Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Europäischer Haftbefehl und Puigdemont: Ein superheikler Fall
> Die Justiz muss über die Auslieferung von Carles Puigdemont entscheiden.
> Bei Problemen wird Spanien den Antrag zurückziehen.
Bild: Kann Puigdemont nun ausgeliefert werden?
Spanien hat gegen den ehemaligen katalanischen Regionalpräsidenten Carles
Puigdemont einen Europäischen Haftbefehl [1][wegen Rebellion] und
Unterschlagung öffentlicher Gelder beantragt. Diesen prüft nun zunächst der
Generalstaatsanwalt von Schleswig-Holstein auf Stichhaltigkeit.
Die eigentliche Entscheidung trifft aber das Oberlandesgericht Schleswig.
Es ist ein superheikler Fall in einem Graubereich. Und eine eindeutige
Lösung wird es am Ende vielleicht gar nicht geben.
Der Europäische Haftbefehl soll die Auslieferung zwischen EU-Staaten
erleichtern und beschleunigen. Entscheidungen von Gerichten und
Staatsanwaltschaften anderer EU-Staaten sollen grundsätzlich anerkannt
werden.
Der Europäische Haftbefehl wurde von den EU-Staaten 2002 beschlossen. 2003
hat ihn Deutschland im „Gesetz über die internationale Rechtshilfe in
Strafsachen“ (IRG) umgesetzt. Von Auslieferung spricht man, wenn ein
Ausländer, der sich in Deutschland aufhält, an einen ausländischen Staat
überstellt wird, damit er dort zum Beispiel vor Gericht gestellt werden
kann.
## Keine politische Entscheidung
Gegenüber einem normalen Auslieferungsverfahren unterscheidet sich der
Europäische Haftbefehl vor allem in drei Punkten: Erstens gibt es strenge
Fristen. Binnen 60 Tagen muss über die Auslieferung entschieden sein.
Zweitens gibt es keine politische Entscheidung über die Bewilligung der
Auslieferung. Hier entscheidet allein die Justiz. Die Bundesregierung hat
nichts zu sagen. Drittens: Für zahlreiche Delikte ist keine beiderseitige
Strafbarkeit erforderlich.
Das Oberlandesgericht prüft zunächst, ob es hier auf beidseitige
Strafbarkeit ankommt. Das ist nicht der Fall, wenn Spanien Puigdemont Taten
vorwirft, die in einer Liste von 32 Deliktsarten (von Mord bis
Kinderpornographie) aufgeführt sind. Rebellion und Unterschlagung von
öffentlichen Geldern gehören nicht dazu. Das heißt, eine Auslieferung
erfordert grundsätzlich, dass die Delikte auch in Deutschland strafbar
sind.
Ein Delikt namens „Rebellion“ gibt es in Deutschland nicht. Eventuell
könnte der „Hochverrat“ (§ 81 Strafgesetzbuch) passen. Dort heißt es „…
es unternimmt, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt den Bestand der
Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen (…) wird mit lebenslanger
Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft.“
Das könnte auch die eigenmächtige Abspaltung eines Bundeslandes erfassen.
Auch nach spanischem Recht ist für eine Rebellion „Gewalt“ erforderlich. Ob
Puidgemont die ausgeübt hat, müsste grundsätzlich die spanische Justiz
entscheiden, nicht die deutsche. Der spanische Ermittlungsrichter
argumentierte mit Gewalttaten bei einer Demonstration vor dem katalanischen
Wirtschaftsministerium im September 2017.
## Der politische Charakter liegt auf der Hand
Die „Unterschlagung öffentlicher Gelder“ wäre in Deutschland wohl eher als
„Untreue“ strafbar (§ 266 Strafgesetzbuch). Dass die Delikte den gleichen
Namen haben, ist nicht erforderlich. Der Ermittlungsrichter wirft
Puigdemont hier vor, er habe mit Staatsgeldern ein illegales Referendum
finanziert.
Der politische Charakter des Verfahrens liegt auf der Hand. Anders als bei
einem normalen Auslieferungsverfahren kann Deutschland aber nicht deshalb
die Auslieferung verweigern.
