# taz.de -- Musikmagazin „Intro“ wird eingestellt: Thank you for your music | |
> Nach fast 30 Jahren wird die „Intro“ eingestellt. Trotz des | |
> undurchsichtigen Umgangs mit ihren Anzeigen wird das Heft im Popdiskurs | |
> fehlen. | |
Bild: Jetzt ist die Party endgültig vorbei: „Intro“ wird eingestellt | |
Die Party ist vorbei, suggeriert das Cover der Intro im Dezember 2016 zum | |
25. Geburtstag des Popkultur-Magazins. Leere Bierflaschen, verrutschte | |
Sofapolster, der Boden voller Luftschlangen. Es scheint ein rauschendes | |
Fest gewesen zu sein. Eines, wie man es sich wünscht, in den Partykellern | |
von Celle bis Kaufbeuren. Kaum zwei Jahre später ist auch der letzte Gast | |
gegangen: Im Juli stellt die Kölner Zeitschrift alle Aktivitäten ein, die | |
Ausgabe #263 wird die finale sein, wie Freitag bekannt wurde. | |
Tatsächlich kommt die Einstellung nicht überraschend – die Nachrufe auf die | |
[1][inhaltlich benachbarten Blätter Neon] und NME, die sich in den letzten | |
Wochen mit ähnlicher Begründung vom Markt verabschiedeten – schrumpfender | |
Anzeigenmarkt, schrumpfende Auflagen – sind kaum verklungen. Der | |
Popjournalismus, in Print wie online, ist dieser Tage in der Rolle der | |
Kutschenmanufakturen im frühen 20. Jahrhundert. Ankommen wollen immer noch | |
alle. Nur eben: Nicht mehr so. | |
Dabei war die Intro seit 1991 ein guter Reisebegleiter. Als | |
werbefinanziertes Gratis-Magazin, das in vielen Plattenläden des Landes, in | |
Kinos, Clubs und Kneipen auslag, bot die Intro zwar wenig Glamour, aber | |
Zugänglichkeit. Gegründet wurde sie auf einem Bauernhof in Melle, gelegen | |
zwischen Osnabrück und Bielefeld, ganz nahe an dem Städtchen Bad Salzuflen, | |
wo einige Jahre früher die Hamburger Schule ihren obskuren Anfang nahm. | |
Gründer Matthias Hörstmann ist bis heute Herausgeber. | |
## Experimentell und anders | |
Ihre Hochphase hatte die Zeitschrift in ihrem zweiten Jahrzehnt unter | |
Chefredakteur Thomas Venker, der 2000 die Leitung übernahm. Gemeinsam mit | |
Redakteur Linus Volkmann öffnete er das Blatt aus der Nische hinein in den | |
Pop-Diskurs, setzte den schockierten Indie-Fans ein Cover mit Destiny's | |
Child vor, Text und Layout wurden spielerisch. Prägend für diese Zeit sind | |
die Texte von Sonja Eismann und Martin Büsser. Während der mit Verve und | |
Adorno Pop umarmte und zerlegte, wurde weiter vorne im Heft in der Reihe | |
„Kochen mit …“ Sushi mit Manowar zubereitet. Über der Intro der Nuller | |
Jahre schwebte der Geist des Experiments, aber mit Leichtigkeit und Lust | |
statt akademischem Dünkel. | |
Während die meisten Musikredaktionen sich in diesen Jahren nach Berlin | |
orientierten, blieb die Intro in Köln zurück – ein Glücksfall, wurde dieses | |
Außen-vor-Sein doch eine Stärke des Magazins. Auch unter Venkers Nachfolger | |
Daniel Koch, der das Heft ab 2014 führte, blieb die Intro experimentell, | |
aber anders: Selbst 2006 als Praktikant zum Blatt gestoßen, war er offen | |
für Menschen, die Begeisterung statt Erfahrung mitbrachten. Vielleicht auch | |
einfach kostengünstiger, aber: So wurde das Heft vielstimmiger, jünger, vor | |
allem auch weiblicher. Sicher gelang dieses Offenheit nicht immer, gab es | |
schwache Texte, führte die Stilvielfalt dazu, dass eine wirkliche | |
Blattlinie oft verschwommen blieb – dafür gab es eines aber eben nicht in | |
der Intro: Alte Männer, die über Alte-Männer-Bands schreiben. Das Magazin | |
wurde betonter politisch, nutzte die Betriebskanäle hinein in alle | |
Provinzen, seiner oft jugendlichen Leserschaft den Rücken gegen rechts zu | |
stärken – „Warum seid ihr so scheiße leise?“, fragte im Sommer 2016 ein | |
Cover die deutschsprachige Popwelt. | |
Dennoch blieb oft ein fader Beigeschmack bei diesem Projekt zwischen | |
Fanzine und Advertorial. Am Schluss war es vielleicht auch einfach alles | |
ein bisschen zu durchsichtig: Wie mit den potenziellen Werbekunden um | |
Covermotive gefeilscht wurde, wie prominent platzierte Bands und | |
geschaltete Anzeigen verknüpft waren. Machen zwar alle, aber alle haben | |
nicht den Ruf, sowieso als Gratisblatt bessere Klolektüre zu sein. Für die | |
längste Zeit hat die Intro aus diesem Ruf Gold gesponnen, sich nicht von | |
Diskursen erschlagen lassen, sondern mutig in die Irrelevanz hinein | |
produziert, die andere in sie hinein gelesen haben. | |
So blieb es das Heft, das auch den Partykellern von Celle bis Kaufbeuren | |
zeigte, dass es eine Musik-Welt gibt, die jenseits liegt von Radio und | |
Rock. Und hat damit vielleicht mehr für musikalische Reife und, wer weiß, | |
sogar jugendliche Emanzipation abseits der Großstädte gesorgt, als die | |
meisten Mitbewerber zwischen Bravo und spex, von denen nicht wenige in den | |
nächsten Monaten vor ähnlichen Konsequenzen stehen könnten wie nun die | |
Intro. In dieser Rolle wird sie mehr fehlen denn als kritische Beobachterin | |
der Popkultur. | |
Immerhin: Den in der letzten Woche [2][zu Grabe getragenen Musikpreis | |
Echo,] der in der Intro keinen Fan fand, überlebte das Magazin für ganz | |
andere und deutlich schönere Seiten des Pops. Um ganze zwei Tage. | |
29 Apr 2018 | |
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## AUTOREN | |
Steffen Greiner | |
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