# taz.de -- Chemiewaffenangriffe in Syrien: Ein Onlinearchiv für Kriegsverbrec… | |
> Die Initiative Syrian Archive dokumentiert Chemiewaffenangriffe auf die | |
> syrische Bevölkerung. 212 Attacken wurden nachgewiesen. | |
Bild: Einsatz von Chemiewaffen in Syrien: die Kriegsverbrechen wurden auch onli… | |
BERLIN taz | 861 verifizierte Videos, 212 dokumentierte Angriffe mit | |
chemischen Kampfstoffen: Das ist das Ergebnis jahrelanger minutiöser Arbeit | |
von [1][Syrian Archive], der beständig wachsenden Onlinedatenbank von | |
Kriegsverbrechen in Syrien, die geflohene syrische Menschenrechtler | |
erstellt haben. Die neue [2][„Chemical Weapons Database“] der in Berlin | |
beheimateten Initiative wurde diese Woche beim Berliner European Centre for | |
Constitutional and Human Rights (ECCHR) der Öffentlichkeit vorgestellt. | |
Keine Ton- und Bildaufnahmen aus Sicherheitsgründen – so lautete der Appell | |
ans Publikum in den vollbesetzten ECCHR-Räumlichkeiten, als der Syrer Hadi | |
Al Khatib die Arbeit präsentierte. Die 212 dokumentierten | |
Chemiewaffenangriffe – mehr als von internationalen Stellen bislang | |
gemeldet – erstrecken sich über den Zeitraum von 2012 bis zur Gegenwart und | |
fanden in 85 unterschiedlichen Orten statt. 61 Angriffe entfallen auf den | |
Großraum Damaskus, 49 auf die Provinz Idlib. | |
Die 861 Videos seien „nur der Anfang“, hieß es in Berlin. In der öffentli… | |
zugänglichen Datenbank, die erste ihrer Art, befinden sich solche | |
Videoaufnahmen, die das Syrian-Archive-Team nach sorgfältiger Überprüfung | |
als glaubwürdig wertet. Dazu werden die Metadaten ausgewertet, die Quelle | |
geprüft und der genaue Aufnahmeort durch Geolocation ermittelt. Wenn | |
möglich, werden weitere Details überprüft, beispielsweise zu hörende | |
Dialekte. | |
Die Arbeit, Kriegsverbrechen in Syrien durch Onlinedokumentation für die | |
Nachwelt festzuhalten, gibt es seit Beginn des syrischen Bürgerkrieges im | |
Jahr 2011. Als das Regime monatelang friedliche Proteste und | |
Demonstrationen gewaltsam niederschlug, bis sich dagegen bewaffneter | |
Widerstand mit Unterstützung von Deserteuren des Militärs entwickelte, | |
hielten unzählige Augenzeugen die Vorgänge auf dem Smartphone fest und | |
luden sie auf YouTube hoch. Seit YouTube aber begonnen hat, Videos mit | |
Gewaltinhalt als gewalt- oder terrorverherrlichend zu löschen, sind große | |
Mengen dieser Originalmaterialien aus dem Internet verschwunden. Daher die | |
Notwendigkeit, Datenbanken einzurichten, damit Beweise für Kriegsverbrechen | |
bewahrt bleiben. | |
## Der bestdokumentierte Krieg der Geschichte | |
Nicht alles konnte gerettet werden, und nur einen winzigen Teil der | |
Unmengen eingegangener Materialien hat das lediglich acht Menschen | |
umfassende Team von Syrian Archive in den bisherigen drei Jahren Arbeit | |
überprüfen und freigeben können. Die Sammelabteilungen sprechen für sich: | |
„Angriffe auf Krankenhäuser; Angriffe auf Schulen; Angriffe auf Bäckereien; | |
Angriffe auf Journalisten; Angriffe auf Märkte; Angriffe auf Moscheen“ | |
lauten die ersten Kategorien. | |
Chemiewaffenangriffe in Syrien sind international besonders kontrovers, da | |
sie schon zweimal zu US-Militärschlägen geführt haben, das syrische Regime | |
aber stets die Verantwortung dafür leugnet. Die nach einem besonders | |
verheerenden Angriff 2013 vereinbarte Zerstörung der Bestände und | |
Produktionsanlagen für Chemiewaffen in Syrien unter internationaler | |
Aufsicht ist nach Angaben der Organisation für das Verbot Chemischer Waffen | |
(OPW) aber bis heute nicht vollständig durchgeführt worden. Für Hadi Al | |
Khatib besteht kein Zweifel, dass die Angriffe „sehr systematisch“ sind und | |
eine „Kriegsstrategie“ des Regimes darstellen. | |
Immer wieder weisen syrische Aktivisten darauf hin, dass der Krieg in | |
Syrien der bestdokumentierte der Geschichte ist. Aus keinem anderen | |
bewaffneten Konflikt der Welt gibt es so viel Augenzeugenmaterial. Es | |
müsste eigentlich möglich sein, daraus Material für | |
Kriegsverbrecherprozesse zu gewinnen. | |
## „Belege eines Tatverdachts“ | |
Wie Juristen bei der Vorstellung der neuen Datenbank des Syrian Archive | |
betonten, sind solche Materialien aber an sich noch keine Beweise gegen | |
bestimmte Täter. Sie sind lediglich „Belege eines Tatverdachts“, wie es | |
Patrick Koker vom ECCHR ausdrückt, und müssen mit „bestätigenden | |
Beweismitteln“ ergänzt werden. Beispielsweise sei herauszufinden, welche | |
Flugzeuge zum Zeitpunkt eines Luftangriffs am Angriffsort unterwegs waren | |
und wer die Einsatzbefehle gab. Bisherige Strafanzeigen in Deutschland | |
gegen Vertreter des syrischen Regimes beschränken sich auf Foltervorwürfe. | |
Ob jemals das ganze Ausmaß des Grauens in Syrien erfasst werden kann, | |
bleibt fraglich. Die UNO stoppte ihre Zählung der Kriegstoten im Jahr 2014, | |
als sie 250.000 erreichte. Das Syrian Centre for Policy Reserch nannte im | |
Februar 2016 die Zahl von 470.000 Toten. Das Syrian Network for Human | |
Rights, das Namenslisten der Toten von lokalen Aktivisten sammelt, ist bis | |
Ende März 2018 auf 217.764 getötete Zivilisten seit März 2011 gekommen, zu | |
90 Prozent Opfer der syrischen Regierungsstreitkräfte. | |
27 Apr 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://syrianarchive.org/en | |
[2] https://syrianarchive.org/en/collections/chemical-weapons | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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