# taz.de -- Internationales Frauenfilmfestival Köln: Gegen chauvinistisches Ja… | |
> Frauenfilmfestivals wurden öfter totgesagt – sind im Zuge von „#MeToo“ | |
> aber wichtiger denn je. Das Kölner Festival zeigt, warum. | |
Bild: Film „Pierburg: Ihr Kampf ist unser Kampf“ von Edith Schmidt und Davi… | |
Zur Eröffnung des Internationalen Frauenfilmfestivals Köln gab es zwei | |
Tragetaschen. Eine vom Festivalbüro mit dem aufgedruckten Schriftzug | |
„Feminist“ außen und innen den üblichen Festivalutensilien wie Katalog und | |
Programmbroschüren. Die andere wurde als Giveaway eines lokalen Sponsors | |
nach der Eröffnungsveranstaltung ausgeteilt und offenbarte beim späteren | |
Hineinsehen diverse Parfümpröbchen und eine Werbezeitschrift mit dem Titel | |
Beauty Talk. | |
Das ist ökologisch nicht gerade korrekt, denn vermutlich wanderte das Paket | |
bei vielen nach der Sichtung gleich in die Tonne. Es ist aber eine amüsante | |
Pointe auf die Revision des öffentliches Bilds von Feministinnen, die | |
früher gern als ungekämmt-schmuddelige „Männerhasserinnen“ imaginiert | |
wurden. Es wäre interessant zu wissen, ob auch männliche Besucher diese | |
zweite Tüte erhalten haben (bitte melden!). | |
Soweit der Gossip-Teil. Von der Substanz her war das im jährlichen Wechsel | |
in Dortmund (mit Themenschwerpunkt) und in Köln (mit Regionalschwerpunkt) | |
veranstaltete Festival auch in diesem Jahr gefälliger Anbiederung | |
unverdächtig und fiel politischer als sonst aus. Das lag auch an der klugen | |
Entscheidung, angesichts der aktuellen nationalistischen Umtriebe beim | |
traditionellen Länderfokus den Blick statt nach China oder zuletzt Mexiko | |
diesmal auf das Land vor der eigenen Haustür zu richten. Das Ergebnis ist | |
die Sektion „Über Deutschland“ als offensiv auf Diversität zielender | |
Gegendiskurs zum chauvinistischen Jammergesang. | |
Um die solcherart postulierte Vielstimmigkeit bei der Programmgestaltung | |
umzusetzen, hatte Betty Schiel als Leiterin der Sektion die Ausgestaltung | |
vieler der neun Einzelprogramme mit auswärtigen Kuratorinnen geteilt. Das | |
gelang glänzend etwa mit der Präsentation von Spots zur kritischen | |
Aufarbeitung des NSU-Komplexes oder der szenischen Lesung eines von | |
syrischstämmigen Neuberliner Drehbuchautor*innen geschriebenen Skripts zu | |
einer geplanten Fernsehserie. Deren aus dem Deutschen entlehnter Titel | |
„Heim“ ist schon zum neuen arabischen Begriff für eine | |
Flüchtlingsunterkunft geworden. | |
## „Von Seepferdchen und Schränken“ | |
Am stärksten für den Erkenntnisgewinn aber war der Blick in die Geschichte: | |
Etwa in Cana Bilir-Meiers poetischem Kurzfilm „Semra Ertan“ (2013), der an | |
die gleichnamige junge Arbeitsmigrantin und Poetin erinnert, die sich 1982 | |
in Hamburg selbst verbrannte, um ein – allzu schnell wieder verdrängtes – | |
Fanal gegen den Rassismus in Deutschland zu setzen. Metaphorisch gemeint | |
ist das Feuer im Titel von Angelika Nguyens außergewöhnlich frei | |
gestaltetem Dokumentarfilm „Bruderland ist abgebrannt“ (1991), der die | |
Abwicklung der Schicksale vietnamesischer Vertragsarbeiter*innen in | |
Ostberlin begleitet und neben der offenen Pogromstimmung der Zeit direkt | |
nach dem Mauerfall auch vom paternalistisch eingefärbten Rassismus der | |
DDR-Zeit mit ihren internationalistischen Parolen erzählt. | |
Positiver geht es zu in einem ebenso kraftvollen wie wehmütig stimmenden | |
Film über einen von Arbeitsmigrantinnen angetriebenen Streik in einem | |
Vergaserwerk in Neuss 1973. „Pierburg: Ihr Kampf ist unser Kampf“ von Edith | |
Schmidt und David Wittenberg zeigt Kämpfe um mehr Lohn, aber auch gegen | |
kasernierte Lebensbedingungen für Einwanderer, die von denen in der DDR | |
nicht so verschieden waren. Zur Filmvorführung in Köln waren vier der | |
damals beteiligten Frauen zu Gast, die – selbst unterschiedlicher Herkunft | |
– vehement für Solidarität und gegen ethnische und religiöse Aufspaltung | |
plädierten. | |
Frauenfilmfestivals wurden ja schon öfter totgesagt, scheinen in Zeiten von | |
„#MeToo“ und „Pro Quote“ aber wieder an Berechtigung zu gewinnen. In K�… | |
ließ sich gut sehen, dass sich feministische Positionen selbst längst | |
jenseits dieser Monothemen in den gesamtpolitischen Bereich | |
weiterentwickelt haben und Jahrzehnte kultureller Bewusstseinschärfung | |
allüberall praktische Früchte tragen. Ein Beispiel die Berliner Rapperin | |
Sookee, die lange vor dem Skandal um die letzte Echo-Verleihung aktiv gegen | |
den Sexismus im Hiphop anarbeitete und deren Porträt („Von Seepferdchen und | |
Schränken“, Regie: Kerstin Polte) in der Queer-Sektion des Festivals | |
gefeiert wurde. | |
Natürlich gab es noch einiges mehr, auch wirklich Wichtiges. Darunter der | |
Wettbewerb für Debütspielfilme mit acht Produktionen, den dieses Jahr das | |
Coming-of-Age-Drama „Estiu 1993“ der spanischen Regisseurin Cara Simon | |
gewann. Oder der Preis für Bildgestalterinnen, den Paola Calvo für den | |
Dokumentarfilm „Violently Happy“ und Sarah Weber für den Spielfilm „Wie … | |
mich verlor“ erhielten. Und dann noch ein Abschied: Denn dieser | |
Festivaldurchlauf war der letzte von Festivalleiterin Silke Johanna | |
Räbiger, die nach 25 Jahren in den Ruhestand geht. | |
1 May 2018 | |
## AUTOREN | |
Silvia Hallensleben | |
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