Die Überstellung Puidgemonts wäre jedoch dann unzulässig, wenn „ernstliche
Gründe für die Annahme bestehen“, dass er wegen seiner „politischen
Anschauungen“ verfolgt wird oder seine Lage aus diesem Grunde „erschwert“
wird. Diesen Vorwurf könnte man erheben – zwingend ist das aber sicher
nicht.
Um Zeit zu gewinnen, könnte das OLG das Verfahren dem Europäischen
Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg vorlegen. Der hat in jüngster Zeit auch
beim Europäischen Haftbefehl anerkannt, dass Grundrechte des Betroffenen
einer automatischen Überstellung entgegenstehen können. Die
EuGH-Rechtsprechung ist hier aber noch recht lückenhaft.
## Ablehnung würde politische Krise auslösen
Ein Asylantrag würde Puidgemont dagegen nicht helfen, denn der könnte das
Auslieferungsverfahren nicht aufhalten. Rechtlich ist klar, dass
Verfolgungsvorwürfe direkt im Auslieferungsverfahren zu prüfen sind.
Die offizielle Ablehnung eines europäischen Haftbefehls im Fall Puigdemont
würde wohl eine justizielle und politische Krise in der EU auslösen. Sollte
die deutsche Justiz den spanischen Kollegen informell signalisieren, dass
es Probleme mit der Auslieferung geben könnte, würde die spanische Justiz
wohl den Europäischen Haftbefehl aussetzen. So wurde schon im Dezember 2017
verfahren, als die belgische Justiz einen europäischen Haftbefehl Spaniens
prüfte.
26 Mar 2018
## LINKS
[1] /Kommentar-Katalonien/!5493774
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Carles Puigdemont
Katalonien
Haftbefehl
Spanien
Katalonien
Carles Puigdemont
Carles Puigdemont
Spanien
Katalonien
Carles Puigdemont
Katalonien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Protest gegen die Haft für Puigdemont: Katalanen hoffen auf deutsche Justiz
Viele Führer der Separatistenbewegung sitzen in Haft, so wie Carles
Puigdemont. In Barcelona scheint der Wunsch nach Unabhängigkeit
ungebrochen.
Kommentar Festnahme Puigdemonts: Es gilt die Gewaltenteilung
CSU, FDP und Linke fordern die Freilassung des katalanischen
Nationalistenführers Carles Puigdemont. Doch das entscheidet einzig die
Justiz.
Festgenommener Separatistenchef: Puigdemont beschäftigt die Justiz
Kataloniens Ex-Regionalpräsident Puigdemont bleibt vorerst in Gewahrsam,
entschied das Amtsgericht Neumünster. Nun beginnt das
Auslieferungsverfahren.
Deutschland zum Fall Puigdemont: Bundesregierung hält sich's offen
Offiziell unterstützt die Bundesregierung die spanische Haltung im
Katalonienkonflikt. Dennoch ist unklar, ob es zur Auslieferung Puigdemonts
kommt.
Kommentar Katalonien: Deutsche Erfüllungsgehilfen
Das Verhalten der spanischen Regierung und Justiz ähnelt einem
Staatsstreich. Rajoy versteckt sich dabei hinter den Richtern – und
Deutschland.
Proteste gegen Festnahme Puigdemonts: Mindestens hundert Verletzte
In Katalonien gab es bei Zusammenstößen von Polizei und Demonstranten
Verletzte und Festnahmen. Am Montag wird Puigdemont einem Richter
vorgeführt.
Ex-Regionalpräsident von Katalonien: Puigdemont an der A7 festgenommen
Der katalanische Separatistenführer wurde bei seiner Einreise nach
Deutschland aufgrund eines europäischen Haftbefehls festgesetzt. Ihm drohen
30 Jahre Haft.
Krise in Katalonien: Zwischen Amt und Anklage
Die Anklageschrift gegen 23 Unabhängigkeitsbefürworter liegt jetzt vor.
Einer von ihnen fällt beim ersten Wahlgang für das Amt des Premiers durch.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.