche
Aktion zeige deutlich, „dass es günstigen Wohnraum in Göttingen geben kann,
wenn man Leerstände konsequent in sozialen Wohnraum umwandelt“.
Die Linke rief die Stadt Göttingen auf, „die unwürdigen Wohnverhältnisse in
Massenunterkünften zu beenden, die Wohnungsnot der Stadt durch Ausbau von
sozialem Wohnraum zu entspannen und auf die Forderungen der Aktivist/innen
einzugehen“.
Zuletzt hatten in Göttingen junge Menschen im November 2015 das zuvor sechs
Jahre leer stehende Gewerkschaftshaus besetzt. Sie richteten große Teile
des Gebäudes wohnlich her, schafften Möbel herbei, installierten Duschen
und verlegten elektrische Leitungen. Mehrere Dutzend wohnungslose Menschen,
zumeist Geflüchtete, fanden dort vorübergehend oder länger eine Unterkunft.
Unterstützer gingen fast jede Nacht zum Göttinger Bahnhof, um gestrandete
Asylbewerber mit Tee zu versorgen oder zum Übernachten in das Haus
einzuladen. Zugleich forderten die Besetzer die gewerkschaftseigene
Vermögensverwaltungs- und Treuhandgesellschaft (VTG) als Besitzer der
Immobilie zu Verhandlungen auf. Diese endeten schließlich erfolgreich: Vor
einem Jahr kauften die Besetzer das mehrstöckige Gebäude.
3 May 2018
## AUTOREN
Reimar Paul
## TAGS
Göttingen
Hausbesetzung
Unterbringung von Geflüchteten
Geflüchtete
Universität Göttingen
Schwerpunkt Flucht
Geflüchtete
Asyl
Geflüchtete
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