Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Nach der Amoktat vom Wochenende: Stadt Münster sieht keine Schuld
> Nach der Todesfahrt verteidigt der Bürgermeister sein Gesundheitsamt.
> Dort hatte der Täter vorgesprochen und seine Probleme geschildert.
Bild: Der Tatort in der Altstadt von Münster am Mittwoch
Bochum taz | Fünf Tage nach der Todesfahrt von Münster hat die Polizei
erneut Überlegungen zurückgewiesen, die Tat sei durch bessere Betreuung des
Täters Jens R. zu verhindern gewesen. „Aus den uns vorliegenden Dokumenten
geht in keinster Weise hervor, dass ein Suizid unmittelbar bevorstand“,
sagte Polizeisprecher Andreas Bode der taz. „Das Gleiche gilt auch für eine
Gefährdung Dritter.“
Zuvor war bekannt geworden, dass der im Sauerland geborene Jens R. seit
Längerem als psychisch labil galt. Wie Münsters Oberbürgermeister Markus
Lewe (CDU) bestätigte, hatte der 48-Jährige bereits in den Jahren 2015 und
2016 „sporadische Kontakte“ zum Sozialpsychiatrischen Dienst des
Gesundheitsamts der Stadt.
Der Industriedesigner war am Samstag mit seinem VW-Bus in den Biergarten
der „Kiepenkerl“-Traditionsgaststätten gefahren. Dabei tötete er zwei
Menschen und verletzte mehr als 20 zum Teil schwerst. Ein Opfer schwebt
noch immer in Lebensgefahr. Unmittelbar nach der Tat erschoss sich Jens R.
selbst.
Zwischen Dezember 2016 und dem 27. März 2018 habe keinerlei Kontakt zum
Täter bestanden, verteidigte Bürgermeister Lewe seine Mitarbeiter. An
diesem Tag sei R. unangekündigt beim Gesundheitsamt aufgetaucht und habe
„ein umfangreiches, von ihm selbst verfasstes Schreiben“ abgegeben. Dabei
handelt es sich offenbar um eine mehr als 70 Seiten starke Lebensbilanz.
## „Keine Hinweise auf Suizidgefahr“
„Hinweise auf eine unmittelbar drohende Suizidgefahr oder Fremdgefährdung“
hätten sich daraus aber nicht ergeben, so Lewe – und die seien nach dem
liberalen nordrhein-westfälischen Psychisch-Kranken-Gesetze zwingende
Voraussetzung, um jemanden zwangsweise in einer psychiatrischen Klinik
unterzubringen.
Gleiches gelte auch für eine Mail, die Jens R. am 29. März – also neun Tage
vor der Todesfahrt in Münsters Altstadt – an Nachbarn und Verwandte
schickte, so die Polizei: Allenfalls „vage Hinweise auf suizidale Gedanken“
ließen sich in dem Schreiben finden. Dennoch versuchten alarmierte Beamte,
den Mann in seinen Wohnungen in Münster, dem sächsischen Pirna und in
Heidenau bei Dresden zu treffen – doch Jens R. blieb unauffindbar.
Gedanken an Selbsttötung spielten im Leben des Todesfahrers offenbar immer
wieder eine Rolle. In dem 70-seitigen, beim Gesundheitsamt abgegebenen
Dokument beschreibt er bereits seine Kindheit im Sauerland als schwierig:
Schon als Siebenjähriger habe er über Suizid nachgedacht. Nach Abitur am
Gymnasium Petrinum im sauerländischen Brilon und Studium an der
Fachhochschule Münster schien R. aber stabilisiert: Als Designer war er
zunächst erfolgreich, entwarf etwa eine Lampe, die sich gut verkaufte und
ihm einen aufwändigen Lebenstil mit mehreren Wohnungen und bis zu fünf
Autos ermöglichte.
## Nach Treppensturz die Kontrolle verloren
Spätestens nach einem Sturz im Treppenhaus, bei dem er sich 2015 die
Wirbelsäule verletzte, scheint R. die Kontrolle über sein Leben aber immer
mehr entglitten zu sein. Ärzten warf er vor, ihn vorsätzlich zum Krüppel
operiert zu haben. Nachbarn tyrannisierte er, weil er glaubte, von ihnen im
Hausflur abgestellte Dinge hätten erst zu seinem Sturz geführt. Auch
geschäftlich war er immer weniger erfolgreich.
Ein Ende der Ermittlungen der Polizei ist noch nicht abzusehen. „Wir
arbeiten weiter an einem genauen Bewegungsprofil des Täters“, so
Polizeisprecher Bode. Unklar ist bisher auch, woher die Pistole aus
jugoslawischer Produktion stammt, mit der sich Jens R. das Leben nahm.
12 Apr 2018
## AUTOREN
Andreas Wyputta
## TAGS
psychische Gesundheit
Polizei
Münster
Suizid
Amoklauf
Münster
Münster
Münster
## ARTIKEL ZUM THEMA
Gastkommentar Psychische Erkrankungen: Vorsicht vor Generalverdacht
Nach Vorfällen wie der Amokfahrt in Münster werden Antworten gesucht. Aber
die Stigmatisierung psychisch Kranker sollte vermieden werden.
Kriminologe über Amokfahrt von Münster: „Ein erweiterter Selbstmord“
Es gibt eine Verschiebung hin zum Individualterrorismus, sagt Thomas
Feltes. Der Kriminologe spricht über die Gefährdung durch psychisch
erkrankte Menschen.
Deutscher tötet mit Auto Café-Besucher: Eine Stadt sucht eine Antwort
In Münster tötet ein Mann vorsätzlich. Es findet sich kein Motiv. Warum tat
Jens R. das? Über eine Stadt, der die Ruhe abhanden kam.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.