| # taz.de -- Die Wahrheit: Dümmster gemeinsamer Nenner | |
| > Hat sich die Emanzipation eigentlich schon bis ins Kabarett | |
| > herumgesprochen? Ein aktuelles Buch weckt gewisse Zweifel. | |
| Bild: Traditionell eher schlicht: Bühnenrollen für komische Frauen | |
| Die Zeiten ändern sich, und die Frauen ändern sich mit ihnen! Früher | |
| beschränkte sich ihr fremdbestimmtes Leben auf Kinder, Küche und Kirche, | |
| heute beschäftigen sie sich frei und selbstbewusst mit Kindern, Kerlen und | |
| Kosmetik. Letzteres legt jedenfalls eine jüngst erschienene Anthologie | |
| nahe, die eine aktuelle Zustandsbeschreibung weiblichen Kabarettschaffens | |
| liefern will. | |
| Früher musste sich eine mit ihrer besten Freundin zum Kaffeeklatsch | |
| treffen, um sich Luft zu machen, heute entert frau eine Kleinkunstbühne, um | |
| sich alles von der Seele zu quatschen. Dort klagt sie über die Männer, die | |
| „oft gar nicht bemerken, dass ihre Socken und Bohrmaschinen nicht dort | |
| hingehören, wo sie nachlässigerweise denken, dass sie hingehören“ und | |
| jammert: „Ich hab laut BMI keine gute Figur, / was mach ich nur.“ | |
| 27 Kleinkünstlerinnen werden in dem bei Reclam erschienenen Band | |
| „Querulantinnen. Kabarett und Poesie“ porträtiert. Herausgegeben hat ihn | |
| Daniela Mayer, die im Deutschlandfunk die gleichnamige Reihe | |
| „Querulantinnen“ innerhalb der Sendung „Querköpfe“ betreut. Bekannte | |
| Fernsehgrößen wie Carolin Kebekus sucht man in dem Band allerdings | |
| vergeblich, und Christine Prayon, die zum Personal der „heute show“ im ZDF | |
| zählt, ist nur mit einem Motto vertreten, das dem Buch vorangestellt ist – | |
| sonst Fehlanzeige. | |
| Offensichtlich „ist es das Anliegen dieses Buches“, gerade mithilfe nicht | |
| so bekannter Talente wie etwa Fee Badenius, Lisa Catena, Sia Korthaus, | |
| Nessi Tausendschön und Tina Teubner „alte Muster aufzubrechen“, so die in | |
| alten Sprachmustern gefangene Daniela Mayer, und „zu zeigen, dass Frauen | |
| ihren männlichen Kollegen in der Kleinkunstszene in keinster Weise | |
| unterlegen sind. Im Gegenteil.“ | |
| ## Wo ist er, der Geist? | |
| So klärt nun also frau in keinster Weise unterlegen, sondern vielmehr mutig | |
| auf: „Es gibt manchmal Tage im Leben, da machst du morgens die Augen auf | |
| und weißt sofort: So, das war jetzt der erste Fehler! Bei mir war das der | |
| Tag, an dem meine Espressomaschine den Geist aufgegeben hat.“ Wo aber ist | |
| der Geist hin? In solche Wortspiele: „Weißt du, wie schwer das ist, eine | |
| Brille mit Fassung zu tragen? Na gut, ohne Fassung wär’s noch schwerer.“ | |
| Die Welt ist groß, hier wird sie klein. Doch wie klein sie auch ist, der | |
| Mann passt rein: „Komm her / Sei nah / Zieh die Jacke aus und gieß’ den Tee | |
| in den Becher / Und vergiss für eine Stunde deinen blöden Rechner.“ Eine | |
| Frau ohne Mann sei wie ein Fisch ohne Fahrrad, wähnten Feministinnen einst, | |
| aber sie und die Zeiten haben sich geändert. Statt sich von ihm ironisch zu | |
| distanzieren und die eigene Selbständigkeit hervorzukehren, bettelt das | |
| Weibchen um Männes Aufmerksamkeit. Aber wenigstens nur eine Stunde! Dann | |
| geht er von der doofen Kuh zurück an den blöden Rechner. | |
| Gerät die hohe Politik doch einmal in den Blick, so gibt es nichts zu sehen | |
| als öde Gemeinplätze. Satire sollte auf komische Weise, in überraschender | |
| Formulierung zu einer Erkenntnis verhelfen und das Publikum klüger machen. | |
| Das Gegenteil besteht darin, sich auf den dümmsten gemeinsamen Nenner | |
| zurückzuziehen, etwa wenn die Kabarettistin über angebliche Konkurrenz | |
| meckert: Es „drängen immer mehr hochqualifizierte, ausländische Satiriker | |
| in den deutschsprachigen Markt: Denken Sie an Viktor Orbán oder Donald | |
| Trump.“ | |
| Überhaupt scheint beim Betrachten der Weltlage mitunter der Kopf vor | |
| Schreck alle Arbeit einzustellen, anders ist das hilf-, mut- und witzlose | |
| Gestammel nicht zu erklären: „Wir alle wollen Liebe, Respekt und Toleranz. | |
| / Stattdessen gibt es Kriege, ich nenn’ das Diskrepanz. / Wir wollen | |
| Frieden schaffen auf der ganzen Welt. / Doch wir liefern Waffen, das bringt | |
| ’ne Menge Geld.“ | |
| Frau ist gegen das Böse und für das Gute – wer hätte das gedacht? Aber das | |
| Gute besteht bloß in dem guten Gewissen, zu dem derlei Bekenntnislyrik | |
| verhilft. Das unpolitische Heimchen am Herd, das es einfach schön haben | |
| will, hätte sich in den 1950er Jahren ähnlich geäußert, nur ungereimt – d… | |
| Frau von heute aber kann Poesie, denn die Zeiten haben sich geändert. | |
| Poesie ist jedoch nur eine Ausrede, wenn es mit Witz und Satire nicht | |
| klappt. Ja, es gibt Kabarettistinnen, bei denen es großartig klappt! Wenn | |
| Sie die kennenlernen wollen, machen Sie um den Band „Querulantinnen. | |
| Kabarett und Poesie“ besser einen Bogen. | |
| 6 Apr 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Peter Köhler | |
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