# taz.de -- OECD-Studie zu MigrantInnen: Doppelt so häufig Schulversager | |
> In den meisten Staaten haben SchülerInnen mit Migrationshintergrund | |
> schlechtere Bildungschancen. Besonders schlecht sind sie in Deutschland. | |
Bild: Kinder aus Einwandererfamilien sind oft hoch motiviert, schneiden aber sc… | |
BERLIN taz | Schüler mit Migrationshintergrund haben ein doppelt so hohes | |
Risiko in der Schule zu versagen wie Schüler ohne Migrationshintergrund. | |
Das zeigt eine Studie der OECD zur Resilienz von Schülern mit | |
Migrationshintergrund, die am Montagmittag veröffentlicht worden ist. | |
Im Durchschnitt der 35 OECD-Länder verfehlen 50 Prozent der Schüler, die | |
mit ihren ausländischen Eltern in erster Generation eingewandert sind, das | |
unterste Kompetenzniveau im Lesen, in Mathematik und in | |
Naturwissenschaften. Bei den Schülern ohne Migrationshintergrund sind es | |
nur 28 Prozent. | |
Die Studie unterscheidet zwischen Kinder aus eingewanderten Familien erster | |
und zweiter Generation sowie Kindern mit einem oder zwei ausländischen | |
Elternteilen. Sie misst neben den schulischen Kompetenzen auch die | |
Zufriedenheit, wie gerne die Kinder lernen und wie ehrgeizig sie sind, ob | |
sie das Gefühl haben dazuzugehören oder ausgegrenzt zu werden. | |
Der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund wächst in reichen Ländern | |
des Westens, OECD-weit hatte fast jedes vierte Kind 2015 einen | |
Zuwanderungshintergrund. Bildung gilt als Schlüssel, um Einwanderer und | |
ihre Kinder in eine Gesellschaft zu integrieren. „Es ist alarmierend, dass | |
in der EU Schüler mit Migrationshintergrund deutlich häufiger an | |
grundlegenden Aufgaben in Naturwissenschaften, Lesen und Mathematik | |
scheitern. Wir brauchen zielgerichtete Politiken, die allen die Möglichkeit | |
geben, ihr Potential voll zu entfalten“, sagte Gabriela Ramos, von der | |
OECD, die den Bericht in Brüssel vorstellte. | |
Diesem zufolge, fühlen sich Zuwanderer in der Schule weniger dazugehörig, | |
haben häufiger schulbezogene Ängste und sind insgesamt weniger mit ihrem | |
Leben zufrieden. Allerdings sind Schüler mit Migrationshintergrund häufiger | |
hoch motiviert, um in der Schule und im Leben das Bestmögliche zu | |
erreichen. | |
## Selbst Skandinavier schneiden schlecht ab | |
Deutschland gehört zu den Ländern, in denen der Zusammenhang zwischen | |
Schulversagen und ethnischem Hintergrund besonders ausgeprägt ist. | |
Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund erreichen mehr als | |
doppelt so häufig wie Schüler ohne Migrationshintergrund nicht die | |
schulischen Grundkenntnisse. Doch sind die Deutschen hier nicht allein, | |
sondern befinden sich in „guter“ Gesellschaft mit skandinavischen Ländern | |
wie Dänemark, Schweden und Finnland oder den Nachbarn Österreich und | |
Belgien. | |
In Deutschland, Österreich, Belgien und Schweden, liegt der Anteil der | |
Schüler mit ausländischer Muttersprache über dem OECD-Durchschnitt und bei | |
knapp 30 Prozent, in Polen haben dagegen nur drei Prozent der Schüler einen | |
Migrationshintergrund. | |
In Finnland kommt etwa jedes zehnte Schulkind aus einer Familie mit | |
Migrationsgeschichte, ein vergleichsweise geringer Anteil. Warum versagen | |
also ausgerechnet die Finnen bei der Integration von Schülern? Einen | |
Erklärungsansatz dafür liefert die Zusammensetzung der Schülerschaft. So | |
war Finnland das Ziel vieler Menschen aus dem Irak und Somalia, bis die | |
finnische Regierung beide Länder 2016 zu sicheren Herkunftsstaaten | |
erklärte. Besonders Kinder aus somalischen Familien zeigen in den | |
finnischen Schulen deutlich schlechtere Leistungen als Kinder anderer | |
Einwanderergruppen, etwa Kinder russischer Herkunft. | |
## Der soziale Faktor erklärt vieles | |
Als größte Hindernisse für eine erfolgreiche Integration nennen die | |
Wissenschaftler aber Sprachschwierigkeiten und soziale Benachteiligung. | |
Gerade der sozio-ökonomische Faktor ist in vielen Ländern entscheidend. | |
Rechnet man soziale Unterschiede heraus, so schrumpfen die Unterschied | |
zwischen Schülern mit und ohne Migrationshintergrund. In den USA bestehen | |
zwischen Schülern mit und ohne Migrationshintergrund unter Berücksichtigung | |
des sozialen Faktors keinerlei Unterschiede mehr. In Deutschland haben | |
Schüler mit Migrationshintergrund dagegen weiterhin Nachteile, sie | |
erreichen mit geringerer Wahrscheinlichkeit Basiskompetenzen als deutsche | |
Muttersprachler. | |
Aber auch die Lernumgebung ist verantwortlich dafür, wie gut Schüler mit | |
Migrationshintergrund lernen. In Schulen, die einen hohen Anteil von | |
Kindern mit Zuwanderungshintergrund unterrichten, schneiden diese Kinder | |
schlechter ab als ins stärker gemischten Schulen. | |
Die Forscher weisen auch auf die Risiken hin, die entstehen, wenn Schüler | |
ausländischer Muttersprache zu früh von anderen Kindern getrennt und | |
zusammen mit schwachen Schülern unterrichtet werden. Sie werden in ihrer | |
Entwicklung zurückfallen, und zwar genau in jenen sprachlichen und | |
kulturell relevanten Fähigkeiten, die es ihnen erlauben, in der Schule | |
erfolgreich zu sein, heißt es in der Studie. Die Forscher verweisen dabei | |
auch auf die nach wie vor hohe soziale Segregation in den deutschen | |
Oberschulen, die Schüler in den meisten Bundesländern ab Klasse 5 besuchen. | |
## Was macht Schüler erfolgreicher | |
Doch belassen es Forscher nicht bei der Analyse, sondern fragten gezielt, | |
was es Schülern mit Migrationshintergrund erlaubt, trotz schlechterer | |
Startbedingungen in der Schule zu reüssieren. Sie bewerten die Rolle des | |
Bildungssystems, der Schulen und der Lehrer als entscheidend. | |
So empfehlen die OECD-Forscher frühe Sprachstandserhebungen und gezielte | |
Unterstützung für Kinder, die auffällig sind. Sie raten ferner dazu, das | |
Bewusstsein der Lehrenden für Diversity, also für die bunte Zusammensetzung | |
der Schülerschaft, zu schärfen und den Unterricht danach auszurichten. | |
Aktivitäten außerhalb des Unterrichts müssten verfügbar und die Teilnahme | |
daran allen Kindern ermöglicht werden. Außerdem brauchten benachteiligte | |
Schüler und Schulen zusätzliche Unterstützung. | |
Für die Studie haben die OECD-Forscher auf Daten der PISA-Studie sowie der | |
Europäischen Sozialerhebung (ESS) zurückgegriffen. Alle 35 OECD-Länder | |
wurden untersucht. | |
19 Mar 2018 | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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