Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Migrantische Sportvereine: Kick it like Donkor
> 2008 gründete Yaw Donkor, gebürtiger Ghanaer, den 1. FC Afrisko, heute
> gibt es rund 40 Migrantenvereine in Berlin. Und noch immer gibt es
> Vorbehalte.
Bild: Yaw Donkor ist alles in einem: Gründer, Präsident, Zeugwart, Sportdirek…
„Wir haben den Stein ins Rollen gebracht“, sagt Yaw Donkor, nachdem er sich
vergewissert hat, wie das Sprichwort auf Deutsch noch mal heißt. „Ich bin
superstolz drauf.“ Yaw Donkor, Ex-Spieler in der Hertha-Jugend,
Ex-Beinahe-Bundesligaprofi, gebürtiger Ghanaer, hat 2008 in Berlin den 1.
FC Afrisko gegründet, den offiziell ersten afrikanischen Sportverein
Deutschlands. Und damit eine Angebotslücke gefüllt: riesige Aufmerksamkeit,
zeitweise mehrere Jugendteams und eine Frauenmannschaft, sowie der
beachtliche Erfolg von sechs Aufstiegen in acht Jahren.
Diesen Sommer könnte der junge Verein es sogar in die Bezirksliga schaffen.
Obwohl ihnen Pokale glaubhaft wenig wichtig sind. „Afrisko ist nicht nur
ein Sport- und Kulturverein“, sagt Donkor. „Wir helfen den Menschen, sich
zu finden, und sich in der Gesellschaft Anerkennung zu verschaffen und
anzukommen.“ Und: „Wir wollen Vorreiter sein, wie bei den Türken
Türkiyemspor.“
Afrisko ist einer von vielen von Migranten gegründeten Sportvereinen in
Berlin. Allein die Zahl der türkischen Vereine pendelt zwischen 20 und 25;
von den anderen Nationen sind es etwa noch mal so viele. „Insbesondere in
den Städten gehören Migrantenvereine immer mehr dazu“, sagt Stefan Metzger
von der Uni Siegen, der die jüngste Studie zu Berliner Migrantenvereinen
durchgeführt hat. „Aber es gibt noch relativ große Vorbehalte; da kommt
schnell das Wort Parallelgesellschaft.“
Migrantenvereinen wird gern unterstellt, sich abzuschotten; bei Spielen
geht es „gegen die Türken“. Und tatsächlich kann man sich fragen, ob man
sich mit so einem Verein nicht seine Blase schafft. Und warum man ihn, bei
all den gemischten Alternativen, überhaupt gründet.
## „Wir wollen niemanden ausschließen“
Yaw Donkor sitzt zu Hause im Wohnzimmer, damit beschäftigt, während des
Erzählens seine kleine Tochter davon abzuhalten, Tee über ihr Kleid zu
kippen. Später kommt Trainer Said Müller dazu, der für Donkors Kinder Onkel
Sidi ist. Der Verein ist Familie, das ist mehr als eine Phrase. „Wenn man
Kind ist, hat man gewisse Träume“, sagt Donkor, „mein Traum war, mit alten
Freunden meinen eigenen Verein aufzumachen. Wie cool ist das denn? Es wäre
viel schwieriger, mit Leuten etwas aufzubauen, die du nicht kennst.“
Es ist ein sehr alltägliches, fast banales Motiv. Der Mensch fühlt sich
wohler mit denen, die ihm ähneln. Gerade in der Fremde. Donkor formuliert
es so: „Wir wollen niemanden ausschließen. Wir wollen unsere Freude,
unseren Spaß, unsere Lockerheit übermitteln. Und es ist klar, dass man auch
mal Zeit verbringen möchte mit Menschen, mit denen man viele
Gemeinsamkeiten hat, Sprache und Kultur.“ Eine Balance zwischen dem Wunsch
nach Eigenem und der Sorge, abweisend zu wirken. Für Menschen aller Couleur
offen sein und trotzdem Profil haben.
Die Gründungsmotive Afriskos decken sich erstaunlich mit denen fast aller
Migrantenvereine in Metzgers Studie: Gemeinschaftsgefühl im Neuland. Aber
noch etwas scheint sehr präsent: der Wunsch nach Anerkennung. Viele
Aktivisten in der Befragung klagten, dass deutsche Vereine für Migranten
gerade im Ehrenamt sehr geschlossen seien.
## Mittel gegen Ausgrenzungserfahrungen
Auch Yaw Donkor hat seine Erfahrungen mit Rassismus gemacht: In der Schule
ist er einer der wenigen Schwarzen, er wird als „Neger“ beschimpft. Als
Jugendspieler hänseln ihn gegnerische Eltern vor allem im Berliner Osten
mit Affengeräuschen. „Wenn du Gleichgesinnte hast, bist du nicht allein“,
erzählt er, „Afrisko gibt dir das Gefühl: Du bist anders, aber du bist
akzeptiert.“ Bei Afrisko kann er einer von vielen sein.
Historisch sind solche Gründungen überraschend normal. Metzger forschte
etwa zu deutschen Auswanderern, die in Brasilien einen Fußballverein SC
Germania gründeten. Ist das Abgrenzung? Ja, ist es. Aber auf Zeit.
