# taz.de -- Plan der EU-Kommission: Ein Meldesystem für Whistleblower | |
> Anonyme Hinweisgeber zeigen oft als Erste, wenn etwas schiefläuft. Die | |
> EU-Kommission will sie eigentlich schützen, macht es ihnen aber schwer. | |
Bild: Whistleblower-Legende: Edward Snowden beim Chaos Communication Congress a… | |
BRÜSSEL taz | Jahrelang waren „Whistleblower“ (anonyme Hinweisgeber) in | |
Brüssel verpönt. Als sich etwa der Franzose Antoine Deltour vor zwei Jahren | |
vor einem Luxemburger Gericht in der LuxLeaks-Steueraffäre verantworten | |
musste, weil er brisante Informationen an die Medien durchgestochen hatte, | |
konnte er nicht auf Hilfe von der EU-Kommission rechnen. | |
Doch nun hat die Behörde ihre Meinung geändert. Gleich zwei Kommissare | |
präsentierten am Montag einen Gesetzesentwurf, wie Whistleblower künftig | |
geschützt werden sollen. „Es sollte keine Strafe dafür geben, das Richtige | |
zu tun“, sagte Vizepräsident Frans Timmermans. Whistleblower seien wichtig, | |
betonte Justizkommissarin Věra Jourová. | |
Bei den LuxLeaks, aber auch beim Dieselgate und beim jüngsten | |
Facebook-Skandal hätten die „Einflüsterer“ der Gesellschaft wichtige | |
Dienste geleistet, heißt es nun. Timmermans begründete den plötzlichen | |
Sinneswandel mit der Europawahl 2019: „Die Bürger sollen sehen, dass wir | |
ihnen etwas bieten können.“ | |
Einen wichtigen Anstoß gaben wohl auch die Morde an zwei prominenten | |
investigativen Journalisten. Jourova würdigte Daphne Caruana Galizia aus | |
Malta und Jan Kuciak aus der Slowakei: „Das schulden wir den Journalisten, | |
die ihr Leben verloren haben, weil sie zu tief gebohrt haben.“ Auch | |
JournalistInnen sollen durch den Entwurf besser geschützt werden. | |
Allerdings entspricht der Entwurf nicht wirklich dem Arbeitsalltag von | |
Informanten und Reportern. Es sieht den Aufbau eines komplizierten | |
Meldesystems für Firmen und Behörden vor. Erst wenn dieses neue System | |
versagt, sollen Missstände veröffentlicht werden. Nur so könne | |
„ungerechtfertigter“ Rufschaden verhindert werden, so die EU-Kommission. | |
Das neue EU-Gesetz würde Firmen und Behörden ab einer bestimmten Größe zum | |
Aufbau eines internen Meldesystems mit klaren Ansprechpartnern für | |
potenzielle Whistleblower verpflichten und ihnen Anonymität zusichern. | |
Firmen und Behörden müssten innerhalb von drei Monaten auf Meldungen | |
reagieren. Läuft die Frist ab, ohne dass der Whistleblower eine Reaktion | |
erhält oder der Missstand abgestellt wird, kann er sich direkt an den Staat | |
wenden. Auch dieser muss Adressaten und Verfahren benennen. Hier ist die | |
Reaktionsfrist drei bis sechs Monate. | |
Ob ein solches Verfahren geholfen hätte, die vermuteten Missstände im | |
Steuersystem von Luxemburg zu beheben oder die angebliche Geldwäsche auf | |
Malta aufzuklären, ist unklar. Zunächst müssten immer alle Fakten geprüft | |
werden, sagte Timmermans. „Wenn etwas herauskommt, das unser Handeln | |
rechtfertigt, werden wir davor nicht zurückschrecken, wir werden handeln.“ | |
Die EU-Kommission will also nicht automatisch auf Vorwürfe von | |
Whistleblowern und investigativen Journalisten reagieren. Und diese sollen | |
auch nicht mehr (wie bisher) selbst die Initiative ergreifen, sondern sich | |
auf langwierige Überprüfungen einlassen. Dennoch erhielt der Vorschlag der | |
Kommission viel Lob. Von einem „Durchbruch“ sprach der grüne | |
Europaabgeordnete Sven Giegold. Auch Transparency Deutschland begrüßte den | |
Entwurf. | |
Bisher ist der Schutz von Whistleblowern in den 28 EU-Staaten sehr | |
unterschiedlich geregelt. In Großbritannien und Irland genießen sie hohen | |
Schutz. In Zypern gibt es dagegen überhaupt keine Regelung. Die deutsche | |
Regierung hat einen eigenen Entwurf vorgelegt, der nach Ansicht von | |
Kritikern aber weit hinter dem EU-Vorschlag zurückbleibt. | |
23 Apr 2018 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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