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# taz.de -- Die Wahrheit: Von warum, weshalb, wieso?
> Zeit und Raum vermischen sich in der richtungslosen Rede und Schreiberei
> von heute. Eine Sprachkritik.
Bild: Mit vollen Backen spricht sich schlecht in alle Richtungen
Heute ist alles besser, auch die Sprache. Wo man einst mühsam, im Schweiße
seines Angesichts zwischen „infolgedessen“, „aus diesem Grund“,
„dementsprechend“, „folglich“, „somit“, „also“ oder auch „dar…
„deswegen“ und noch anderen Wörtern wählen musste, genügt jetzt ein simp…
„von daher“. Nur Spötter kämen auf die Idee, so antworte man wohl auf die
Fragen „Von warum? Von weshalb? Von wieso?“; wir seriös getackerten
Menschen wissen, dass es auf die Frage „Von woher?“ antwortet. Von woher
nämlich redet man so? Von daher, dass die deutsche Sprache anschaulich ist,
ihre Sprecher in Bildern denken und sich räumlich vorstellen, was sie
sagen, statt gedankenlos zu plappern.
Peter Handke schreibt von daher, wie er denkt, ja vorderdenkt: „Allein die
,Vordergedanken' zählen, und erzählen (sich). Von daher das
(anti-historische) Erzählen von einem Welt-Ideal, von einer idealen Welt“,
knetert es aus seinem Aufsatz „Die Tage“, in denen er „Einige
Vorderbemerkungen“, nein: „Einige Bemerkungen zu Vorderbert“, quatsch! �…
Adalbert Stifter“ fallen lässt.
Genug des Unsinns! Hier geht es um ernste Dinge, um Sprache und ihr
zuverlässig verschraubtes Verhältnis zur Realität. Also Augen auf! Was zum
Beispiel sieht die Ostthüringer Zeitung? Sie sieht Liegewagen bei einer
Schweizer Bergbahn! „Von der Talstation bei Schwyz bis ins Bergdorf Stoos
schafft die Bahn 744 Höhenmeter. Die Fahrgäste stehen stets waagerecht –
egal wie steil die Gleise verlaufen.“ Die Strecke führt offenbar waagerecht
den Berg hinauf.
## Links vom Westen ist Osten
Apropos führt! Die Ozeane führen ja viel Wasser, aber wo geht es hin? Für
den Pazifik hat es die taz herausgefunden, weil dessen „Meeresströmungen
kaltes Wasser von der amerikanischen Westküste nach Osten transportieren“.
Links vom Westen ist nämlich irgendwann Osten – wiederum richtig!
Im Westen liegt von daher Russland. Dort war im Februar 1917 Revolution,
und aus ging sie von „Petrograd, damals noch im russischen Zarenreich
gelegen“, so die taz, die offenbar ihren Alfred Polgar gelesen hat, der
1954 in seinem Feuilleton über „Städte, die ich nie erreichte“, Linz
erwähnte: „Bis März 1938 lag Linz in Oberösterreich, dann lag es im Gau
Oberdonau, und jetzt liegt es in der amerikanischen Zone. Viel kommen die
Städte herum neuerdings.“
Zeit und Raum sind dank Albert Einstein relativ. Sie beeinflussen sich
gegenseitig, und neueste Forschungen, die der NDR durchgeführt hat,
beweisen sogar, dass sie ihre Plätze tauschen können und Zeit zu Raum wird:
„Hinter den Niederschlägen wird es freundlicher.“
Wo immer das sein wird! Vielleicht „Zwischen Seoul und St. Pauli“, unter
welcher Schlagzeile die taz im Untertitel dies verspricht: „Fester
Bestandteil der dortigen Dokumentarfilmwoche ist eine Reihe namens
,Dokland Hamburg’“. Wer schnell genug die 8.000 Kilometer abklappert, kann
– Stichwort Relativitätstheorie – das fragliche Kino sogar gefunden haben,
bevor er losreist.
Schnelligkeit ist nun ein gutes Stichwort, um einen Sportler zu erwähnen,
der „dicht unter dem Sieger“ (taz) einkam. Ein schönes Bild! Doch bevor wir
es uns ganz ausmalen, verlassen wir die Welt des wirklichkeitsgetreuen
Abbilds und wenden uns dem Anfang des 20. Jahrhunderts zu: Wie die bildende
Kunst emanzipierte sich damals auch die Sprache von der gegenständlichen
Welt. Seinerzeit beschränkt auf wenige, beherrscht die modernen Techniken
heute jedermann. „Gerade letztens“, berichtet das denkmuskulöse
Schachmagazin Karl aus einem Hamburger Schachcafé, „schauten zwei
oberarmfreie Muskelpakete in Damenbegleitung vorbei“. Ohne Oberarme – wer
fühlt sich da nicht an den Kubismus erinnert!
## Sprung im Ei der Erfahrung
Wer denkt nicht an Kurt Schwitters’ Kunst der Collage, wenn dem Gäuboten
(„Die Zeitung für Herrenberg und das Gäu“) ein „tongebender Farbauftrag…
eine Stimmgabel“ auffällt! Und wie die moderne Kunst gibt Jürgen Schröder
Rätsel auf, der als Übersetzer der „Naturgeschichte des menschlichen
Denkens“ von Michael Tomasello den Lesern die herrliche Formulierung von
„diesem perspektivischen Sprung im Ei der Erfahrung“ schenkt, und das ohne
perspektivischen Sprung in der eigenen Schüssel.
Die vollends gegenstandslose Rede, vor 100 Jahren ein Skandal, ist heute in
aller Munde und wird in den sozialen Netzwerken und der Politik emsig
geübt. Wie in der Malerei gibt es jedoch in der Sprache mittlerweile eine
Gegenbewegung zurück zum Realismus, das Auge spricht wieder mit. So in
„Kulturzeit“ auf 3sat: „Klingebiel malt die Figuren aus dem Gedächtnis
heraus“ – man sieht geradezu den Maler die Figuren sich aus dem Schädel
herausziehen!
Von daher kommen seine Bilder, und von daher sage keiner mehr etwas gegen
das Bildungsfernsehen. Es sollte auf diesem Weg „von hier an noch viel
weiter“ (taz) gehen, und von heute aus auch!
25 Apr 2018
## AUTOREN
Peter Köhler
## TAGS
Sprachkritik
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Elmar Brok
Donald Trump
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Journalismus
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