# taz.de -- Erinnerungsarbeit in Berlin: Demokratie in Fraktur | |
> Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold war eine Widerstandsgruppe in der | |
> Weimarer Republik. Heute wirkt sie aus der Zeit gefallen. | |
Bild: Flagge, Adler, Frakturschrift: Die Symbolik des Reichsbanners verstehen n… | |
„Ich glaube, dass wir hier nicht nur Martin Schulz gedenken, sondern auch | |
all derjenigen, die für die Demokratie gekämpft haben.“ Ein kleiner | |
Versprecher beim Vornamen, und die Worte des SPD-Bundestagsabgeordneten | |
Johannes Kahrs klangen wie ein zynischer Kommentar zur vergangenen | |
Bundestagswahl. Dabei waren Kahrs und die ihm gegenüber sitzenden Gäste | |
nicht gekommen, um an den ehemaligen Parteivorsitzenden Martin, sondern an | |
Erich Schulz zu erinnern. | |
Erich Schulz war 1925 das erste Mitglied der Widerstandsgruppe Reichsbanner | |
Schwarz-Rot-Gold, das in Berlin von Rechtsradikalen ermordet wurde. Das | |
von der SPD mitbegründete Reichsbanner setzte sich für den Schutz der | |
Demokratie in der Weimarer Republik ein. | |
Heute ist Kahrs Vorsitzender des wieder gegründeten Vereins gleichen | |
Namens. Zusammen mit der Gedenkstätte Deutscher Widerstand hatte er am | |
Mittwoch zur Erinnerung an die im Widerstand gegen den Nationalsozialismus | |
Ermordeten auf den Friedhof Columbiadamm eingeladen. | |
Vieles an dem SPD-nahen Verein wirkt aus der Zeit gefallen, etwa die | |
ausschließlich männlich besetzte Liste der Ehrenmitglieder: Helmut Schmidt, | |
Gerhard Schröder, Hans Eichel. Vor allem aber das Erscheinungsbild fällt | |
auf. Es ist seit den 1920er Jahren unverändert: Adlerwappen auf | |
Schwarz-Rot-Gold, dazu alte Frakturschrift. Für die historische | |
Erinnerungsarbeit mag das angemessen sein. Für die aktuelle Bildungsarbeit | |
des Vereins bedeutet das Jugendgruppen, die mit schwarz-rot-goldenen | |
„Reichsbanner“-Flaggen posieren. | |
## „Demokratie ist nicht selbstverständlich.“ | |
„Das klingt für den ein oder anderen heute etwas seltsam“, sagt Kahrs. Er | |
habe aber noch alle davon überzeugen können, wie diese Präsentation zu | |
verstehen sei – historisch. Wie aber erklärt man die (heutzutage) an | |
Pegida-Demonstrationen erinnernde Symbolik in einer Gesellschaft, deren | |
politische Kommunikation einerseits durch Bildern und andererseits durch | |
überhöhte Geschwindigkeit geprägt ist? | |
Am Mittwochvormittag lauschten etwa 50 Personen in der Friedhofskapelle | |
nicht nur dem Vereinsvorsitzenden Kahrs. Auch Berlins Innensenator Andreas | |
Geisel versuchte dem Reichsbanner Aktualität zu verleihen. Die Lehre, die | |
es aus dem Ende der Weimarer Republik zu ziehen gelte, sei: „Demokratie ist | |
nicht selbstverständlich.“ | |
Täglich müsse sie erkämpft werden, gerade in Zeiten von antidemokratischem | |
Populismus, sagte Geisel, nur um dann Deutschland und explizit Berlin eine | |
desinteressierte Haltung zu unterstellen: „Politikerinnen und Politiker | |
sollen ihre Arbeit machen, das geht uns nichts an.“ | |
Was ihm nach einem blockierten AfD-Marsch, einer Mietendemo mit bis zu | |
25.000 Menschen und 25.000 Stimmen für Qualität in Krankenhäusern – alles | |
in weniger als drei Monaten – an politischem Engagement in Berlin fehle, | |
sagte Geisel nicht. Vielleicht sind es schwarz-rot-goldene Flaggen und | |
Frakturschrift. | |
25 Apr 2018 | |
## AUTOREN | |
Daniel Stoecker | |
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