# taz.de -- „Ghettoplan“ der dänischen Regierung: Falsches Viertel? Wenige… | |
> Dänemarks Regierung plant ein Spezialrecht für Orte, wo viele | |
> „nicht-westliche“ Einwanderer leben. Dort sollen doppelte Strafen | |
> verhängt werden. | |
Bild: Der Ministerpräsident in Mjølnerparken, Kopenhagen – einem der Vierte… | |
STOCKHOLM taz | Du wohnst in einem Viertel mit einem hohen Anteil von | |
Menschen ausländischer Herkunft? Pech gehabt. Für dich wird in Zukunft | |
spezielles Recht gelten. Solltest du beispielsweise einen Diebstahl oder | |
ein Drogendelikt begehen, wird kurzerhand eine doppelt so hohe Strafe | |
verhängt werden wie für den Rest der Bevölkerung. Unvorstellbar? Nicht in | |
Dänemark. | |
Am Donnerstag stellte die Regierung in Kopenhagen ihren [1][„Ghettoplan“] | |
vor, mit dessen Hilfe Dänemark bis 2030 frei von „Ghettos“ werden soll. So | |
nennt die Regierung Wohngebiete, in denen es einen Anteil „nicht-westlicher | |
Einwanderer“ von über 50 Prozent oder eine Arbeitslosenrate von über 40 | |
Prozent gibt. 25 „Ghettogebiete“, in denen über 60.000 Menschen leben, | |
umfasst die aktuelle Liste. | |
Mit 22 Initiativen will die rechtsliberale Regierung unter | |
Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen jetzt ein „Dänemark ohne | |
Parallelgesellschaften“ errichten. Der Katalog umfasst unter anderem einen | |
obligatorischen Kindergartenbesuch ab dem erstem Geburtstag. Eltern, die | |
dieser Verpflichtung nicht nachkommen, kann das Kindergeld gekürzt werden. | |
Das droht ihnen auch für den Fall, dass ihr schulpflichtiges Kind | |
Fehlzeiten von über 15 Prozent hat oder Prüfungen schwänzt. | |
Auch die Kontrolle der Schulen selbst will die Regierung verschärfen. | |
Schulen, die die Anwesenheit ihrer SchülerInnen nicht rigoros überwachen | |
oder die über einen längeren Zeitraum schlechte Resultate liefern, sollen | |
aufgelöst werden können. Gymnasien mit einem mehr als 20-prozentigem Anteil | |
von SchülerInnen ausländischer Herkunft können eine Umverteilung von | |
SchülerInnen zu anderen Gymnasien verlangen, bei einem mehr als | |
50-prozentigem Anteil wird diese Umverteilung Pflicht. | |
## „Jagd auf bestimmte ethnische Gruppen“ | |
Das konnte nicht ohne Gegenrede bleiben: Auch wenn einzelne Punkte durchaus | |
diskutiert werden könnten, stelle der Plan in seiner Gesamtheit eine „Jagd | |
auf bestimmte ethnische Gruppen“ dar, erklärte beispielsweise die | |
Sozialarbeitergewerkschaft „Socialrådgiverforening“. Die Ankündigung, gan… | |
Gebäudekomplexe abreißen zu wollen, kritisiert Hans Skifter Andersen, | |
Professor am Bauforschungsinstitut der Universität Aalborg, als bloße | |
Symbolpolitik: „Damit werden die Probleme nur verlagert.“ | |
Auf breite Ablehnung stieß der Vorschlag „spezieller Strafzonen“, wo gegen | |
dort wohnende Straftäter „grundsätzlich verdoppelte Strafen“ verhängt od… | |
Ausnahmen vom gesetzlichen Mieterschutz möglich sein sollen. Sie sollen | |
dann nicht nur für die jeweiligen Täter gelten, sondern auch für deren | |
gesamte Familie. Solche Ungleich- und Sonderbehandlung sei mit | |
fundamentalen rechtsstaatlichen Prinzipien unvereinbar, rügt die | |
Kopenhagener Sozialrechtsprofessorin Kirsten Ketscher: „Das wäre ein | |
Verstoß gegen dänisches Recht, die Menschenrechtskonvention und die | |
UN-Konvention gegen Rassendiskriminierung“. | |
Neben seiner eigenen Minderheitsregierung braucht Løkke Rasmussen für die | |
Umsetzung seines Programms die Stimmen der rechtspopulistischen Dänischen | |
Volkspartei und der Sozialdemokraten. Deren rechtspolitische Sprecherin | |
Trine Bramsen bezeichnet die Einrichtung spezieller Strafzonen jedenfalls | |
schon mal als „vernünftigen Gedanken“. | |
1 Mar 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://www.regeringen.dk/media/4937/publikation_%C3%A9t-danmark-uden-paral… | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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