„Vereinsgründung ist immer eine Abgrenzung nach außen. Sie entsteht aus
einer kleinen homogenen Gruppe, die sich dann schrittweise öffnet.“
Vor allem, auch in Berlin, durch Jugendarbeit. In Clubs wie Türkiyemspor
ist das exemplarisch passiert. Der Verein muss nicht, aber kann eine sehr
effektive Brücke sein: „Migrantenvereine haben die Teilnahme am
organisierten Sport für viele erst ermöglicht“, glaubt Metzger. „Und sie
sind ein Sprungbrett ins Ehrenamt. Ein Kollege hat es mal so formuliert:
Wenn man sich abschotten will, ist Fußball der schlechteste Ort.“
Vermutlich auch aufgrund der Vorurteile bemühen sich viele Clubs
vorauseilend um das Image als Integrationshelfer. Auch bei Afrisko legen
sie viel Wert auf Multikulti. Viele Spieler, auch Donkor, sind mit
Deutschen verheiratet. Es gab auch mal Projekte mit Berliner Unternehmen,
um Jugendlichen Praktikumsplätze zu vermitteln. Donkor hat zig Ideen,
Jugendlichen im Kiez zu helfen.
## Jetzt der sportliche Erfolg?
Zwischenzeitlich wurde Donkor dabei Opfer seines eigenen Erfolgs: Die
Strukturen wuchsen schneller als die Zahl der Freiwilligen. Trainer
wanderten zu Nachbarvereinen ab, weil es da Geld gab, und die
Jugendabteilungen wanderten mit. Die Nachwuchsarbeit brach zusammen. Aber
die Begeisterung blieb. Ab nächster Saison wollen sie mit Bambini wieder
anfangen.
Mit dem Aufstieg in die Bezirksliga könnte jetzt der größte sportliche
Erfolg gelingen. An Bord ist mit Said Müller ein ambitionierter junger
Trainer, der Vorbild sein will. Er ist einer der sehr wenigen
afrikanischstämmigen Trainer in Deutschland. „Viele afrikanische Ex-Spieler
blockieren sich von vornherein selbst“, glaubt Müller. „Sie sagen sich: Ich
habe sowieso keine Chance, eine große Mannschaft zu trainieren. Ich kriege
als Schwarzer diese Stelle nicht. Es gibt auch keine Rollenvorbilder.
Deutschland ist noch nicht so weit.“
Afrisko ist Vorreiter in vielerlei Hinsicht. Mit der Bundesliga hat Yaw
Donkor abgeschlossen. Im Amateurfußball lässt sich etwas vermitteln. Und
ankommen. Einige Migrantenvereine sind irgendwann mit ihrem Kiez
verwachsen. Aus Samsunspor wurde der FC Kreuzberg; aus Göktürkspor und
Galatasaray Berlin der Rixdorfer SV. Der brasilianische SC Germania
übrigens heißt heute EC Pinheiros. Kaum jemand erinnert sich, dass er von
Deutschen gegründet wurde.
18 Mar 2018
## AUTOREN
Alina Schwermer
## TAGS
Amateurfußball
Parallelgesellschaft
Migranten
Kulturaustausch
Schwerpunkt Rassismus
Amateurfußball
Homosexualität im Profisport
Vereinssport
Türkiyemspor
Berlin-Kreuzberg
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kulturaustausch durch Fußball: Gezielter Culture Clash
Der Charlottenburger CSV Afrisko versucht, die afrikanische und europäische
Kultur zu verbinden – in einem Fußballverein. Ein Besuch auf dem Spielfeld.
Fußball-Boykott in Sachsen-Anhalt: Foul oder Rassismus
Der Kreisligakicker Momodou Jawara aus Gambia steht wegen seiner harten
Spielweise am Pranger. Sein Klub Blau-Weiß Grana spricht von Rassismus.
Amateurfußball mit Ambitionen: Ein Kreisligist erobert China
Beim TC Freisenbruch entscheidet die Online-Community – über Bierpreise und
die Mannschaftsaufstellung. Nun wirbt der Club in Peking um Neu-Manager.
Migrantisch geprägter Fußballverein: 40 Jahre Türkiyemspor Berlin
Finanznot, Homophobie-Vorwürfe und Platzprobleme: Nach 40 Jahren will sich
Türkiyemspor neu erfinden und richtet den Fokus auf Frauensport.
Dienstjahre in Sportvereinen?: Freiwillig in die Pflicht genommen
Der organisierte Sport in Deutschland profitiert von Freiwilligen. Jetzt
wird über Wehrpflicht und Dienstjahr diskutiert. Welche Folgen kann das
haben?
Kolumne Kulturbeutel: Problembezirk als Vereinsgeschichte
Ein Berliner Kiezklub mit Migrationshintergrund wird Literatur. Es geht um
mehr als Fußball – wie immer, wenn es um Fußball geht.
Türkiyemspor in der Krise: Fußball als Utopie
Der Kreuzberger Klub Türkiyemspor ist finanziell und sportlich abgestürzt.
Zuletzt gab es auch noch Homophobie-Vorwürfe gegenüber dem Vorstand.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.