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# taz.de -- Die Wahrheit: Rechtes Gejammer
> Der moderne Rechte beschwert sich für sein Leben gern. Noch lieber zetert
> bloß der auf völkischen Kurs geschwenkte ex-linke Konvertit.
Es ist schon schwierig mit den modernen Rechten. Der Rechte alten Schlages
empfand Gegenwind noch als Bestätigung. Er biss die Zähne zusammen, warf
eine Handvoll Pervitin ein, streichelte seinen Burschenschaftsschmiss und
zog ins Gefecht. Wissend, dass das Stahlbad – so wie das jünger’sche kalte
Wannenbad – nur abhärtet.
Die Rechten von heute aber jammern durch. Ob im Kulturbetrieb, im Bundestag
oder in den Medien. Ununterbrochen beschweren sie sich über die „linke
Meinungsdiktatur“ und mediale „Gesinnungskorridore“. Sie schreiben Bücher
und Zeitungen mit Texten voll, in denen sie behaupten, eine Meinung wie
ihre könne man in Deutschland nicht publizieren; sie setzen sich auf Bühnen
und Podien und sagen: „Das, was ich gerne sagen würde, darf man ja
öffentlich nicht sagen.“ Und dann sagen sie es. Und sie fordern ein, dass
es erlaubt sein muss, gegen unliebsame Politik – wie die „illegale
Masseneinwanderung“ – auf den Straßen zu demonstrieren. Dass genau das in
Dresden seit über zwei Jahren allmontäglich geschieht, ohne dass je ein
Pegidist wegen Wahrnehmung seines Demonstrationsrechts verhaftet wurde,
lassen sie gern unerwähnt.
Am jammerigsten unter den Rechten sind die Konvertiten. Die, die früher
einmal links waren. Kaum eine Gruppe fühlt sich so missverstanden,
diskriminiert und verfolgt wie die Martensteins, Nuhrs, Palmers oder
Barings. In jeder großen Pause rennen sie zum Vertrauenslehrer und
beschweren sich über die Hänseleien der anderen Kinder und verlangen
gleichzeitig, dass diese doch gefälligst weiter mit ihnen zu spielen
hätten. Die fieseste Fiesheit für diese Menschen scheint es zu sein, wenn
man sie „rechts“ nennt. Monika Maron schreibt zum Beispiel in ihrem
letztjährigen NZZ-Artikel [1][„Links bin ich schon lange nicht mehr“]: „…
so denkt wie ich, ist rechts, behaupten sie.“ Mit „sie“ sind „die
Zeitungen“ gemeint. Und selbstverständlich findet Maron das absurd. Sie
frage sich doch nur, „bei jeder Frau, die mir kopftuchbewehrt
entgegenkommt: Was willst du mir damit sagen? […] Dass du besser bist als
ich? Dass meine Enkeltochter eines Tages auch so rumlaufen wird?“
Nun kann man vom Kopftuch halten, was man will – oder, wie ich,
grundsätzlich religiöse Kleidungsvorschriften ablehnen –, aber jeder
kopftuch„bewehrten“ Frau zu unterstellen, sie sei im Auftrage des
politischen Islam unterwegs, ist nun mal entweder rechts, paranoid oder
heuchlerisch. Im Zweifelsfall alles drei auf einmal. Und diese
Unterstellung wird leider nicht besser, indem man sie in rhetorische Fragen
kleidet, die in ihrer Durchschaubarkeit einer Schriftstellerin eigentlich
nicht würdig sind.
Der Profi-Jammerer Peter Sloterdijk sagte einmal: „Wer in Deutschland nicht
sozialdemokratisch ist, landet entweder im Irrenhaus oder im Ausland.“ Nur
gut, wenn man wie Sloterdijk seinen Irrenhaus-Aufenthalt mit einer
angemessenen Professoren-Pension und Buchverträgen versüßt bekommt.
28 Mar 2018
## LINKS
[1] https://www.nzz.ch/feuilleton/bundestagswahl-links-bin-ich-schon-lange-nich…
## AUTOREN
Hartmut El Kurdi
## TAGS
Die Wahrheit
Schwerpunkt Pegida
Neue Rechte
Harald Martenstein
Reisen
Gendergerechte Sprache
Hochzeit
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Unfälle
Schwerpunkt Rassismus
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