# taz.de -- Die Wahrheit: Von Zebrafischen mit Zebrastreifen | |
> Die lustige Tierwelt und ihre ernste Erforschung (51): Winzige | |
> Zebrabärblinge machen so manches im Dienste der Gesundheit durch. | |
Bild: Wo bleibt er bloß, der Zebrafisch? Ein Roboterfisch auf der Suche in ein… | |
Bei den meisten Labortieren (lat. laborare: arbeiten) besteht die Leistung | |
darin, dass sie künstlich bei ihnen eingeführte Substanzen (sehr oft | |
Chemikalien) unter Qualen aushalten müssen. Die kaum fünf Zentimeter groß | |
werdenden Zebrafische aus dem Ganges gelten als die „Laborratten“ unter den | |
Fischen. Es wurden bereits 25.000 wissenschaftliche Studien über sie | |
veröffentlicht, „darunter über 2.000 allein im Jahr 2015“, berichtet der | |
Verhaltensbiologe Jonathan Balcombe in „Was Fische wissen“. | |
Die Aquarianerzeitschrift Koralle schreibt in ihrer März-Ausgabe über die | |
Anfänge der Zebrafischforschung: „Seit es zu Beginn der 80er-Jahre gelang, | |
einen Zebrafisch zu klonen, wurden verschiedene genetische Stämme rein | |
gezüchtet.“ Und damit kennt die Forschung an diesen kleinen Bärblingen nun | |
kein Halten mehr. So pflanzten zum Beispiel einige Genetiker in Singapur | |
ihren Zebrafischchen Gene einer Leuchtqualle ein, sodass sie nun ebenfalls | |
im Dunkeln leuchten. | |
Vor allem wurde der Zebrafisch aber ein „Kleintier-Krankheitsmodell“ – f�… | |
Störungen des Blutkreislaufs, Leberleiden, Nervendegeneration und Krebs. | |
Der Koralle-Autor erwähnt ferner, „dass Stämme mit fehlender Pigmentierung | |
Einblicke in das Innenleben eines Zebrafisches gestatten. Spezielle | |
Computersysteme, ausgerüstet mit Videokameras, zeichnen | |
Verhaltensänderungen bei epileptischen Anfällen auf und helfen, diese | |
auszuwerten. | |
Neue Arzneimittel können so geprüft werden, indem man testet, ob sie eine | |
Linderung der Symptome erreichen. Aber auch die negativen, toxischen | |
Auswirkungen dieser Substanzen werden mithilfe der Zebrafische erforscht.“ | |
Es sind Millionen jährlich, die dabei draufgehen. Im Dienste unserer | |
Gesundheit. | |
Es gibt aber auch Forschung im Dienste ihrer Gesundheit – nämlich indem man | |
ihr Empfindungsvermögen experimentell studiert. Dabei geht es jedoch | |
ebenfalls nur um ihre Leidensfähigkeit. In einer der von Balcombe erwähnten | |
Studien wurde 132 Zebrafischen Essigsäure in den Schwanz gespritzt: „Sie | |
schlugen daraufhin auf eine eigenartige Weise mit dem Schwanz.“ Setzte man | |
sie aber dem Alarm-Pheromon eines anderen Zebrafisches aus, reagierten sie | |
„normal und schwammen zum Grund“. Die Forscher folgerten: Die Angst der | |
Fische hat Vorrang vor ihrem Schmerz. | |
Bei einem anderen Experiment wurde einigen Zebrafischen Essigsäure | |
injiziert, anderen ein harmloseres Salzwasser. Beide Gruppen änderten ihr | |
Verhalten nicht und zogen den Teil des Aquariums vor, wo im Gegensatz zu | |
einem anderen Pflanzen wuchsen. Als man jedoch in den ungeliebten Teil ein | |
Schmerzmittel gab, schwammen die Zebrafische, denen man Säure injiziert | |
hatte, sofort dorthin. | |
## Stimmungsabhängiger Bärbling | |
Forscher des Max-Planck-Instituts für Neurobiologie untersuchten genetisch | |
veränderte Zebrafische mit einem Cortisolmangel, dabei diagnostizierten sie | |
Anzeichen einer Depression. Als sie dann jedoch Medikamente gegen | |
Angstzustände, Valium und Prozac, ins Wasser gaben „normalisierte sich ihr | |
Verhalten“. Schon ein Sichtkontakt mit anderen Zebrafischen, die durch eine | |
Scheibe von ihnen getrennt waren, besserte ihre Stimmung. | |
All diese gemeinen Experimente haben mitbewirkt, dass das Schmerzempfinden | |
von Fischen in der von Hobbyanglern wimmelnden USA nun quasi amtlich | |
anerkannt ist. Damit nähert sich die Spezies dem Subjektstatus ein Stück | |
mehr. Der Soziologe Bruno Latour ist optimistisch: „Irgendwann wird man es | |
