| # taz.de -- Die Wahrheit: „Satire spaltet unser Wir!“ | |
| > Das Wahrheit-Interview: Ein Gespräch mit Linus Schwerdtfeger, Gründer des | |
| > Vereins „Schluss mit lustig“, über Satire und Humor. | |
| Bild: Lachen – das ist nichts für Mitglieder des Vereins „Schluss mit lust… | |
| taz: Herr Schwerdtfeger, angesichts der Diskussionen zum Beispiel über die | |
| Löschung von Satiren bei Twitter: Wollen Sie Lachverbote? | |
| Linus Schwerdtfeger: Wo denken Sie hin! Wir begrüßen zwar, dass Satire im | |
| Internet dank der neuen Gesetzeslage nicht mehr möglich ist. Aber letztlich | |
| wollen wir keine staatliche Regelung, sondern setzen auf Freiwilligkeit, | |
| auf Einsicht. Es gilt, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, wie schädlich | |
| Komik, Satire und überhaupt das Lachen sind. | |
| Sie wollen also kein Berufsverbot für Humoristen oder Drehbuchschreiber von | |
| Komödien? | |
| Wie gesagt, wir schielen nicht nach dem Gesetzgeber. Wir glauben, dass die | |
| Gesellschaft sich von allein in die richtige Richtung bewegen wird. Der | |
| Antrag auf Anerkennung der Gemeinnützigkeit ist bereits durch. | |
| Sind Sie von selbst auf die Idee gekommen, oder … | |
| Es gibt in den USA die Organisation „Stop laughing“, die rigoros gegen | |
| öffentliches und privates Gelächter vorgeht, weil es immer ein Lachen über | |
| andere ist, also Menschen diskriminiert. | |
| Jeder Mensch hat doch Humor. Viele haben auch Sinn für alberne Wortspiele. | |
| Kleiner Test, Herr Schwerdtfeger: Bilden Sie mal einen Satz mit Bochum und | |
| Köln! | |
| Was soll das jetzt? | |
| „Er Bochum die Ecke, um zu pinKöln.“ | |
| Er bog um die Ecke, um zu pinkeln …? Das gehört sich nicht in der | |
| Öffentlichkeit. Außerdem ist es frauenfeindlich! | |
| Herr Schwerdtfeger, was haben Sie gegen Humor, Komik, Lachen? | |
| Das Leben ist ernst und darüber macht man sich nicht lustig. Kein einziges | |
| Menschheitsproblem wurde durch Lachen gelöst, das wissen Sie so gut wie | |
| ich. Komik verhindert sogar, dass man Probleme anpackt. Stattdessen lacht | |
| man und fühlt sich besser. So stiehlt man sich aus der Verantwortung! Zum | |
| Beispiel der Verantwortung, für ausreichend viele öffentliche Pissoirs zu | |
| sorgen. | |
| In Bochum und Köln? Herr Schwerdtfeger, ich erzähle Ihnen noch einen Witz: | |
| „Sherlock Holmes und Dr. Watson zelten. Mitten in der Nacht weckt Holmes | |
| seinen Begleiter und fragt: ,Watson, sehen Sie hoch zu den Sternen. Was | |
| schließen Sie daraus?’ Watson: ,Ich sehe Millionen Sterne, und wenn nur | |
| einige von ihnen Planeten haben, könnten welche wie die Erde dabei sein. | |
| Deshalb könnte es Leben im All geben.’ Holmes erwidert: ,Watson, Sie Idiot! | |
| Unser Zelt ist geklaut worden!’“ | |
| Das war der Witz? Nun, man sagt nicht „Idiot“ zu einem Menschen. Der Witz | |
| denunziert ihn als dumm und greift seine Identität als Idiot an! Das ist | |
| menschenverachtend. Für das von mir eben verwendete Wort „Idiot“ | |
| entschuldige ich mich. | |
| Gibt es nicht Schlechtes, das zu verlachen aufklärerisch und notwendig ist? | |
| Über Schlechtes lachen ist zynisch. Man zieht Lust aus einem Missstand, | |
| Menschenskind! Und kommen Sie mir nicht mit „Ironie“. Das ist nur ein | |
| weiterer tückischer Trick, um über andere herzuziehen. | |
| Gibt es Ihrer Meinung nach menschliche Schwächen, über die man mit Humor … | |
| Spott über Menschen ist übergriffig. Punkt. | |
| Und über Zustände, Sachen? | |
| Genauso, was sonst? Denn dahinter steht immer ein Mensch. Satire zeugt von | |
| fehlendem Respekt, von verweigerter Akzeptanz und mangelnder Empathie. Und | |
| vergessen Sie nicht, Satire grenzt aus. Sie spaltet die Gesellschaft! Sie | |
| spaltet unser Wir! | |
| Was sagen Sie zu dem Bonmot, das Billy Wilder zugeschrieben wird: „Wenn ich | |
| einen guten Witz habe, ist mir egal, wen ich damit beleidige?“ | |
| Ein klarer Fall fürs Strafrecht. Es gibt keine guten Witze. Was es viel | |
| mehr geben sollte, sind öffentliche Schutzräume neben Kinosälen, | |
| Kabarettkellern und überhaupt in Fußgängerzonen, damit Menschen, die sich | |
| beispielsweise im Zeitungsladen beim Blättern in einer Satirezeitschrift | |
| verletzt fühlen, sich zurückziehen und beim Kuscheln mit Plüschtieren von | |
| dem traumatischen Erlebnis erholen können. Die Amerikaner sind da schon | |
| weiter als wir. | |
| Glauben Sie, so werden alle Übel in der Welt beseitigt? | |
| Sie wollen mich nicht verstehen. Dabei ist es so einfach: Helfen statt | |
| spotten, eingreifen statt höhnen, verändern statt ulken, darum geht es. | |
| Wenn ich etwas schlecht finde, sage ich das in klaren, unmissverständlichen | |
| Sätzen, am besten in leichter Sprache, und mache kein Gedöns aus vorgeblich | |
| lustigen Wortgirlanden. | |
| Was halten Sie von dem Wort „Spaßbremse?“ | |
| Bezeichnungen wie „Spaßbremse“ oder „humorlos“ stigmatisieren Menschen. | |
| Sind Sie für Stigmatisierung? | |
| Eine letzte Frage: Wie viele Mitglieder hat Ihr Verein? Ein einziges? | |
| Sie scherzen! | |
| Nein, die Frage ist ernst. | |
| Dann ist es gut, denn solche Scherze vertrage ich nicht! | |
| Herr Schwedtfeger, wir danken Ihnen für das Gespräch. | |
| 10 Jan 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Peter Köhler | |
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