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# taz.de -- Inhaftierung von Journalisten: Europäischer Gerichtshof rügt Tür…
> Mehmet Altan und Şahin Alpay saßen zu Unrecht in Untersuchungshaft. Das
> entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte.
Bild: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat am Dienstag
erstmals die Türkei wegen Maßnahmen nach dem Putschversuch von 2016
verurteilt. Die Inhaftierung der beiden Journalisten Mehmet Altan und
[1][Şahin Alpay] sei rechtswidrig gewesen. Der Straßburger Gerichtshof
stützte dabei zugleich das türkische Verfassungsgericht.
[2][Nach dem Putschversuch vom Juli 2016], für den die Türkei den in den
USA lebenden Prediger Fethullah Gülen verantwortlich macht, verloren
Zehntausende Bürger ihre Posten im Staatsdienst und landeten teilweise im
Gefängnis. Nach Angaben von Reporter ohne Grenzen wurden auch 150
Journalisten inhaftiert. Der Staat warf ihnen jeweils Verbindungen zu
terroristischen Organisationen vor, wozu er auch die religiöse
Gülen-Bewegung rechnet.
Gegen diese Maßnahmen hatten sich Zehntausende Betroffene an den
Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg gewandt. Der EGMR ist eine
Einrichtung des Europarats, dem 47 Staaten angehören (einschließlich der
Türkei, Russlands und der Schweiz). Er wacht über die Einhaltung der
Europäischen Menschenrechtskonvention.
## Ein erster Erfolg
Bisher waren alle Klagen abgelehnt worden, weil zunächst der türkische
Rechtsweg erschöpft werden müsse. Die Klagen der beiden Journalisten Mehmet
Altan und Şahin Alpay sind die ersten, über die der EGMR inhaltlich
entschied.
Altan war Ökonomieprofessor und Journalist. Im inzwischen geschlossenen
Fernsehsender Can Ecinsan TV hatte er eine politische Diskussionssendung.
Alpay schrieb für die konservative regierungskritische Zeitung Zaman, die
der Gülen-Bewegung nahestand. Sie war einst die auflagenstärkste Zeitung
der Türkei, wurde aber 2016 geschlossen, 47 ehemalige Mitarbeiter wurden
verhaftet. Alpay wurde vorgeworfen, er sei Mitglied der als
Terrororganisation eingestuften Gülen-Organisation (Fetö).
Am 11. Januar hatte das türkische Verfassungsgericht die Freilassung der
beiden Journalisten angeordnet. Doch das zuständige Strafgericht in
Istanbul ignorierte die Anordnung und ließ beide weiter in
Untersuchungshaft.
Auf diese Entscheidung des türkischen Verfassungsgerichts aus dem Januar
nahm der EGMR nun mehrfach in Bezug. So bestätigte der EGMR die Auffassung
der türkischen Richter, dass die Meinungsfreiheit der beiden Journalisten
durch die Untersuchungshaft verletzt worden war. Die Äußerung von Kritik an
der Regierung sollte nicht zu gravierenden strafrechtlichen Vorwürfen
führen.
Zudem stellte der Gerichtshof fest, dass die Türkei auch das Recht der
Journalisten auf Freiheit verletzt habe, weil sie nach dem Spruch des
türkischen Verfassungsgerichts nicht sofort freigelassen worden waren.
Die Straßburger Richter sprachen Altan und Alpay eine Entschädigung von
jeweils 21.500 Euro zu. Im Fall von Alpay verlangten die Straßburger
Richter in ihrem Urteil die sofortige Freilassung. Alpay war auf erneute
Anordnung des türkischen Verfassungsgerichts allerdings schon Ende voriger
Woche aus der Haft entlassen worden. Er darf das Land aber nicht verlassen.
Das Strafverfahren gegen ihn läuft weiter.
Dagegen wurde Ahmet Altan im Februar bereits zu lebenslanger Haft
verurteilt – wegen des Versuchs, die verfassungsmäßige Ordnung zu stürzen.
In seinem Fall verlangte der EGMR nicht die Freilassung. Er muss gegen die
strafrechtliche Verurteilung erneut den türkischen Rechtsweg beschreiten.
Die EGMR-Richter bestätigten heute ihre bisherige Linie, dass türkische
Staatsbürger nicht direkt nach Straßburg gehen können, sondern erst alle
Rechtsmittel in der Türkei ausschöpfen müssen. Hierzu gehöre auch die
Anrufung des türkischen Verfassungsgerichts. Es sei allerdings bedenklich,
wenn einfache Strafgerichte die Anordnungen des türkischen
Verfassungsgerichts einfach ignorieren. Der EGMR werde daher die weitere
Entwicklung genau beobachten.
In Straßburg sind noch zahlreiche Beschwerden gegen die Türkei von
Journalisten anhängig – auch die des kürzlich freigelassenen
Welt-Journalisten und früheren taz-Redakteurs Deniz Yücel.
20 Mar 2018
## LINKS
[1] /Tuerkischer-Journalist-aus-Haft-entlassen/!5492181
[2] /Putschversuch-in-der-Tuerkei/!5325490
## AUTOREN
Christian Rath
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Schwerpunkt Türkei
EGMR
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