genauso seltsam finden, dass die Tiere und Pflanzen kein Stimmrecht haben – | |
wie nach der Französischen Revolution, dass bis dahin die Menschenrechte | |
nicht auch für Frauen und Schwarze galten.“ | |
Die technowissenschaftlichen Zebrafischstudien im Netz unterscheiden sich | |
von den dortigen Veröffentlichungen der Aquarianer wie Feuer von Wasser – | |
Zitat: „Der Zebrafisch gehört zu den beliebtesten Zierfischen und wird | |
wegen seiner einfachen Haltung besonders Neulingen in der Aquaristik oft | |
zur Haltung und auch zur Zucht empfohlen. Optisch sticht diese Art sofort | |
ins Auge: Über den gesamten schlanken Körper ziehen sich horizontale | |
Streifen in dunkelblau und – je nach Lichteinfall – silbern oder gold.“ | |
## Wählerisch ist er nicht | |
Weiter heißt es: „Der Zebrabärbling ist kein wählerischer Fresser. Eine | |
abwechslungsreiche Ernährung beugt aber Mangelerscheinungen vor und trägt | |
zu einer guten Abwehrkraft der Fische bei.“ Bei der Zucht gilt es zu | |
beachten: „Die weiblichen Bärblinge legen in den frühen Morgenstunden den | |
Laich in die Bepflanzung ab. Es empfiehlt sich, die Elterntiere nach dem | |
Ablaichen möglichst schnell aus dem Zuchtbecken zu entfernen, da sie | |
üblicherweise starke Laichräuber sind, selbst dann, wenn sie zuvor gut | |
gefüttert wurden.“ Ein anderes Aquarianer-Forum gibt zu bedenken: „Die | |
meisten Aquarienfische haben zwar Kompatibilität mit Zebrafischen. Es gibt | |
jedoch einige Arten, die sie als Nahrung betrachten.“ | |
Die Zeit hob bei den Zebrafischen hervor, dass sie „schön“ aussehen: „Zw… | |
muss man aufgrund der geringen Größe schon genau hingucken, aber dafür wird | |
man mit einem prächtigen Farbenspiel belohnt. Dunkelblau, fast schwarz | |
schimmern die Längsstreifen auf dem silberweißen Fischkörper. Und bei | |
richtigem Lichteinfall, da beginnt der Zebrabärbling sogar ein wenig zu | |
glitzern.“ | |
Geht es um Verhaltensbeobachtung von Aquarienfischen, kooperieren die | |
Wissenschaftler gerne mit Aquarianern, denn von denen verbringen manche | |
Tausende von Stunden im Jahr vor ihren Fischbecken, während die | |
Wissenschaftler vor allem mit Schreibarbeiten beschäftigt sind. | |
In der Fachzeitschrift Animal Behaviour veröffentlichten die Biologen Sarah | |
Zala und Dustin Penn von der Veterinärmedizinischen Universität Wien eine | |
eigene Beobachtung an Zebrafischen. Sie wollten herausfinden, ob auch | |
Zebrafische über soziales Lernen Risiken einschätzen. Wie reagieren sie | |
etwa auf sich bewegende Objekte? Schwammen die Fische relativ nahe an das | |
bewegte Objekt heran, wurden sie als „mutig“ eingestuft, während die Tiere, | |
die sich eher in einiger Entfernung an der Rückseite des Aquariums | |
aufhielten, als „scheu“ bezeichnet wurden. | |
Das Ergebnis: „Wenn die wilden Zebrafische mit den gezähmten Tieren | |
gemeinsam gehalten wurden, schwammen sie näher an das sich bewegende Objekt | |
heran.“ Dies bestätigte die Annahme der Wissenschaftler, dass Zebrafische | |
tatsächlich von ihren Artgenossen lernen können, Risiken einzuschätzen, | |
ohne sich selbst potenziell gefährlichen Situationen auszusetzen: Sie | |
beobachten das Verhalten der anderen und ändern ihres entsprechend.“ | |
Das Verhalten lässt sich auch von Menschen steuern: Schweizer | |
Wissenschaftler haben einen Roboterfisch entwickelt, der seine | |
„Artgenossen“ beobachten soll. Mit Hilfe des künstlichen Zebrafisches | |
wollen die Forscher mehr über die Kommunikation und Entscheidungsfindung in | |
Fischschwärmen erfahren. Obwohl der Roboter etwas größer als die lebenden | |
Zebrafische ist, kann er Fischgruppen unterwandern und sogar ihr Verhalten | |
ändern. Ja, sie schwimmen neugierig hinter ihm her. Man sieht geradezu, wie | |
sie ins Grübeln kommen: „Was ist das denn für ein komischer Vogel?“ | |
9 Apr 2018 | |
## AUTOREN | |
Helmut Höge | |
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